Vor genau 70 Jahren sorgte Citroën auf dem Pariser Automobilsalon für Furore und präsentierte ein Auto mit besonderer Klasse, einzigartigem Stil und überragendem Komfort: eine regelrechte Revolution! Die Citroën DS zeigte der Welt 1955 eine neue Sichtweise auf das Automobil, und wir sind uns nicht sicher, ob es seither einen interessanteren Wagen gegeben hat. Die DS wurde auf Initiative von Pierre Boulanger gebaut, um den mittlerweile ikonischen Traction Avant (11CV/ 15 CV "Gangsterlimousine") zu ersetzen. Boulangers frühe Pläne wurden jedoch erst 17 Jahre später mit der DS in die Tat umgesetzt, bei der einige der größten französischen Design- und Ingenieurstalente zusammenkamen, um ein bahnbrechendes Gefährt zu schaffen. Der Luftfahrtingenieur André Lefèbvre wollte mit der DS die Grenzen der aerodynamischen Effizienz, der optischen Leichtigkeit und der Gewichtsreduzierung verschieben, während Paul Magès der Erfinder der berühmten hydropneumatischen Federung war, aber auch der hydraulischen Unterstützung für Lenkung, Kupplung und Bremsen der DS. Der Italiener Flaminio Bertoni schließlich, ein begabter Stylist, Bildhauer und Maler, verlieh der DS mit seinem Designerteam ihre ebenso revolutionären wie eleganten Linien. Obwohl es viele Varianten der DS gibt, ist es die Ausführung "Le Caddy", die an diesem Wochenende auf dem Gelände der Villa d'Este zu sehen sein wird und damit echtes, französisches Flair in die wunderschöne Kulisse des Comer Sees in Norditalien bringt.
Wie viele andere war auch Henri Chapron von der Ankunft der neuen Citroën DS fasziniert. Er meinte, dass diese Déesse die gleiche Behandlung vertragen könnte wie andere der elegantesten Autos der Welt. Sein Atelier in Paris war immerhin für den Karosseriebau der exklusiven Marken Talbot, Delage und Delahaye verantwortlich. Seine erste Cabriolet-Variante der DS präsentierte er auf dem Pariser Automobilsalon 1958 als Citroën DS "Le Croisette", nur drei Jahre nach der Markteinführung. Sie wurde begeistert aufgenommen, und die Verantwortlichen bei Citroën fragten sich, warum sie nicht selbst darauf gekommen waren. Prompt schlossen sie einen Vertrag mit Chapron ab, lieferten die Fahrgestelle und ermöglichten so die Herstellung der DS als Werks-Cabriolet, auch bekannt als Le Décapotable. Zwischen 1960 und 1971 wurden dann über 1.300 Exemplare hergestellt.
Während Henri Chapron und Citroën ihre Erfolge mit der offenen DS feierten, suchte Chapron, der von besonderem Fahrzeugdesign besessen war, stets nach Möglichkeiten, seinen Karosseriebau zu optimieren und auf ein höheres Niveau zu bringen. Die DS wurde mehr als nur eine seiner herausragenden Gestaltungen, sie war seine Besessenheit. So sehr, dass Chapron, als sein Atelier mit der Neugestaltung von Le Croisette begann, gezwungen war, komplette Autos zu kaufen, bevor er sie zu seinen maßgeschneiderten Kreationen umbauen konnte. Die Kosten wurden jedoch durch Chaprons Liebe zum Detail und sein Gespür für Design aufgewogen, so dass er ein handgefertigtes Cabriolet mit maßgeschneiderter Karosserie schuf, das Dekadenz und handwerkliches Können ausstrahlte. Mit seiner fast völlig flachen Karosserie, aus der nur die Windschutzscheibe steil herausragt, übertrifft die Aerodynamik des Le Caddy die kühnsten Träume von André Lefèbvre und gleitet wie ein Pfeil durch die Luft. Trotz seiner nahezu perfekt flachen Heckklappe entwickelte Chapron ein versenkbares Verdeck, das sich bedarfsweise über dem großzügiggen Innenraum mit dem charakteristischen Einspeichenlenkrad schließt. Im Neuzustand kostete der Le Caddy fast doppelt so viel wie die luxuriöseste Werksvariante der Citroën DS als "Pallas". Sie blieb daher mit nur 34 zwischen 1959 und 1968 gebauten Exemplaren sehr exklusiv.
Heute ähneln diese Cabrios, die von einem der größten und oft als "Car Couturier" bezeichneten Karosseriebauer Frankreichs umfassend modifiziert wurden, eher einem Kunstwerk als einem fahrbaren Untersatz mit komfortablem Platz für bis zu vier Personen. Chaprons akribischer Blick für Details und sein unermüdlicher Drang, selbst erfogreiche Entwürfe noch zu verbessern, tragen zur Aura des Le Caddy bei. So stellt er die ultimative Hommage an die glorreichen Anfangsjahre des individuellen Karosseriebaus dar.
Wenn Sie an diesem Wochenende zum Concorso d'Eleganza Villa d'Este fahren, sollten Sie unbedingt einen ausgiebigen Blick auf dieses traumhafte Cabrio werfen. Im Rahmen des Concours wird es sich einer Jury stellen, die neben dem historischen Einfluss auch sein Design und die kulturelle Bedeutung bewerten wird.
Fotos von Remi Dargegen fur Classic Driver 2025