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Vorhang auf für den Prototyp eines Aston Martin MGB, der nie realisiert wurde

Als MG 1980 vor dem Aus stand, überlegte Aston Martin, die traditionsreiche britische Marke zu kaufen. Ingenieur Keith Martin und Designer William Towns sollten einen Prototyp für einen luxuriöser ausgerichteten Aston Martin MGB entwickeln. Nun wird dieses Kuriosum im Classic Driver Markt angeboten.

Würden wir eine repräsentative Auswahl an Classic Driver-Lesern heranziehen, um sie zu bitten, einen MGB zu identifizieren, würden wir nichts weniger als eine Erfolgsquote von 100 Prozent erwarten – denn die Form des erfolgreichsten britischen Sportwagens erkennen wir alle auf Anhieb, nicht wahr! Warum sieht aber dann dieses Exemplar, das bei Hallier Classic Cars in Ahrensburg steht, nicht so sonderlich vertraut aus? Die Antwort lautet, dass es sich hier um einen in 1980 hastig gebauten One-off handelt, der vermitteln sollte wie ein „B“ zukünftig aussehen könnte. Dies zu einem Zeitpunkt, als MG und Besitzer British Leyland durch die folgenreiche Situation beim Wechselkurs zwischen Pfund Sterling und US-Dollar unmittelbar vom Aussterben bedroht waren. 

Als sich die Nachricht vom drohenden Ende der historischen Marke verbreitete, sprangen der Vorstand von Aston Martin Lagonda und ein Konsortium von Investoren ein und boten an, das Unternehmen mit allem Drum und Dran zu kaufen. Dazu gehörten die Produktionsrechte, das berühmte Werk Abingdon und den Markennamen M.G. zu einem großzügigen Gesamtpreis von 30 Millionen Pfund. Das entspricht bei den nicht immer verlässlichen Inflationsberechnungen dennoch einer beachtlichen Summe von heute 120 Millionen Pfund. Aber das Motiv für dieses großzügige Angebot war die Überlegung, dass Aston sich wirtschaftlich durch die Herstellung eines „Einstiegs“-Modells auf der Basis des optimierten „B“ im dafür bereits ausgerüsteten Werk Abingdon stärken könnte.

Also erwarb Aston Martin Lagonda im Mai 1980 einen neuen Roadster – den British Leyland bereits als DOL 341V registrieren ließ -, um zu zeigen, dass ein luxuriöserer „Aston Martin MGB“ durchaus ein Erfolgsgarant sein könnte. Das Auto in dem für die Zeit typischen Ton „Russet Brown“ wurde zu Astons Zentrale „Sunnyside“ in Newport Pagnell gebracht. Dort wurde es gemäß den Spezifikationen einer Zeichnung, für die der damals noch selbständige Designer William Towns den Auftrag erhalten hatte, modifiziert. Towns war die kreative Feder, der man den AM V8, den Lagonda und den Bulldog als One-off -Hypercar zu verdanken hat.

Am 19. Juni wurde dieses Projekt zu Astons „Special Projects Department“ gerollt – mit der Vorgabe, in nur sieben Tagen bereit zu sein, wieder an den Ausgangspunkt zurückgerollt zu werden. Zum leitenden Ingenieur des Projekts wurde Keith Martin ernannt, der bereits intensiv an der Fertigstellung des über 320 Stundenkilometer schnellen Bulldog arbeitete. Schauplatz seiner Bemühungen war der Bereich „Special Projects“, der sich im hinteren Teil der Service-Abteilung befand, komplett mit Ständerwandbüros, Druckluftleitungen, Stromanschlüssen, Schweißeinrichtungen und einem Zeichenbüro. Weil wir wussten, wie eng der heute 72-jährige Martin mit dieser Vision verbunden war, wollten wir von ihm mehr über die Erschaffung des Aston Martin MGB wissen. Als akribisch organisierter Topingenieur griff er ziemlich rasch und zielsicher nach dem Notizbuch, das er benutzt hatte, als er vor fast 42 Jahren an diesem Auto arbeitete.

„Der Aston Martin-Vorstand war entsetzt, dass MG vielleicht nicht mehr existieren würde, das war einer der Gründe, weshalb sie die Marke kaufen wollten, aber aus dem Deal wurde nichts, weil Leyland nur bereit war, die Fabrik aufzugeben, nicht aber die Marke selbst. Zwischenzeitlich beauftragten sie Towns etwas anzufertigen, das letztlich aus einer Reihe von schnell hingeworfenen Skizzen bestand, die seine Vorstellungen eines optimierten B zeigen sollten – und die waren unsere Arbeitsgrundlage.

„Unser Team bestand aus vier Blecheverarbeiter, einem Trimmer, zwei Monteuren und mir. Ich sehe aus meinen Notizen, dass wir die Motorhaube, den vorderen Stoßfänger und Kühlergrill verändern sollten, die Umfassung des Kfz-Kennzeichens sollte neu gestaltete werden, die höhere Frontscheibe des B GT sollte eingepasst, die A-Säulen, Seitenfenster und vorderen Kotflügel entsprechend modifiziert werden. Der Tankverschluss sollte vom Heck zur Seite platziert und unter einer Klappe verborgen werden, dazu noch ein Astrali-Lenkrad. Towns wollte auch seitliche Gummischutzstreifen und 14-Zoll-Räder von Wolfrace. Ursprünglich schwebten ihm auch Recaro-Sitze vor, aber er den dafür benötigten Raum nicht ausgemessen und sie passten nicht rein, also haben wir auch die Sitze von Wolfrace eingebaut.“

Martin erinnert sich auch, dass er mehrfach zu Pressed Steel Fisher in Cowley gefahren ist, um Teile abzuholen und reichlich Überstunden „geschoben“ hat, um das Auto termingerecht fertigzustellen. Das gelang dem Team am 25. Juni – fast einen ganzen Tag vor der Deadline. Einer der ersten, der den Prototyp in seiner prachtvollen neuen Lackierung in „Metallic Oyster“ zu sehen bekam, war ein gewisser Mr. Adams von dem örtlichen MG-Händler Henleys. Er war gebeten worden einen serienmäßigen „B“ nach Newport Pagnell mitzubringen, um ihn mit der Aston Martin-Version zu vergleichen und um seine fachliche Meinung über das Marktpotenzial des MG im Aston Martin-Look abzugeben. „Er schien ihm zu gefallen, stand aber den vorderen Stoßdämpfern genauso kritisch gegenüber wie der Form der Motorhaube und den Sitzen“, erinnert sich Martin.

Letztlich war das Urteil von Mr. Adams nicht mehr relevant, denn die Gespräche zwischen Aston Martin und British Leyland  scheiteten und das bedeutete, das DOL 341V „über den Bedarf hinausging“ und, wie sich Martin weiter erinnert, das Auto im Juli 1984 an den Privatkäufer Ian May ging. Vier Monate nach dem Abschluss des Projekts schloss auch das MG-Werk Abingdon seine Tore, Tausende von Arbeitsplätzen gingen verloren und die Produktion des „B“ in allen seinen Erscheinungsformen erreichte nach einer imposanten Laufzeit von 17 Jahren ebenfalls ihr Ende.

Damit wird dieser One-off, der zugleich der letzte seiner Baureihe ist und wenig mehr al 13.000 Kilometer auf der Uhr hat zu einem begehrenswerten Zeitzeugen britischer Automobilgeschichte. Wer ihn erwirbt, kann sich darauf freuen, selbst ernannte MG-Experten wie bei einem Fehlersuchbild zu überraschen.

Fotos: Roman Rätzke für Classic Driver © 2022

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