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Meine Fahrt im Koenigsegg CCXR Edition war eine transzendentale Grenzerfahrung

Haben Sie sich schon mal gefragt, wie es ist, einen gut zwei Millionen Euro teuren, in Karbonfaser gekleideten Koenigsegg CCXR Edition zu fahren? Natürlich ist er unfassbar schnell, aber es geht hier um mehr, als schiere Geschwindigkeit. Lesen Sie Mikey Snelgars Erweckungsbericht.

Vor den Ereignissen, die ich beschreiben werde, war das mit Abstand schnellste Auto, das ich erlebt habe, ein Ferrari F12 während einer feuchten abendlichen Ausfahrt in London. Selbst mit nur knapp 50 Stundenkilometer auf dem Tacho war der F12 drauf und dran mich und den Besitzer zu töten. Als Lucas Hutchings mich einlud, The Octane Collection zu besuchen, um ihren aktuellen Star – einer von nur vier, fast 2,4 Millionen Euro teuren Koenigsegg CCXR Edition – selbst zu erleben, war meine Reaktion ein Mix aus Vorfreude und Bangen. Unvergessen, dass der Koenigsegg CCX eines der wenigen Autos war, das die Figur „Stig“ aus den alten Top Gear-Folgen von der Rennstrecke warf. Und der CCXR Edition ist sogar noch schneller und wahnwitziger. 

Beim Betreten des riesigen Octane Collection-Showroom lenkte mich ein Carrera GT gleich hinter der Tür vom Zustand meiner Nerven ab. Einen willkommenen Anblick boten auch einige andere sehr, sehr begehrenswerte Porsche wie zum Beispiel ein 911 Gt3 RS 4.0 in Meteor Grey, von dem die Octane Collection tatsächlich zwei Exemplare besitzt. Dann gehe ich um eine Ecke und sehe den Koenigsegg, der für mich schon bereitsteht. Er ist so tief, breit und flach, dass ich ihn eigentlich nur mit einem dieser Steine, die man über Wasser hüpfen lässt, aber eben aus Karbonfaser, vergleichen kann. Das Exemplar ist auch erstaunlich klein, obwohl er die Behausung für einen doppelt aufgeladenen 4,8-Liter-V8 hinter dem Fahrersitz bietet. Ich nähere mich dem „Egg“ wie Lukas ihn nennt und habe das ungute Gefühl, dass mich die Maschine mustert, so, als würde sie erkennen, dass dieser Mensch ihrer schieren Vortriebswucht nicht würdig ist. Auch diese V-förmigen Türen sind kompromisslos: Wenn man den Verschlussknopf drückt, muss man sofort anheben, sonst öffnen sie sich nicht. Zögern ist hier keine Option.

Nachdem ich die aufwendigen Details dieses Karbon-Exterieurs in mich aufsog – allein die unglaublichen Kosten für die Spezialanfertigung der Aluminiumteile -, schlägt Lucas vor, dass wir eine Runde drehen. Das Rätsel des Türöffners hatte ich schon gelöst, aber einzusteigen will wirklich geübt werden. Es handelt sich um drei separate Körperverrenkungen: Man duckt sich, gleitet über die Türschwelle mit der Warnung „Koenigsegg Edition 1018 BHP 1280 KG 400 KMH+“ und hebelt sich dann in eine erstaunlich geräumige und komfortable Kabine. Mit einem Fingerdruck auf den Starterknopf erwacht die Maschine mit kehligem Gebrüll zum Leben. In diesem Moment wird meine Erwartung sehr real, ich gurte mich an und prüfe gleich dreimal , ob ich auch wirklich angeschnallt bin. 

Wir rollen aus dem Showroom von The Octane Collection, passieren die Auffahrt und erreichen die Straße. Ich bin sofort erstaunt, wie gut gedämpft diese Federung ist – gemeinsam mit dem angenehmen Interieur hat man hier das Rezept für eine ernsthaft ausgedehnte Fahrt. In diesem Moment hat Lucas eine halbwegs legale Strecke gefunden, um den „Egg“ zu entfesseln. Die Träumereien über einen Roadtrip mit dem CCXR verpuffen im Nu dank der Vibrationen des Kettensägengeheuls in Baritonstimmlage des „Egg“, während er versucht, meine inneren Organe via Brustkorb herauszuschleudern. Dieses Biest beschleunigt nicht etwa, nein, es komprimiert die Struktur von Raum und Zeit. Was sich wie sanfte Wellen auf einer langen, geraden Straßen anfühlte, steigert sich exponentiell durch die pure Geschwindigkeit, mit der der Egg über den Boden schießt.

