188. So viele 8C hat Alfa Romeo in einer dreijährigen Zeitspanne ab 1931 produziert. Alle 188 Exemplare waren für Renneinsätze bestimmt, beflügelt durch die Renn- und Markterfolge des Schwestermodells 6C. Die Verantwortlichen bei Alfa Romeo beschlossen die Entwicklung eines neuen und per Kompressor aufgeladenen Reihen-Achtzylinders zum Antrieb von noch luxuriöseren Hochleistungsautos, welche die technische Exzellenz der Marke herausstellen sollte. So entstand der 8C.
Während viele 8C damals auf Rennstrecken in aller Welt um Siege kämpften, fielen einige aus dem Raster und dienten den Reichen und Schönen als ultimatives Aushängeschild für Stil und Straßenpräsenz. Dieses Exemplar, das nur zwei Tage vor dem diesjährigen Concorso d'Eleganza Villa d'Este am 22. Mai in Mailand bei RM Sotheby’s versteigert wird, fällt genau in diese Kategorie: ein wunderschönes automobiles Schmuckstück, das fast sofort nach seiner handgefertigten Fertigstellung im Jahr 1932 nicht auf die Rennstrecke, sondern auf den Rasen der Concours rollte. Stellen Sie sich vor, Sie geben am Donnerstag das höchste Gebot für diesen atemberaubenden Alfa Romeo 8C 2300 Lungo ab, fahren ihn am Freitag zur Villa d'Este, parken ihn in der Einfahrt, genießen einen Café auf der Terrasse – und stehlen so nebenbei allen anderen Teilnehmern, die sich zum Concours aufreihen, die Show.
Nach Jahren voller Gerüchte und Spekulationen wurden kürzlich vom Archivio Targhe Unterlagen mit wichtigen Informationen über die maßgeschneiderte Karosserie und die frühe Herkunft des Wagens entdeckt. So konnten Historiker nun noch tiefer in dieses faszinierende Stück Automobilgeschichte eintauchen. Dieser 8C mit „langem“ Fahrgestell erhielt bei Pinin Farina eine neue und maßgeschneiderte Karosserie als zweisitziges Cabriolet und wurde am 23. November 1932 in Turin auf Seine Königliche Hoheit Prinz Filiberto von Savoyen-Genua, Herzog von Pistoia und Genua (1895-1990), zugelassen. Im April 1933 wollte der Herzog seine Neuerwerbung mit Kennzeichen TO-28241 unbedingt vorführen und stellte den 8C beim Concours d’Élegance in Monte Carlo aus. Wo er im Wettbewerb um den Grand Prix knapp dem 8C von Baronin Maud von Thyssen unterlag.
Während Motorsportikonen wie Tazio Nuvolari in den frühen 1930er-Jahren Alfa Romeo bei Grand-Prix-Rennen sowie bei der Mille Miglia und der Targa Florio viel Ruhm und Ehre einbrachten, wurde diese Schönheit mit Chassisnummer 2211075 vom Herzog ausgiebig genossen, bevor er sie am 30. August 1937 an den Turiner Rennfahrer Vittorio Belmondo (1912-1962) verkaufte. Von da an erhielt das Auto ein völlig neues Aussehen. Belmondo soll einige optische «Verbesserungen» bestellt haben, darunter einen neuen Kühlergrill im „Wasserfall“-Stil sowie neu profilierte Kotflügel und mehrere Zierteile. Ungewöhnlich nach heutigen Maßstäben, aber durchaus üblich in der damaligen Zeit, wurde der 8C von ihm auch nicht als Gebraucht-, sondern als Neuwagen angemeldet und erhielt daher das Genueser Nummernschild „GE-24759“. Stilistisch lehnten sich die Karosserieänderungen stark an 8C-Aufträge der beiden im Schweizer Kanton Bern ansässigen Karosseriebauer Graber und Worblaufen an.
Vor dem zweiten Weltkrieg gab es noch einen weiteren und letzten italienischen Besitzer, ehe das Auto 1949 in der Schweiz auftauchte – zugelassen auf den französischen Diplomaten Jean-Louis Pierre Leinss. 1956 kaufte es dann der damals 21-jährige Brite Brian Eckersley, der den Alfa als „PXY 63“ zuließ, ihn sofort für seine Hochzeitsreise nutzte und bis zu seinem Ableben im Jahr 1999 behielt. Während der 43 Jahre in seinem Besitz veredelter er die Karosserie lediglich mit zusätzlichem Chromschmuck, ließ aber ansonsten die von Belmondo in Auftrag gegebenen Vorkriegs-Update unangetastet.
1999 gelangte der 8C schließlich in die Garage seines aktuellen Besitzers, der ihn umgehend für eine umfassende Restaurierung nach Italien schickte. Mit dem Ziel, Siege zu erringen. Allerdings nicht auf einer Rennstrecke wie so viele andere 8C, sondern wie schon vor dem Krieg bei den weltweit edelsten Concours für Vorkriegs-Modelle. Zwischen 2000 und 2005 widmeten die unmittelbar neben der Ferrari-Teststrecke Fiorano beheimaten Restaurierungsexperten von Cremonini Classics dem Alfa ihre ganze Aufmerksamkeit, Zeit und Expertise. Besonderes Augenmerk galt den Originalteilen, die so weit wie möglich erhalten oder wieder aufgebaut werden sollten – ein Schlüsselaspekt, den Jurys von Concours-Veranstaltungen hohen Stellenwert einräumen. Natürlich waren einige Komponenten, da sie fast ein Jahrhundert alt waren, nicht mehr zu retten, wurden aber entsprechend nachgebaut oder durch zeitgemäß korrekte Originale ersetzt.
Der unter der langgestreckten Motorhaube installierte Achtzylinder-Kompressor-Reihenmotor des 8C wurde komplett neu aufgebaut. Markenspezialisten Gianni Torelli setzte den originalen Zylinderkopf instand, und ein Ersatzsatz passender Zahnräder wurde beschafft und in das Getriebe eingebaut. Nachdem der Wagen viele Jahre lang in verschiedenen Farbtönen lackiert worden war, um dem Geschmack der diversen Vorbesitzer zu entsprechen, entdeckte das Restaurierungsteam graue Lacksplitter und blaue Lederfragmente. So konnte es den Wagen originalgetreu in seiner ursprünglichen Farbgebung restaurieren, die nach einhelliger Meinung auch perfekt zum Fahrzeug passt.
Von diesen 188 von Alfa Romeo gebauten Exemplaren ist jedes einzelne etwas Besonderes. Ob sie gegen die Konkurrenz die Rennstrecke dominierten oder jahrzehntelang von stolzen Concours-Besitzern gepflegt und gehegt wurden – Autos wie der 8C waren wahre Supersportwagen ihrer Zeit und stellten stolz die Leidenschaft und Entschlossenheit der Marke zur Schau, überall siegen zu wollen. Dieses einzigartige Exemplar ist ein wahres Stück italienischer Automobilgeschichte und kommt am 22. Mai bei der RM Sotheby’s- Auktion in Mailand unter den Hammer. Der Schätzpreis liegt zwischen 3,5 und 4,5 Millionen Euro – eine fürstliche Summe, aber das ist der Preis für nahezu garantierte Top-Positionen und eine lohnende Chance, bei so ziemlich jedem Concours weltweit den Sieg zu erringen!