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Viel Schlamm, Staub und Abenteuer pur – wir erinnern uns an die legendäre Camel Trophy

Eigentlich wollten sie nur Zigaretten holen – und landeten bei Kopfjägern, Piranhas und Malarianestern. Auf der Jagd nach den letzten Abenteuern kämpften sich die Land Rover der Camel Trophy der 1980er und 1990er Jahre bis ans Ende der Welt. Es blieben Geschichten, die das Herz gefrieren lassen.

Wer seinen Motorsport gerne mit einer heftigen Dosis Schlamm gewürzt liebt, erinnert sich bestimmt noch an die Land Rover in Sandglow-Gelb, die sich in den 1980er und 1990er Jahren den Strapazen der Camel Trophy aussetzten und in ihrem Milieu so legendär wurden wie die Stallfarben von Gulf, Martini und Marlboro zur selben Zeit auf den Rennstrecken Europas. Es war diese Partnerschaft zwischen einem Hersteller von robusten Allradfahrzeugen und der Zigarettenmarke Camel mit ihrem nicht weniger rauen Image, die aus Offroad-Amateuren Helden machte und Nationen gegen einander antreten ließ. Zugleich wurden die Expeditionsfahrten alter Schule zu den entlegensten Ecken der Welt wiederbelebt. Es waren Olympische Spiele in der Allraddisziplin.

Diese Woche hat Land Rover 25 gelbe „Trophy“ Defender präsentiert, die auf den klassischen Fahrzeugen basieren, die man nach dem Produktionsende 2016 eingelagert hatte. Zu den Merkmalen dieser exklusiven Edition zählen ein über 405 PS starker V8 und ein „Hardcore“-Paket komplett mit Dachträger, Seilwinde und Überrollkäfig. In dem doch erstaunlich hohen Grundpreis von 195.000 Pfund ist auch ein dreitägiger Offroad-Wettbewerb bei Eastnor Castle in Herfordshire mitinbegriffen – der Ort, wo Land Rover seine Modelle seit Jahrzehnten auf einem Trail-Kurs von 66 Meilen mit allen Härten des Terrains konfrontiert. Das Unternehmen beschreibt diesen Kurs als ihre Antwort auf Fiorano. Ich bin dort schon selbst unterwegs gewesen und weiß, dass es nichts für schwache Nerven ist. Aber es wirkt wie eine gemütliche Spritztour im Vergleich mit den Herausforderungen, denen sich die Kunden bei der Camel Trophy zwischen 1981 und 1998 stellen mussten. Zum einen gibt es keine Piranhas in Eastnor, auch Kopfjäger sucht man hier genauso vergebens wie von Malaria infizierte Sümpfe.

Das Auswahlverfahren für die Teilnahme an der Camel Trophy war extrem anspruchsvoll und verlangte von den hoffnungsvollen Teilnehmern mentale Stärke, physisches Durchhaltevermögen und hohe Fahrkunst. Niemand durfte zweimal teilnehmen. Im Lauf der Jahre besuchten die Abenteurer Indonesien, Borneo, Ostafrika, Papua-Neuguinea, Australien, Madagaskar, Siberien, die Mongolei und ausgedehnte Regionen in Südamerika. Tatsächlich fand die erste Camel Trophy in 1980 ganz ohne Land Rover statt. Der Event war ein Geistesblitz einer Düsseldorfer Werbeagentur, die damit die Marke Camel des US-Tabakriesen RJ Reynolds bewerben wollte. Die Route führte durch 1.000 Meilen im Amazonasgebiet und durch die Badlands des brasilianischen Goldrausches – von der Stadt Belém am Atlantik bis nach Benjamin Constant tief im Herzen des Dschungels. Es gab nur drei Teams – alle seinerzeit aus West-Deutschland -, die in drei Jeep CJ6 losgelassen wurden. Laut einer Legende waren diese Jeeps einfach am Flughafen gemietet worden. Ob Hertz je die Kaution zurück erhielt, bleibt fraglich, denn keines der Fahrzeuge schaffte es, die komplette Route zu absolvieren und die Schlüssel am Flughafen wieder abzugeben.   

Kunde von diesem Missgeschick erreichte Solihull und für die Auflage 1981 auf der Insel Sumatra westlich von Indonesien entwickelte Land Rovers Special Vehicles Operation eine Flotte von abgehärteten V8 Range Rover. Diesmal traten fünf Teams aus acht Männern und zwei Frauen gegen einander und die Natur an, und wieder waren alle deutsch. Die Tour hielt für sie alle erdenklichen Spektakel bereit: vulkanische Gebirge im Norden bis zu über drei Meter tiefen Stromschnellen und tropisches Sumpfland im Süden Sumatras. Die verlässlichen und robusten Range Rover erwiesen sich auf diesem Terrain als exzellente Wahl sowie ein Jahr später in Papua-Neuguinea. Von da an bot Land Rover immer ein Wechsel der Modelle für die Trophy an. Dazu gehörten der Series III, die Defender 90 und 110, der Discovery in der Variante 200tdi und 300tdi und schließlich in 1998 der Freelander. Alle wurden mit spezieller Schlammbereifung ausgestattet, mit Hella-Sportleuchten, Mantec-Schnorcheln, Anhängekupplungen, Seilwinden, Dachträger, Überrollkäfige, Überbrückungsbleche, brennstoffbetriebene Heizungen von Webasto, Terratrip-Rallyecomputer, GPS, VHF-Radio und grimmig wirkende Bullenfänger.

