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Ist das der verrückteste Track Day, den die Welt je gesehen hat?

Die sengende Hitze von 32 Grad Celsius konnte die seltensten und teuersten Hypercars der Welt nicht davon abhalten, am vergangenen Wochenende über die Rennstrecke zu rasen. Natürlich brauchte unser Mann Błażej Żuławski einen Moment, um sich nach diesem atemberaubenden Erlebnis zu sammeln.

Ich nahm Platz im Bugatti-Pavillon, um ein kurzes Interview mit Rainer Dörr zu führen, dem Mann hinter der Dörr Group, dem wohl größten Händler für Sportwagen in Europa. Ein Bugatti Tourbillon ist direkt neben dem kleinen Bereich geparkt, in dem wir sitzen. Vorne reihen sich ein Veyron Vitesse, ein Veyron La Finale, der ebenso einzigartige Chiron Profilée, der Galibier-Prototyp und ein Bugatti Mistral aneinander und flankieren den fantastisch dramatischen Bugatti Boliden, der hier ebenfalls ausgestellt ist. Ich kann sie alle durch die getönten Fenster des einzigen klimatisierten Gebäudes auf dem Gelände sehen – gute Gründe, warum wir das Interview heute hier führen.

Ich hatte Rainer und seine Familie am Vortag kurz kennengelernt. Es fiel mir sofort auf, wie bescheiden sie auftreten, wenn man das Ausmaß und die Größe nicht nur dieser zweitägigen Veranstaltung auf dem berühmten Hockenheimring bedenkt, sondern auch der Marken, die sie verkaufen und vertreten: Bugatti, Pagani, Aston Martin, McLaren, Lamborghini, Dallara, Pininfarina, BAC, Singer, Czinger (kein Tippfehler), Morgan, KTM, Rimac, Triumph und Gordon Murray Automotive, um nur einige zu nennen. Ein beeindruckendes Portfolio, zumal man Rainer, seine Frau Evelyn und ihre drei Söhne, die alle in dem deutschlandweit sechs Händler umfassenden Betrieb aktiv sind, auf den ersten Blick nicht von den vielen Mitarbeitern und Praktikanten unterscheiden kann, die auf dem Gelände herumlaufen. Wie mir Mitglieder des Dörr-Teams im Laufe des Tages versicherten, sei dies wirklich ein Ort, an dem alle wie eine Familie behandelt werden. Als wir ins Gespräch kommen, spüre ich sofort, dass es hier keine Verstellung gibt. Der Mann ist bescheiden und zugänglich - keine Angeberei, kein Bedürfnis nach Sonderbehandlung - einfach ein wirklich geerdeter Mensch.

Blenden wir jedoch ein wenig zurück, denn dieses Interview fand viel später am Tag statt. Zuvor konnte ich nicht nur einem, sondern gleich zwei Bugatti-Boliden bei heißen Runden zusehen. Einer davon befand sich in den fähigen Händen des derzeitigen Verwalters der Pearl Collection, der das Auto gerade erst übernommen hatte und von keinem Geringeren als Andy Wallace selbst Fahrertipps erhielt. Hinzu kamen der 830 PS starke Lamborghini Essenza mit V12-Saugmotor und der Pagani Huayra Evo R Roadster, die über die Start-Ziel-Linie rasen, und falls es noch nicht klar ist: Dies ist kein gewöhnlicher Renntag. Diese Monster auf der Rennstrecke gegeneinander antreten zu sehen - wobei der Bolide die meisten von ihnen wie aufgemotzte Kia Ceeds einholte - war etwas ganz anderes. Wenn man dann noch Michael Schumachers 1997er Ferrari F310 F1, David Pipers 917er Porsche und den McMurtry Spéirling in den Mix wirft - letzterer erzeugt so viel Abtrieb, dass er kopfüber an der Decke fahren könnte -, dann ist das einfach ein Tag, an dem niemand nur einen Blick an "normale" McLaren, Lamborghini oder Aston Martin verschwendet.

Auch die ausgestellten Exponate waren nicht zweitklassig: zwei Aston Martin Valkyries, ein Valhalla, ein V12 Speedster, die McLaren F1, P1, W1 und Speedtail, ein F40, ein Totem und ein Paar Zenvos. Letztere sind zusammen mit McMurtry zwei Marken, die möglicherweise bald in das Portfolio der Dörr Group aufgenommen werden, wie mir Rainer später mitteilte. Diese Veranstaltung ist nicht nur eine Gelegenheit für Kunden, ihre Autos auf der Rennstrecke zu bewegen, sondern auch eine Chance, das zu sehen, woran andere Hersteller arbeiten, bestimmte seltene Sammlerfahrzeuge zu kaufen und das meiste, was die Dörr Group anbietet, Probe zu fahren.

