Man könnte argumentieren, dass die kultigsten Sportwagen des 20. Jahrhunderts für die Rennstrecke entwickelt wurden – doch die coolsten Autos wurden sicherlich am und für den Strand geboren. Während die Jollys von Fiat mit ihren gestreiften Dächern und Korbsitzen in den 1950er-Jahren in der Hautevolée von Portofino bis Nizza der letzte Schrei waren, wurden die eleganten Spiaggina-Shuttles in den 1960er- und frühen 1970er-Jahren durch bescheidenere und robustere Mobile abgelöst. Die Louis de Funès-Filme hatten den minimalistischen Citroën Méhari als „It-Car“ für die Patrouillenfahrten an den (Nackt-) Stränden der Côte d'Azur etabliert, während Steve McQueen und Faye Dunaway den in Kalifornien gezüchteten Meyers Manx Buggy in „Die Thomas Crown Affäre“ zu Weltruhm durch die Dünen jagten. Natürlich waren die Italiener nicht begeistert – und heckten einen Plan aus, um ihren sandigen Thron zurückzuerobern.
Auf dem Genfer Salon von 1973 enthüllte Pininfarina den Autobianchi A112 Giovani, ein leichtes und vielseitig einsetzbares Konzeptfahrzeug, das den Trend zum Dune-Buggy aufgriff und als Versuchsballon für eine neue Fiat-Modellreihe dienen sollte. Giovani bedeutet „jung“ auf Italienisch – und wie der Name schon andeutete, sollte die beige-orangefarbene Studie eine Generation von hedonistischen und lebenslustigen Jugendlichen ansprechen. Geboren in der Blütezeit des italienischen Wirtschaftsbooms der Nachkriegszeit.
Wie Pininfarina in seiner Genfer Pressemitteilung hervorhob, sei der Begriff „Sportwagen“ zuletzt zum Synonym für sehr schnelle und sehr teure Autos geworden, während die Verbindung zu körperlicher Aktivität und einer spartanischen Lebensweise vernachlässigt worden sei. Der neue Prototyp sollte daher ein „Sportwagen“ im wahrsten Sinne des Wortes sein.
Während das Fahrgestell und die Bodengruppe vom populären und erstmals 1969 eingeführten Autobianchi A112 von Fiat stammten, folgte die von Diego Ottina bei Pininfarina entworfene Designsprache den neuesten, kantigen und geometrischen Styling-Trends der 1970er-Jahre. Die Karosserie bestand aus Verbundkunststoff und zeichnete sich durch eine hohe Gürtellinie, kastenförmige Radkästen, voll integrierte und dunkel abgesetzte Stoßfänger und einen in die B-Säule integrierten Überrollbügel aus. Das markanteste Detail war sicherlich der Kühlergrill in Form des Autobianchi-Logos, versetzt zur Mitte in die Front des Wagens eingefügt. Das gleiche Motiv tauchte auch in den B-Säulen auf.
In seiner Pressemitteilung erläuterte Pininfarina die wichtigsten Designprinzipien wie folgt: „Mit seiner rechteckigen Basis, dem quadratischen Querschnitt und den linearen Profilen erweckt der A 112 den Eindruck von zwei übereinanderliegenden Schalen, wobei die untere Schale breiter ist als die obere. Dieser Querschnittsunterschied bildet eine Stufe, die sich mit Ausnahme der Bugpartie über den gesamten Umfang des Fahrzeugs erstreckt. Diese ästhetische Lösung ermöglichte es, eine Sicherheitsstruktur um den Fahrgastraum herum zu schaffen, um den Piloten und die Passagiere zu schützen.“
Um das Design des 3,32 Meter langen Modells so einfach wie möglich zu halten, konnte das Hardtop von Hand abgenommen werden. Um die Kosten niedrig zu halten, ließ sich die Kofferraumklappe nur vom Wageninneren aus entriegeln, außen fehlte ein entsprechender Griff. Während das Dreispeichen-Lenkrad und die fünf Analoganzeigen im aus Kunststoff gefertigten Instrumententräger vom A112 übernommen wurden, nahmen die beiden Insassen des Giovani auf Sitzen Platz, die in ihrer Kombination aus einem Stahlrahmen und halbweichen Kunststoff auf Yachten zu finden waren. In einem ebenso wie die Türtafeln in einem maximal hellen Orangeton gehalten, ließen sie sich angeblich leicht von Sonnencreme und Sand reinigen.
Wie viele Konzeptfahrzeuge jener Zeit war auch Pininfarinas Dünenbuggy voll funktionsfähig und fast serienreif. Der wassergekühlte 982-ccm-Vierzylindermotor des Autobianchi A112 Abarth war quer über der Vorderachse montiert, seine 58 PS wurden über ein Vierganggetriebe auf die Vorderräder übertragen. Die Leistung mag nach heutigen Maßstäben bescheiden anmuten, aber die maximal 73 Nm Drehmoment reichten aus, um das 660 Kilogramm schwere Unikat auf eine passable Geschwindigkeit zu bringen.
Beim Anblick des zweisitzigen Dünenbuggys kann man sich lebhaft vorstellen, wie die jungen und stylischen Mode- oder Werbeprofis aus dem Mailand der 1970er-Jahre mit dicken Sonnenbrillen und wehenden Haaren ins Wochenende Richtung Mittelmeer oder Alpen starteten. Doch aus uns unbekannten Gründen erhielt der Autobianchi A112 Giovani nie grünes Licht von Fiat, womit Pininfarinas Träume von einer italienischen Strandwagen-Renaissance endgültig zerplatzten.
Heute befindet sich der einzige Autobianchi A112 Giovani in Corrado Loprestos Weltklasse-Sammlung italienischer Klassiker und Prototypen in Mailand. An diesem Wochenende wird der Dünenbuggy einer der Stars bei The ICE sein. Wenn er über den zugefrorenen See driftet, bringt er italienischen Glamour in den Jetset von St. Moritz – genau wie es seine Erbauer vor einem halben Jahrhundert beabsichtigt hatten.
Für Corrado Lopresto war es die perfekte Kombination: „Erst vor einem Monat, bei der Eröffnung einer Ausstellung meiner Autos im ADI Design Museum in Mailand, sprach ich mit Lorenzo Ramaciotti über das Pininfarina-Design. Und er erzählte mir, dass der von Diego Ottina für den Genfer Salon von 1973 entworfene „Giovani“ für ihn das erste Projekt gewesen sei, an dem er seit seinem Einstieg bei Pininfarina mitgearbeitet hatte. Ich hatte gerade die Einladung erhalten, ein Auto zum The Ice zu bringen, und dieses Gespräch mit Ramaciotti war der Auslöser für die endgültige Wahl dieses unkonventionellen Konzeptfahrzeugs für eine so unkonventionelle Veranstaltung. Der Wagen ist zwar für den Strand gedacht, aber mit seiner leuchtenden Farbe passt er auch perfekt in den Schnee!"
Dank unserer Freunde von der Lopresto Collection konnten wir noch vor dem Start der offiziellen Veranstaltung ein kleines Rendezvous mit dem einmaligen Buggy arrangieren. Und obwohl wir an diesem Wochenende einige der weltbesten Sport- und Rennwagen auf dem Eis sehen werden, kann man davon ausgehen, dass keiner von ihnen mit dem puristischen, Vintage-Vibe von Pininfarinas 1970er-Jahre-Strandkreuzer – der es nie in die Serie schaffte – mithalten wird.
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2024