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Hätten Sie es gewagt, gegen den „Hexer” und seinen Simca Gordini 8 anzutreten?

Amédée Gordini war eines der größten mechanischen Genies des frühen 20. Jahrhunderts. Dieser Simca Gordini 8 war eine seiner wettbewerbsfähigsten Kreationen. Wir tauchten tief in die Geschichte dieses nur dreimal gebauten Modells ein und lernten, wie Gordini zu seinem Spitznamen „Der Hexer“ kam.

Jeder jüngere Kenner französischer Hochleistungsautos wird den Namen Gordini sofort mit den hellblauen R8 oder R12 von Renault und ihren charakteristischen weißen Rennstreifen in Verbindung bringen. Doch nur wenige kennen die Geschichte des Mannes hinter diesen heißen Versionen braver Alltagsmodelle – und warum man ihm den Spitznamen „Der Hexer“ („Le Sorcier“) gab. 

1899 in Bazzano bei Bologna noch als Amedeo Gordini geboren, war er schon von jungen Jahren an besessen vom Motorsport und allen mechanischen Dingen. Mit nur elf Jahren erhielt er eine Stelle bei der Bologneser Fiat-Vertretung und wurde persönlich von Edoardo Weber geschult, der ihm alle der zumeist unter Verschluss gehaltenen Geheimnisse der korrekten Vergaser-Einstellung enthüllte – zu jener Zeit das kniffligste Element für ein erfolgreiches Motortuning. Diese Erfahrung brachte Gordini 1920 eine Stelle in der Motorenabteilung von Isotta Fraschini ein, wo er Neben Alfieri Maserati arbeitete. 1925 zog er nach Frankreich, um in der Werkstatt des französischen Isotta-Fraschini-Händlers Duval et Cattaneo anzuheuern.

Nur ein Jahr später eröffnete Gordini – nun mit Vornamen Amedée – seine eigene Werkstatt in Suresnes und wurde ein Fiat-Händler. Er entwickelte enge Bande zu SAFAF, eine französische Firma, die in der Zwischenkriegszeit Fiat-Modelle nach Frankreich importierte und aus der dann 1934 der von Fiat gegründete Hersteller „Société Industrielle de Mécanique et Carrosserie Automobile“ (SIMCA) erwuchs. Fiat reagierte damit auf die große Beliebtheit des Modells 6CV, die neben einer lokalen Produktion (ab 1935 in Nanterre) auch nach einer zentralen Organisation für Frankreich verlangte. Weil er mit diesen „französischen Fiat” vertraut war, gestattete Simca Gordini, die Modelle auf eigene Kosten für Rennen vorzubereiten – mit der einzigen Kompensation in Form von Preisgeldern. 

Gordinis erste Wettbewerbseinsätze waren, gelinde gesagt, ungewöhnlich: Er entwickelte einen 514 Torpedo für den Fahrt von Suresnes auf den Mont Valérien, ein nur 800 Meter langes „Bergrennen“, bei dem das langsamste Auto einen Preis erhielt. Gordini gewann das Rennen sowohl 1934 als auch 1935 und wurde damit zum „König der langsamen Fahrer“ gekürt. Diese eher humorvolle Auszeichnung war jedoch nur der Anfang von Gordinis Legende. Nachdem er eine Zeit lang am Simca 5 getüftelt hatte, konzentrierte er sich auf die Umgestaltung des Fiat 508 C Typ 8, der in Italien unter der Bezeichnung Fiat 1100 und in Frankreich als Simca 8 (Huit) vermarket wurde.

1937 erwarb Gordini einen der allerersten Simca 8 und begann im Geheimen, ihn in eine echte Rennmaschine umzubauen. Da das Serienmodell jedoch erst später im selben Jahr auf dem Pariser Salon vorgestellt werden sollte, durfte Gordini seine Kreation erst nach der Freigabe durch Simca präsentieren.

Nichtsdestotrotz machte er sich an die Arbeit, seinen Simca 8 zu zerlegen. Er verstärkte das Fahrgestell umfassend, ebenso die Dämpfung und ersetzte die serienmäßigen Trommel- durch Aluminiumbremsen mit Rudge-Naben und Drahtspeichenfelgen. Um die Gewichtsverteilung zu verbessern, wanderte der Kraftstofftank von der Heckpartie auf die rechte Seite des Cockpits, um so das Gewicht des Fahrers auszugleichen.