Im Gespräch am Bugatti-Stand erzählt mir Rainer Dörr, wie es zu dieser Veranstaltung im Jahr 2021 kam, als er zu seinen eigenen Rennsport-Wurzeln zurückkehren wollte. Er war Motocross-Sportler, bevor er zum Rennsport wechselte und sein Debüt bei den 24 Stunden am Nürburgring in einem 140 PS starken BMW 318 gab (eine "Schnapsidee", die er mit einem Freund entwickelte). Er hat immer noch gute Erinnerungen an die Marke: Sein automobiles Leben bestimmte zunächst sein Vater, der eine BMW-Werkstatt besaß. Die Leidenschaft für Geschwindigkeit ist bis heute ungebrochen: Sein jüngster Sohn Ben fährt derzeit auf einem McLaren in der DTM. Diese Marke hat für die Familie ebenfalls eine besondere Bedeutung, denn die Geschichte der Gruppe begann 2011 mit McLaren. "Unsere Autohäuser sind über ganz Deutschland verstreut, jedes vertritt eine andere Marke", erklärt Rainer. Und zum Trackday in Hockenheim: "Ich wollte alle meine Kunden mindestens einmal im Jahr zusammenbringen, damit sie sehen, was die Dörr Group wirklich ist, sie Spaß am Fahren haben und sich natürlich vernetzen können. Sie alle teilen die gleiche Leidenschaft."

Ich frage ihn, welche Autos er besitzt oder fährt, und stelle mir eine Garage voller exotischer Raritäten vor, die zum Stil dieses spektakulären Wochenendes passen. Aber die Antwort ist so zurückhaltend wie der Mann selbst. "Ich besitze keine besonderen Autos", sagt er. "Wenn ich einen Kunden besuche, der sich für einen Lamborghini interessiert, nehme ich einen Lamborghini mit. Wenn es ein Aston Martin-Kunde ist, dann nehme ich einen Aston. Aber für den täglichen Gebrauch fahre ich nur meinen Firmen-BMW, einen Alpina Diesel. Er ist schnell, bequem und vor allem kann ich zwischen all unseren Händlern hin- und herfahren, ohne zum Tanken anhalten zu müssen. Das spart mir viel Zeit, denn ich fahre über 120.000 Kilometer im Jahr."

Da sich dieser Trackday wie ein Traum anfühlte, frage ich Rainer nach den Träumen seiner Kunden. Gibt es besondere Wünsche oder denkwürdige Geschichten? "Ja, eine fällt mir ein", sagt er nach einer kurzen Pause. "Ein Pagani-Kunde nahm ein Auto in komplett blauem Karbon entgegen. Die Plakette an der Seite war ebenfalls blau, also fragte er, ob der Schriftzug in Silber ausgeführt werden könne. Kein Problem", antwortete Horacio, nahm die Plakette selbst mit in die Werkstatt, schliff die Farbe von den Buchstaben und polierte das Stück kurz. Fünf Minuten später war er fertig."

Und was ist mit seinen eigenen Träumen? Schließlich sind wir von Classic Driver: Gibt es für Rainer Dörr irgendwelche alten Ikonen, nach denen er sich sehnt? "Nein, eigentlich nicht", sagt er. Dann hält er inne. "Doch, es gibt sie, etwa ein BMW 507. Ich liebe dieses Auto, vor allem die Optik. Ich hatte mal einen, finde aber die fahren nicht besonders gut - und ich bin ein Fahrer. Also habe ich ihn abgestoßen. Vielleicht kaufe ich mir eines Tages einen BMW M1. Oder den E30 M3."

Unsere Zeit ist um, und wir werden gebeten, an der "Heldenrunde" teilzunehmen, bei der sich rund 200 Autos für eine letzte Runde auf  der Strecke versammeln - der spektakulärste Stau, den der Planet wahrscheinlich je gesehen hat. Eine Parade von Paganis, Lambos und Bugattis rollte einträchtig neben weiteren Pretiosen um den Kurs - ein Abschluss, der sich wie ein Traum im Traum anfühlte. Auf dem Weg zum Flughafen kam mir der Anblick der normalen Autos fast surreal vor. Für einen kurzen Moment war mir das Normale fremd geworden, und ich fragte mich, wie lange es wohl dauern würde, bis der Zauber gebrochen war?