Mit der Trophy 1982 in Papura-Neuguinea wurde der Konvoi der Extremisten erstmals international. Acht Teams gingen an den Start, jeweils zwei aus Deutschland, den Niederlanden, Italien und den USA. Punkte wurden vergeben für zehn spezielle Aufgaben, die sowohl den Teamgeist auf die Probe stellten, die fahrerische Leistung und die Ausdauer der Crew. Es gab Zeitfahrten, Trials, bei denen es um geschicktes Manövrieren ging, Herausforderungen bei der Navigation, pilotieren auf gefährlichen Abhängen und das Balancieren der Fahrzeuge auf schmierigen Baumstammwippen. Alles in diesem Katalog der Gemeinheiten erforderte Präzision, Geduld und furchtlosen Elan. In diesem Jahr wurden die Italiener Cesare Geraudo und Giuliano Giongo zu den Champions der Trophy gekrönt, begleitet und unterstützt von Mitgliedern der 700 örtlichen Stämme.

Im Jahr darauf stellten sich Teams aus Spanien, Portugal, Schweiz und Hongkong der gefährlichsten Destination dieses Wettbewerbs: Zaire und seine Überpopulation von Schlangen. Hier mussten die Autos Hunderte von Meilen in steiler Schieflage meistern und kippten oft genug. Beim Versuch, Tee in einem Begleitfahrzeug zu machen, warf ein Journalist den Ölofen um – daraufhin explodierte der Land Rover und drohte dabei fast, ein Dorf in Schutt und Asche zu legen. Bei der Ankunft in entlegenen Siedlungen wurden Vorräte aller Art an die Einheimischen verteilt ebenso wie medizinische Unterstützung geleistet. Brunnen, Gebäude und Brücken wurden errichtet, während Experten, die unterwegs eine Mitfahrt im Konvoi ergatterten, die Möglichkeit für Wildtierforschung und geographische Studien nutzten.

Das Format des Events wurde 1986 erweitert, um noch mehr Ländern eine Teilnahme zu ermöglichen, allerdings gab es nur einen nationalen Slot pro Land und maximal 14 Fahrzeuge. Als Preis winkte ein fabrikneuer und absolut unbeschädigter Land Rover aus der jeweiligen Trophy-Reihe. Aber 1987 in Madagaskar, wo der Range Rover TD zum Einsatz kam, wünschten sich die Gewinner stattdessen zwei neue Defender. Zusätzlich wurde auch noch ein Preis für „Team Spirit“ eingeführt, um jene auszuzeichnen, die anderen geholfen hatten und den Sinn für Abenteuer und Fairplay der Camel Trophy verkörperten. Dieser Preis galt als genauso wichtig wie der Gesamtsieg. Der Teamgeist spielt natürlich eine essentielle Rolle, wenn man zwei Wochen lang in einem heißen und beengten 4x4 in jede mögliche Richtung herumgewirbelt wird, mit übel riechendem Schlamm verdreckt ist, Staub die Augen und den Hals brennen lässt und das bockige und widerborstige Fahrzeug ständig im unbarmherzigen Terrain hängenbleibt während die Insassen nicht mehr als vier Stunden pro Nacht geschenkt bekommen.

Gegen Ende der Dekade war die Camel Trophy zu einem Mega-Event avanciert. Allein in 1989 haben sich über eine Million Expeditionswillige für 28 Teilnehmerplätze beworben. In jenem Jahr, dass in dem tückischen und verregneten Amazonasgebiet stattfand und als härteste Camel Trophy überhaupt gilt, waren die erschöpften und glücklichen Sieger die britische Gebrüder Bob und Joe Ives. Die Bilder von aufgerüsteten senffarbenen Landys sorgten dafür, dass abenteuerlustige Kunden bis in die neunziger Jahre die Händler stürmten. Ich erinnere mich an zwei Poster, die Seite an Seite in meinem Schlafzimmer an der Wand hingen. Eines war der Ikone schlechthin gewidmet, einem weißen Lamborghini Countach, und das andere zeigte einen Camel Trophy Defender, der durch einen von Moskitos strotzenden Regenwald pflügte. Beide waren ein Traum. Mein Stiefvater kaufte einen Defender 110 und schickte sein Anmeldeformular für die Camel Trophy ab, obwohl er eigentlich nichts Härteres als Exmoor gemeistert hatte. Ich glaube, er hat nie eine Antwort erhalten.

Bei der Auflage im Jahr 1997, die in der kälteklirrenden Mongolei stattfand, kreiste das Geschehen nicht mehr nur um die Land Rover, denn es gab neue Aufgaben wie Kayak fahren, Orientierung im Gelände und Mountain Biking. Und obwohl der beherzte Freelander die Kritiker bei der Tiego del Fuego-Tour in 1998 überraschte, weil er dank seiner Leichtigkeit über Schnee und Eis und Schlamm glitt, statt wie die größeren und schwereren Discovery brachial durch zu grätschen, zog sich Land Rover zurück. Die Marke hatte genug damit zu tun, seinerzeit zwischen Interessenten wie Rover, BMW und Ford hin und her gereicht zu werden. Zwei Jahre später, als die Auflagen für Tabakwerbung immer strenger gefasst wurden, schlug auch die letzte Stunde der Camel Trophy. Heute herrscht eine Nachfrage nach den Fahrzeugveteranen der Camel Trophy, welche die Torturen überstanden hatten. Es gibt sogar einen Camel Trophy Owners Club. Die neuen, knapp 200.000 Pfund teuren V8 sind ohne Frage noch leistungsstärker. Aber ob sich in ihrem Blech jemals solche atemberaubenden Geschichten einschreiben lassen?

Fotos: Land Rover Heritage © 2021

Im Classic Driver Markt stehen zahlreiche klassische und moderne Land Rover zum Verkauf.