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Wegen dieses Peugeot 504 verpasste Christof Dame den Fall der Berliner Mauer

Christof Dame führt ein Doppelleben: Unter der Woche rettet er als stellvertretender Direktor der Klinik für Neonatologie an der Berliner Charité das Leben von Babys, am Wochenende wird er zum lupenreinen Petrolhead.

„Als 1989 die Berliner Mauer fiel, lebte ich in Bonn und war so mit Arbeiten an der Karosserie und am Motor beschäftigt, dass ich es nicht rechtzeitig an den Ort des Geschehens schaffte“, gesteht mir Christof Dame mit Bedauern, während wir durch den etwas langweiligen Teil des ehemals französischen Sektors von Berlin rollen, um nach passenden Locations für unser Fotoshooting zu suchen. „Alle meine Freunde waren dort und es war wahrscheinlich das bedeutendste historische Ereignis meines Lebens, deshalb macht es mich etwas traurig...aber ich war so besessen von diesem Auto, dass es einfach Vorrang hatte.“

Nun, wenn das nicht die Definition eines Petrolheads ist, dann weiß ich es auch nicht. Und soweit ich das beurteilen kann, ist Dames Leidenschaft für sein elegantes Coupé in den letzten 33 Jahren kein bisschen erkaltet. Ich kenne ihn schon seit geraumer Zeit und habe nie erlebt, dass sein 504 schmutzig war. Seine pedantische Seite, die wohl wichtig ist, wenn man es mit so kleinen und zerbrechlichen Lebewesen wie „Frühchen“ zu tun hat, lässt ihn sein Auto auf diese liebenswerte, fast zwanghafte Weise pflegen, die viele von uns Perfektionisten absolut nachvollziehen können. Die Lüftungsschlitze müssen beim Fotografieren so ausgerichtet werden, dass sie sowohl optisch als auch praktisch Sinn machen, und die Vordersitze so eingestellt werden, dass sie genau auf einer Höhe stehen. Sogar der Schlüsselanhänger ist ein kleines Peugeot 504 Coupé Diecast-Modell. Apropos Liebe zum Detail.

„Viele Teile für dieses Auto sind leider nicht mehr zu bekommen“, sagt Dame mit Bedauern. „Vielleicht wird es heutzutage dank 3D-Druck einfacher, aber zum Beispiel haben die Sicherheitsgurte diese kleinen, hübschen Halterungen an den Innenverkleidungen der B-Säule, damit man sie leichter erreichen kann. Ich musste diesen ganzen Bereich zusammenkleben, da das alte Plastik mit der Zeit einfach abbricht. Die Entlüftungsöffnungen der Heizung sind überraschenderweise kein so großes Problem, da sie bei vielen Ferrari aus dieser Zeit üblich waren, wie zum Beispiel bei den Modellen 400 und 412. Man muss nur braune finden.“ Dame erklärt diese Dinge fachkundig und erinnert mich wiederum daran, dass dieses Zweiliter-Coupé mit 106 PS von Pininfarina, deren Logo stolz die Flanken ziert, entworfen und gebaut wurde.

Die Farbe dieses Peugeot 504 – ein interessanter heller, metallischer Grünton namens vert metallique – wird perfekt ergänzt durch das exquisit weiche, cognacfarbene Velours-Interieur. Das Gesamtdesign? Ein Triumph, bei dem zurückhaltende und kantige Formen auf leicht kurvige und dekadente Eleganz an allen wichtigen Stellen treffen. Das Exterieur hat perfekte Proportionen und genau die richtige Menge an Details. Eine kleine Lufthutze auf der Motorhaube, die riesige Radmutter mit Fake-Zentralverschluss, das Peugeot-Logo auf dem Kühlergrill, und das war's auch schon. Der Innenraum mit seinen Holzeinlagen und einer großen Kienzle-Uhr in der Mitte des Armaturenbretts ist äußerst stilvoll, aber auch etwas schrullig. Mit riesigen braunen Drehschaltern aus Plastik, mit denen sich die kleinen Dreiecksfenster öffnen lassen, ganz zu schweigen von dem golfschlägerförmig gekröpften Schalthebel. Insgesamt erinnert mich das Auto an ein luxuriöses Hotelinterieur aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, mit einem Schirmhalter in der Mitte der Lobby.

