Direkt zum Inhalt

Magazin

Zwei Bugatti Super Sport sind die Headliner der London Auktion von RM Sotheby’s

Der Bugatti EB110 Super Sport und der Chiron Super Sport 300+ stehen für die extremsten Varianten des ersten und letzten Verbrenner-Modells der modernen Bugatti-Ära. Nun können Sie am 5. November bei RM Sotheby’s London Sale beide Ihrer Sammlung einverleiben.

Finden Sie die Business Class ein wenig zu gewöhnlich? Und haben Sie ein paar Millionen Euro, die ein Loch in Ihre Tasche brennen? Falls Sie beide Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, dann haben Sie Glück, denn die für den 5. November in London anberaumte Auktion von RM Sotheby's eröffnet Ihnen eine alternative Art des transkontinentalen Reisens: zwei der schnellsten und seltensten Bugatti der Neuzeit. Vom Bugatti EB 110 Super Sport und Chiron Super Sport 300+ haben sie in Molsheim jeweils nur 30 Exemplare gebaut, so dass sie unglaublich schwer zu bekommen sind. Als wir sahen, dass beide im Auktionskatalog aufgeführt waren, wussten wir, dass wir genauer nachforschen mussten.

Fangen wir mit der alten Garde an, okay? Dieses atemberaubende Exemplar aus den Neunzigern ist ein Bugatti EB 110 Super Sport von 1996. Seine Geschichte reicht bis in die späten 1980er-Jahre zurück, als der italienische Unternehmer und Ferrari-Händler Romano Artioli begann, Pläne zur Wiederbelebung der kultigen Marke zu schmieden. In Anbetracht der Tatsache, dass Bugatti seit 1952 nicht mehr aktiv war, musste etwas wirklich spektakulär Neues her. Um die Marke in das moderne Zeitalter zu katapultieren und zu beweisen, dass die DNA des Grand-Prix-Siegers und Erbauers solch legendärer Modelle wie Royale oder 57 SC Atlantic immer noch lebendig war.

Im Oktober 1987 gründete Artioli Bugatti Automobili SpA und errichtete im Jahr darauf in Campogalliano bei Modena ein brandneues Werk, die „Blue Factory“. Bald holte er Paolo Stanzani und Marcello Gandini an Bord – von denen er sich aber nach Meinungsverschiedenheiten bald wieder zugunsten des neuen technischen Direktors Nicola Materazzi trennte. Der überarbeitete zusammen mit Artiolis Cousin Giampaolo Benedini, auch Architekt des Werkes, den von Artioli missbilligten Gandini-Entwurf nochmals deutlich. Im finalen Design wurde der neue Bugatti dann am 15. September 1991 vor dem Grand Arch de la Défense in Paris mit Schauspieler Alain Delon als Gastgeber der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Exakt zum 110. Geburtstages des legendären Firmengründers Ettore Bugatti, daher auch das „EB“ in der Typenbezeichnung.

Der von vier Turboladern unter Dampf gesetzte 3,5-Liter-V12-Motor übertrug seine 560 PS auf alle vier Räder. Nur eine kurze Fahrt von Maranello entfernt gebaut, setzte der italienisch/französische Newcomer Ferrari und auch Lamborghini sofort unter Druck. Artioli gab sich jedoch nicht damit zufrieden, einfach nur Konkurrent der etablierten Supersportwagenbauer zu werden. Er wollte sein Modell in einer ganz anderen Stratosphäre ansiedeln.

Dazu zündete er auf dem Genfer Salon von 1992 die zweite Raketenstufe des EB 110: den EB 110 SS (für Super Sport). Dank eines von 1,05 auf 1,2 bar erhöhten Ladedrucks, neuem Motorsteuergerät, größeren Einlassventilen und einem freier fließenden Auspuffsystem mobilisierte dessen V12 nun 611 PS bei 8250 U/min. Für die frühen 1990er-Jahren war diese Leistung ein starkes Statement, doch Bugatti beließ es nicht dabei. Indem sie den EB 110 Super Sport auf eine strenge Diät setzten, gelang es den Technikern, das Leergewicht um 150 kg zu reduzieren. Das Ergebnis: eine straßentaugliche Rakete, die in nur 3,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigte und eine atemberaubende Höchstgeschwindigkeit von knapp 350 km/h erreichte. Leider ließen die weltweite wirtschaftliche Rezession, erfolgreiche Bestechungsversuche von Zulieferern, die Bugatti nicht mehr belieferten und gezielte Verleumdungskampagnen seitens der Konkurrenz Artiolis Träume zerplatzen. Bis zur Konkursanmeldung im Jahr 1995 bauten sie in Campogalliano so nur 139 EB 110 zusammen – 31 Super Sport, 95 GT und 13 Prototypen. Unter den prominenten Kunden war auch ein gewisser Michael Schumacher. Bis 1998 wurde das Erbe Bugattis auf Eis gelegt, ehe der Volkswagen-Konzern die legendäre Marke übernahm.

