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War dieser Sunbeam der eindrucksvollste britische Rennwagen der 1920er-Jahre?

Dieser Sunbeam Grand Prix-Rennwagen von 1924 zählte zu den schnellsten Rennwagen seiner Zeit. Er ist der einzige britische Vorkriegsrennwagen, der im europäischen Motorsport der Konkurrenz auf höchstem Niveau Paroli bieten konnte. Jetzt könnte dieser nationale Schatz Ihnen gehören!

Das unermüdliche Streben der Menschheit nach technologischem Fortschritt hat unzählige bahnbrechende Erfindungen hervorgebracht. In jüngerer Vergangenheit lässt sich das am deutlichsten an der Entwicklung von Smartphones, Virtual-Reality-Headsets und künstlicher Intelligenz ablesen. Doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts trieb das Automobil – oder die pferdelose Kutsche – die klügsten Köpfe der Menschheit am stärksten um. Ein Unternehmen, das diesen Innovationswirbel mit antrieb, war die 1905 von John Marston als Ableger seiner Firma zum Bau von Fahrrädern gegründeten Sunbeam Motor Car Company. Obwohl Sunbeam nur 29 Jahre lang (bis 1934) existierte, waren die Fortschritte in diesen knapp drei Jahrzehnten immens und gipfelten in dem wohl beeindruckendsten britischen Vorkriegsrennwagen überhaupt: dem Sunbeam Werks-Grand-Rennwagen von 1924.

Sunbeams frühe Jahre

Bevor wir uns dem erfolgreichem Grand-Prix-Veteranen und Hauptdarsteller unserer heutigen Geschichte widmen, sei zur Einordnung Sunbeams Anfänge auf vier Rädern skizziert. Im November 1902, etwas mehr als zwei Jahre vor der offiziellen Gründung des Unternehmens im Januar 1905, wurde auf der Londoner Stanley Cycle Show ein noch vergleichsweise primitives Automobil vorgestellt. Angetrieben von einem Vierzylindermotor und auf vier gleich großen und mit Luftreifen bezogenen Artillerierädern stehend, konnte man für 525 Pfund ein Modell kaufen, das – und setzen Sie sich kurz hin ! – gewaltige 12 PS leistete! Zwei Jahre später schaffte Sunbeam das Undenkbare und toppte dieses Erstlingswerk mit einem 16 PS starken Sechszylinder-Automobil. Der Fortschritt schritt also zweifellos voran, doch erst die Einstellung des in der Bretagne geborenen und seit 1900 in England unter anderem für Humber tätigen Konstrukteurs Louis Coatelen (1879-1962) im Jahr 1909 brachte die Modelle der Marke Sunbeam und deren Motoren auf Hochtouren.

Coatelen restrukturierte umgehend die Produktion, sodass nun fast alle Teile bei Sunbeam in Wolverhampton selbst gefertigt wurden und damit die genaue Einhaltung der Produktionstoleranzen und Qualitätsstandards gesichert war. Coatelen, selbst in frühen Jahren Rennfahrer, vertrat das Credo „Rennen machen die Rasse besser.“ So dauerte es nicht lange, bis Sunbeam mit einem eigenen Grand-Prix-Rennwagen in den Motorsport einstieg.

1910 debütierte zunächst der Sunbeam Nautilus, ein speziell für Geschwindigkeitsrekorde konzipiertes Modell. Es zeichnete sich durch eine Reihe von „stromlinienförmigen“-Optimierungen aus, die dem genaueren Verständnis der Aerodynamik vorausgingen. Leider hatte der Nautilus mit Motorproblemen zu kämpfen, doch der Sunbeam „Toodles“ II behob diese dank eines verbesserten Ventiltriebs. Damit sicherte sich Sunbeam 1911 in Brooklands 22 erste Preise – gekrönt durch eine fliegende Meile mit einem Schnitt von 138,8 km/h. Der Erste Weltkrieg setzte den Motorsportaktivitäten jedoch vorübergehend ein Ende, da die Marke sich auf die Produktion von Flugzeugmotoren konzentrierte – was Coatelen die Möglichkeit gab, nebenbei seine technischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln.

Tod und Wiedergeburt

1918 markierte ein dunkles Jahr in der Geschichte von Sunbeam – zwei unerwartete Todesfälle erschütterten das Unternehmen in seinen Grundfesten. Marstons dritter Sohn Roland hätte den Vorsitz von Sunbeam übernehmen sollen, verstarb jedoch tragischerweise im März desselben Jahres. Am Morgen nach Rolands Beerdigung folgte ihm sein Vater im Alter von 82 Jahren. Zwei Jahre später, im Juni 1920, übernahm Darracq Sunbeam, ein Jahr später folgte die Übernahme von Clément-Talbot. Trotz des gemeinsamen Eigentümers operierten Sunbeam, Darracq und Talbot weiterhin als eigenständige Unternehmen.