Während das Auto wie dieser flache Stein über die Wellen tanzt, wirkt der Koenigsegg dennoch ruhig und gelassen. Aus dem Inneren des Cockpits gewinnt man den Eindruck, als bliebe das Auto stehen, während die Umgebung willenlos unter den Rädern mitgeschleift würde und sich die Straße hinter einem wie bei einem Teppich zu einem Bündel zusammenzurrt. Ich komme mir vor wie in einem Cartoon. Der CCXR Edition ist natürlich nicht nur auf einer Geraden pfeilschnell, es ist sein Kurvenverhalten, dass mich veranlasst, meinem unmittelbaren Ableben ins Auge zu sehen. Mehr als einmal attackierte Lucas eine Kurve mit der gefühlt doppelten Geschwindigkeit, die sich ein vernünftiger Mensch nie trauen würde. Und wieder macht der Egg unbeirrt sein Ding. Kein Drama, außer im Nervenkostüm des Passagiers.

Ich sollte an dieser Stelle festhalten, dass Lucas ein exzellenter Fahrer ist, perfekt befähigt, diese wahnsinnige Maschine zu pilotieren. Jedes lauerndes Gefühl nahenden Unheils resultiert aus meinem fehlenden Verständnis für das meisterliche Engineering von Christian von Koenigsegg. Nach wirklich kurzer Zeit reihen wir uns wieder in den Verkehr ein und Geist, Körper und Seele erhalten eine Verschnaufpause. Ich starre den Schalthebel an und werde daran erinnert, dass Lucas in dieser ganzen Zeit ein manuelles Getriebe bedient hat. Wir haben es hier tatsächlich mit wohl schnellsten und leistungsstärksten „Handschalter“ zu tun, der gebaut wird. 

Als eine Art Auslaufmodell der CCX-Baureihe stellt das Edition-Modell zugleich die Spitzenleistung der nicht aufgeladenen, manuelle Koenigsegg dar, wenn nicht überhaupt aller Supercars. Danach kamen die Turbos und Doppelkupplungsgetriebe: Der Fahrer musste sich selbst weniger engagieren, dafür gab es im Gegenzug nochmal mehr Speed. Lucas bestätigt, dass dies ein „driver´s car“ ist. „Der Edition ist trügerisch, viele denken, dass sich diese hochmotorisierten Hypercars nicht gut bewegen lassen, aber er ist sehr linear in seiner Leistungsentfaltung und am Limit noch zu kontrollieren. Es handelt sich um eine leichte, agile Maschine. Es hat dieses analoge Feeling, dass man bei einem Peugeot 205 GTI oder E30 M3 erwartet, aber mit einer absurden Menge an Power.“ Als extrem limitiertes Einhorn von einem Auto könnte man erwarten, dass dieses Exemplar den aktuellen Wert von 2,4 Millionen Euro in den Schatten stellt. Nicht vergessen: Ein Pagani Zonda kostet mindestens doppelt so viel, obwohl eine viel höhere Zahl davon produziert wird. Dieser Koenigsegg ist genauso hochwertig gefertigt, so aufwendig und mit Sicherheit schneller als ein Zonda. Warum dieser Preisunterschied? Lucas vermutet, dass einiges mit dem Namen zusammenhängt. „Pagani“ klingt italienisch, extravagant und begehrenswert. Die meisten Menschen würden sich anstrengen müssen, um Koenigsegg überhaupt buchstabieren zu können. Ich übrigens auch, aber der Name steht ja auf der Armaturentafel. 

Deswegen ist Lucas überzeugt, dass hier ein höllisch gutes Investment lockt. „Bei Pagani geht es um die Kunstfertigkeit und die Emotion, die in den Autos stecken. Bei Koenigsegg ist es das Engineering und die Technologie. Von dieser unterschiedlichen Philosophie wird Koenigsegg langfristig einen Vorteil ziehen. Autos, die zu ihrer Zeit als Höhepunkt galten, profitieren von ihrer Historie. Genau darum handelt es sich bei dem CCXR Edition.“ Während ich diese Zeilen schreibe und meine Organe noch von dieser G-Force durchgerüttelt sind, kann ich nur ganz und gar zustimmen!

Fotos: Mikey Snelgar