Die Karosserie erfuhr eine ähnlich gründliche Transformation. Bei dem von Gordini gewählten aerodynamischen Design ließ er sich von zwei seiner früheren Simca 5 mit komplett verkleidetem Unterboden inspirieren. Dazu stellte er einen erfahrenen Metallbearbeiter namens Gabriel Beausser an, der 1 mm dünne Aluminium- und 0,8 Millimeter dünne Duraluminium-Bleche für den kurvig geformten Rennwagen in die Form hämmerte, den Sie hier sehen.  

Doch natürlich war es der Motor, bei dem Gordini seine wahre Magie entfalten konnte: Er bearbeitete die Zylinderköpfe, polierte die Brennräume und -kanäle, wuchtete Kurbelwelle und Pleuel aus und erleichterte das Schwungrad. Es dauerte nicht lange, ehe Charles Faroux, Chef der Zeitung „L’Auto“ und Rennleiter in Le Mans, Gordini nach den beeindruckenden Leistungen seiner Simca beim 24 Stunden-Rennen  den Spitznamen „Zauberer“ oder „Hexer“ verlieh.

Das hier abgebildete Auto mit Chassisnummer 823885 aus dem Jahr 1937 ist einer von nur drei jemals gebauten Simca Gordini 8. Seinen ersten Wettkampf erlebte es beim Bol d’Or von 1938 in Montlhéry. Gordini saß über 24 Stunden allein im Cockpit und gewann das Rennen mit zehn Runden Vorsprung, nachdem er 2.456 Kilometer mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 102 km/h zurückgelegt hatte. Damit schlug er nicht nur alle anderen in der 1.100-cm³-Klasse, sondern auch die 1.500-cm³-Sportwagen.

Nur zwei Wochen später trat #823885 mit Startnummer 38 und den Piloten Jean Breillet und Jean Viale bei den 24 Stunden von Le Mans an. Leider mussten sie nach 111 Runden wegen einer lecken Ölleitung aufgeben, doch erhielt #823885 im folgenden Jahr und an gleicher Stelle eine zweite Chance. Bei diesem letzten Vorkriegs-Event steuerten Guy Lapchin und Jacques Plantivaux den #823885 auf Platz 13 im Gesamtklassement und Platz 2 in der Klasse, drei Ränge hinter keinem Geringeren als Amédée Gordini im Simca Gordini 8 mit Chassisnummer #810404 auf Platz 10. Ein fantastischer Doppelsieg in der Klasse bis 1,1 Liter vor einem Morgan 4/4, einem weiteren Simca 8 und einer Singer Le Mans Replica. 

Nach dem Krieg kehrte dieser Simca Gordini 8 unter seinen neuen Besitzern zunächst im Rahmen von Grand-Prix-Rennen zurück, ehe er 1947 für seinen neuen Eigner, Jacques Lapaillerie, auf Rechtslenkung umgebaut wurde. Lapaillerie setzte #823885 weiter bei Rennen ein, darunter beim Bol d’Or von 1950, und dann bis zu seinem letzten dokumentierten Einsatz, dem Grand Prix de Bordeaux von 1953, wo er einen respektablen vierten Rang errang. 

1963 verkaufte Jacques Lapaillerie den Simca Gordini 8 an Christian Chassaing de Borredon, der ihn ab 1968 über zwei Jahrzehnte lang in seinem Bec-Hellouin Museum ausstellte. Nach seiner Zeit dort ging #823885 durch die Hände von zwei weiteren Besitzern, ehe ihn der aktuelle Custodian 1999 unter seine Fittiche nahm. Nun, nach 26 Jahren in derselben Sammlung, sucht dieser historische Le-Mans-Klassensieger über die Ascott Collection eine neue Heimat. Als zweimaliger Starter bei Le Mans Classic und Sieger des FIVA Le Mans Heritage Club Awards 2018 repräsentiert dieser Simca Gordini 8 eine unverzichtbare Gelegenheit, ein faszinierendes Stück Motorsportgeschichte und einen äußerst konkurrenzfähigen Vorkriegs-Rennwagen zu erwerben!

 

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