Bei diesem speziellen Peugeot 504 Coupé handelt es sich um ein späteres Modell aus dem Jahr 1981 mit der Bezeichnung „Millésime“, was man an den robusteren und in der Karosseriefarbe lackierten Stoßstangen erkennen kann. Christof Dame bekam ihn 1989 während seines Studiums von einem befreundeten Rechtsanwalt aus Bonn geschenkt, der seine Leidenschaft für das Auto erkannte und kein Interesse mehr hatte, das Auto zu pflegen. Auch wenn der 504 damals gerade erst acht Jahre alt war, so sei er doch schon in einem schlechten Zustand gewesen, rostig und mit einer Mechanik, die viel Arbeit erforderte, erzählt Dame. Aber wie bei allen menschlichen Patienten, die ihm anvertraut wurden, war er der Meinung, dass auch das Auto gerettet werden musste. Also machte er sich zusammen mit einem Freund an die Arbeit, auch wenn zwischenzeitlich das Leben dazwischenkam, wie zum Beispiel die Zeit zwischen 1999 und 2003, als er für seinen Doktortitel in die USA zog.

Aber trotz Phasen der Trennung blieb der Peugeot immer Teil seines Lebens. Ein Begleiter bei Verabredungen mit seiner Frau Christina, einer Cellistin des Sibelius-Orchesters und der Sinfonietta 92, die seine Leidenschaft für Autos teilt und täglich einen wie neuwertigen Renault Clio der ersten Generation fährt. Und später, als ihre Kinder geboren wurden, avancierte das 504 Coupé zum Lieblingsauto der Familie für Ausflüge und Picknicks.

Als sich abzeichnete, dass Dames Reparationskünste allein nicht reichen würden, den Peugeot weiter am Laufen zu halten, wurde der komfortable, weich gefederte Peugeot zwischen 2017 und 2019 einer kompletten „Nut-and-Bolt“-Restaurierung unterzogen. Immer wieder erweist er sich heute mit seinem lang übersetzten Fünfganggetriebe und den bequemen Sitzen als idealer Partner für Kurz- und Langstreckenfahrten. „Viele ältere Autos riechen nach Benzin, vibrieren und sind einfach anstrengend zu fahren. Dieser Wagen ist das Gegenteil. Wenn er richtig eingestellt ist, lässt er sich leicht und angenehm fahren und ist auch nicht so langsam, wie es die PS-Zahl vermuten ließe“, weiß Dame.

Nachdem ich schon einige Male im 504 Coupé mitgefahren bin, kann ich Letzteres nur bestätigen. Der Peugeot ist ein regelmäßiger Gast bei verschiedenen Sprints und Ausfahrten des Flitzer-Clubs, einschließlich der jährlichen Flitzerland-Eskapade, bei der er bereits zweimal die Alpen erobert hat, ohne jemals einen Moment zu verpassen. Dabei konnte er mit viel schnelleren Autos mithalten, deren Hubraum mit dem Kofferraumvolumen des Peugeot (groß genug, um Christinas Cello, wenngleich auch schräg, zu schlucken) konkurrierte. „Der Schlüssel ist, den Schwung beizubehalten“, erklärt Dame. „Das Auto ist nicht stark, aber es hat eine ausgezeichnete Straßenlage, auch wenn es in Kurven eine ziemliche Rollneigung aufbaut. Aber so wurden sie damals gebaut, als es noch keine einstellbare Federung gab. Und als man mit einem einzigen Set-up unterschiedlichste Anforderungen erfüllen musste. Die Bremsen sind ebenfalls hervorragend, also greift man einfach das Nardi-Lenkrad, das ich eingebaut habe, um dem Auto einen sportlicheren Look zu verpassen, und fährt los.“

Ist das also der perfekte Klassiker? Sicher einer, den man jeden Tag benutzen kann, wenn man will, so wie es Christof Dame seit vielen Jahren praktiziert. Aber es ist auch ein Modell, das bei gelegentlichem Gebrauch viel Fahrvergnügen bereiten kann. Außerdem ist der 504 innen und außen mehr als hübsch anzusehen. In der Einfahrt eines Herrenhauses geparkt, kann er in punkto Aufmerksamkeit mit den elegantesten Autos der Welt konkurrieren. Äußerst komfortabel, praktisch und schnell genug, um auch auf anspruchsvollen Strecken genossen werden zu können, braucht er nur die Aufmerksamkeit eines Perfektionisten, um das Beste aus sich herausholen zu können. Auch wenn der Vierzylinder-Motor etwas uninspiriert ist, zumindest was den Sound angeht. Was in diesem Fall am meisten zählt, ist, dass dieses Auto perfekt für Professor Dame ist – und schon immer war. Genau deshalb ist er ihm über all die Jahre treu geblieben. Und hat es zu einem echten Familienmitglied gemacht.

Photos: Błażej Żuławski for Classic Driver © 2022

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