Der Bugatti EB 110 Super Sport, den Sie hier sehen, ist einer von nur zwei Exemplaren in der Farbe Bianco Monaco. Innen tauchen Sie ein in ein Meer aus dunkelblauem Leder mit ebenfalls blauen Sicherheitsgurten, weit entfernt vom spartanischen Interieur eines Ferrari F40. Dieses 1996 erstmals zugelassene Exemplar wurde vermutlich neu nach Monaco geliefert, wo es bis März 2012 blieb, bis es vom jetzigen Besitzer erworben und in die britische „Gran Turismo Collection” aufgenommen wurde. Mit nur 24.467 Kilometern auf der Uhr ist dieser EB 110 Super Sport für sein Alter noch bemerkenswert frisch und würde mit unserem nächsten Thema eine außergewöhnliche Zweier-Beziehung abgeben.

Sprung ins Jahr 2019. Bugatti baut zu diesem Zeitpunkt schon drei Jahre lang den Chiron. Höchste Zeit also für dessen eigene Super Sport-Variante. Die kündigt die VW-Tochter dann im September jenes Jahres mit einem Paukenschlag an: Mit Bugatti-Testfahrer und Ex-Le-Mans-Sieger Andy Wallace am Steuer bricht ein Vorserienmodell des kommenden Top-Acts auf dem VW-Testgelände Ehra-Lessien als erstes Fahrzeug mit Straßenzulassung die 300-mph-Schallmauer. Exakt gemessen werden 304,773 mph, was 490,379 km/h gleichkommt. Damit ist die Basis gelegt für den Chiron Super Sport 300+, von dem kurz nach dem erfolgreichen Rekordversuch 30 Exemplare aufgebaut werden.

Der Super Sport 300+ unterscheidet sich radikal von einem gewöhnlichen Chiron. Vorn fällt er durch einen modifizierten Stoßfänger mit maßgeschneiderten „Air Curtains" an den Ecken auf. Sie reduzieren den Luftdruck bei hohen Geschwindigkeiten und lassen den Luftstrom optimal an den Flanken des Fahrzeugs entlang gleiten. Die Auslässe an den Radkästen tragen ebenfalls zur Reduzierung des Luftwiderstands bei. Optisch grenzt sich der Chiron Super Sport 300+ aber vor allem durch sein Langheck ab. Es streckt das Modell um satte 25 Zentimeter und senkt sehr wirkungsvoll die Unterdruckzone hinter dem Fahrzeug. Die Michelin-Reifen des Super Sport 300+ vertragen eine Topspeed von 500 km/h; wobei Bugatti die Straßenversion elektronisch auf 440 km/h abriegelt.

In solche Sphären wird der Chiron Super Sport 300+ durch den vielleicht extremsten Verbrennungsmotor, den die Welt je gesehen hat, entführt. Hinter dem Fahrersitz sitzt ein gigantischer 8,0-Liter-W-16-Motor mit Vierfach-Turboaufladung, entwickelt aus dem erstmals für den Vorgänger Veyron konzipierten Aggregat. Während der Veyron jedoch gerade einmal 1.000 PS (und als Super Sport 1200 PS) leistete, bringt es der Motor des Chiron Super Sport 300+ auf galaktische 1600 Pferdestärken. Die Kunden konnten den 300+ in jeder beliebigen Farbe bestellen, solange sie sich für Sichtkohlefaser mit Rennstreifen in Jet Orange entschieden. Wenn ein Auto so bedrohlich aussieht, würden wir uns über mangelnde Individualisierungsmöglichkeiten nicht beschweren.

Der Chiron Super Sport 300+ von Januar 2022, den sie hier sehen, fand sofort nach Auslieferung durch den Londoner Bugatti Vertreter HR Owen den Weg in die Gran Turismo Collection. Zum Zeitpunkt der Drucklegung des Auktionskatalogs hat er nur 2310 Kilometer abgespult. Damit ist der Motor gerade mal eingefahren und bereit, nun mit Hilfe des legendären „Speed Keys” von Bugatti seine ganze Muskelkraft auszuspielen. Natürlich brauchen Sie dafür eine verdammt lange und auch abgesperrte Gerade. Und während sie das tun, nehmen sie vielleicht noch den EB 110 Super Sport dazu. Und sei es nur um anzuerkennen, wie weit Bugatti in 30 kurzen Jahren gekommen ist. Wenn Sie ein unstillbares Bedürfnis nach Geschwindigkeit und einen sehr gesunden Kontostand haben, dann wartet Ihre ultraschnelle Doppelgarage schon auf Sie...