Nach dem turbulenten Ende der 1910er-Jahre erreichte Sunbeam in den 1920er-Jahren seine Blütezeit und beschäftigte über 3.500 Mitarbeiter in Fabrikhallen, die sich über eine Fläche von sechs Hektar erstreckten. Während des kometenhaften Aufstiegs der Marke blieb Coatelen der Produktion immer schnellerer Modelle treu und warb 1923, nach der Einführung der Zweiliter-Grand-Prix-Formel, zwei Top-Ingenieure aus der Fiat-Rennabteilung ab: Vincenzo Bertarione und Walter Becchia.

Erster Einsatz in Lyon

Für Einsätze in der Saison 1924 entstanden drei von einem brandneuen Motor angetriebene Rennwagen. Unter der Haube steckte ein Zweiliter-Sechszylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen, einem Roots-Kompressor und Trockensumpfschmierung. Die Leistung betrug 180 PS, während Servobremsen an allen vier Rädern halfen, die Konkurrenz besonders gut auszubremsen. Zusammen mit einem tiefergelegten Chassis erreichten Sunbeams 1924er-Renner eine damals schwindelerregende Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Das hier gezeigte Fahrzeug, DA8667, war das dritte des Trios, das fertiggestellt wurde, und erhielt den Spitznamen „The Cub“.

Während der Name Sunbeam heute fast vergessen ist, waren diese Rennwagen damals leistungsstärker, effizienter und innovativer als die Konkurrenz von Bugatti, Alfa Romeo oder ERA. Um das volle Potenzial dieser britischen Grand-Prix-Rennwagen auszuschöpfen, brauchte es jedoch auch talentierte Fahrer. Und so saßen am Steuer einige der berühmtesten Rennfahrer der Ära, wie Kenelm Lee Guiness, Henry Segrave, Graf Giulio Masetti, Graf Carlo Alberto Conelli, Dario Resta oder Kaye Don.

Am 3. August 1924 kam dieses Trio hochmoderner Sunbeam erstmals beim Großen Preis von Europa zum Einsatz, ausgetragen auf dem von im Vergleich zum Rennen von 1914 von 37,631 auf 23,145 Kilometer verkürzten Kurs von Lyon-Givors. Während das Schwesterauto von DA8667 mit Segrave auf Platz fünf einlief und in der 29. von 35 Runden mit 11.19 Minuten (Schnitt 122,7 km/h) auch die schnellste Rennrunde fuhr, musste DA8667 mit Guinness am Steuer in Runde 21 auf Platz zwei liegend aufgeben. Es sollte ein schwieriges Jahr für Guinness werden, der bei einem schweren Unfall beim GP von San Sebastian, bei dem sein Mechaniker ums Leben kam, schwere Verletzungen erlitt. Sie zwangen ihn zum Ende seiner Karriere, während Segrave, der 1923 bereits den GP von Frankreich in Tours auf einem Sunbeam gewonnen hatte – im Schwesterauto DA8420 den Sieg gegen die Konkurrenz von Bugatti und Delage davontrug. 

1925 feierte Segrave, nun am Steuer des DA8667, weitere Erfolge. Im März fuhr er die schnellste Zeit beim Essex MC Kop Bergrennen; ein Kunststück, das er im Mai in Shelsley Walsh wiederholte. Im August war Graf Masetti an der Reihe, der mit DA8667 einen weiteren Sieg beim 4. Klausenpass-Bergrennen in der Schweiz errang. Seine Glanzzeit erreichte DA8667 jedoch in Brooklands, wo seine Piloten zwischen 1927 und 1930 bei zahlreichen Veranstaltungen auf dem Podium standen. Ein gewisser H. W. Purdy übernahm den Wagen im Jahr 1930 und fuhr weiterhin erfolgreich in Brooklands Rennen, bis er seinen blitzblanken Sunbeam noch im selben Jahrzehnt an Sir Kenneth Peacock verkaufte. 1940 wechselte DA8667 erneut den Besitzer, diesmal ging er an A. S. Heal, der seine historisch wertvolle Erwerbung bis 1955 in Ehren hielt, ehe sie von der Rootes Group Collection erworben und fast 65 Jahre lang im National Motor Museum im südenglischen Beaulieu ausgestellt wurde.

2019 wurde der DA8667 von einer Privatsammlung erworben, bevor er bei einem VIP-Event während der Journées d'Automne 2024 neu vorgestellt wurde. Unglaublicherweise besitzt er noch immer sein Originalchassis, seine Karosserie und seinen Motor. Als einziger britischer Vorkriegsrennwagen, der mit der Konkurrenz im europäischen Motorsport auf identischem Niveau konkurrieren konnte, genießt der DA8667 nichts weniger als den Status eines nationalen Kulturguts. Jetzt haben Sie die einmalige Chance, diesen legendären Rennwagen Ihrer Sammlung hinzuzufügen.

Fotos von Mathieu Bonnevie und Alexis Ruben, zeitgenössische Bilder mit freundlicher Genehmigung der Bibliothèque nationale de France

 

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