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Ihr roter Ferrari F40 könnte an Wert gewinnen, wenn Sie ihn blau lackieren

Ja, Sie lesen richtig. Die roten Ferrari F40, wie wir sie kennen, setzen mit abweichenden Farben und individuellen Teilen vermehrt neue Trends. Falls Sie uns nicht glauben, dann sehen Sie sich diese beiden sehr unterschiedlichen F40 an, die im August bei RM Sotheby's in Monterey versteigert werden.

Rosso. Das ist Italiens traditionelle Rennwagenfarbe, die bei Petrolheads wie Puristen das Blut gleichermaßen in Wallung kommen lässt. Jedes der 1311 Exemplar des Ferrari F40 wurde in diesem Farbton lackiert, mit Ausnahme von sieben modifizierten Modellen, die als Rechtslenker und in Grau an den Sultan von Brunei gingen. Der Sultan mag damit einen Trend ausgelöst haben, doch ist das nichts gegen die in jüngerer Vergangenheit zuhauf auf Instagram geposteten „customized”-Versionen des ikonischen Postercars. Eugenio Amos’ ließ seinen F40 in Verde Abetone über Tan lackieren, während unter den Namen ‘F40 Blu’ und ‘Minty Forty’bekannt gewordene Modelle zu eigenen Stars wurden. Doch nun steht ein frisch in einem blassen Blau neu lackierte und unter der Haut modifizierte Exemplar zur Versteigerung an. Und sein Schätzwert liegt über dem des hier ebenfalls fotografierten Originals in Rosso Corsa. Aber wird der individualisierte F40 tatsächlich das fabrikneue Original-Exemplar ausstechen? Wir beobachten schon jetzt mit großer Spannung dieses Duo, das am 16. August bei der Monterey Sale von RM Sotheby’s versteigert werden soll.

Okay, doch was genau vergleichen wir hier? Dem Exemplar in „Azzurro Hyperion” hat man nicht nur einen neuen Farbton über seine Pininfarina-Karosserie gesprüht, sondern es auch umfangreich modifiziert – um das absolute Maximum aus dem ohnehin schon fesselnden Vollblut herauszuholen. Der Wagen begann sein Autoleben im Juli 1992 und verließ Maranello (natürlich) in Rosso Corsa über einem Interieur in „Stoffa Vigogna.“ Erstkunde war der schillernde Bologneser Nightlife-Promoter Paolo Pazzaglia, der den F40 über 5.000 Kilometer lang genoss, ehe er sich Mitte 1993 von ihm trennte. Der Wagen ging dann 1998 nach Großbritannien und fand schließlich den Weg zu einem Besitzer mit kühner Vision im Kopf.

Die Umsetzung begann beim britischen Supersportwagen-Händler und Restaurator Furlonger Specialist Cars aus Ashford (Kent), dem es gelang, ein seltenes, von Michelotto entwickeltes F40 LM-Renngetriebe zu beschaffen und einzubauen. Gepaart mit verbesserten Turbo-Wastegates und einer Tubi-Auspuffanlage, um den legendären Soundtrack des V12 zu entfesseln. Doch bei diesen antriebstechnischen Verbesserungen blieb es nicht, denn zusätzlich spendierte man diesem F40 ein voll einstellbares KW-Fahrwerk mit praktischem Lift-Kit und eine leistungsstärkere Klimaanlage. Die Felgen bewahrten zwar den bekannten Fünfspeichen-Look mit Zentralverschluss, doch legten im Vergleich zur Serienausrüstung von 17 auf 18 Zoll zu. Was Spielraum für mächtige Brembo-GT-Scheiben mit einem Durchmesser von 335 Millimetern schuf. Um den Umbau abzurunden, entschied sich der Besitzer für eine Neulackierung in Azzurro Hyperion, ein zeitloser, dezenter Ferrari-Farbton, der die scharfen Linien dieser Ikone der späten 1980er-Jahre perfekt zur Geltung bringt.

In Anlehnung an die Spitznamen seiner anderen maßgeschneiderten Geschwister trägt dieses Exemplar den stolzen Namen „Blue Chip F40“. Als Ausdruck einer einzigartigen Neuinterpretation von Ferraris viszeraler Ikone, die rohe Leistung mit unverwechselbarer Präsenz verbindet. Als Folge hat dieses Exemplar, komplett mit Ferrari Classiche Zertifikat, Red Book und einem Kilometerstand von knapp über 30.000 Kilometer seit Auslieferung im Jahr 1992 seinen Schätzwert auf 2,5 bis 2,8 Millionen Dollar gesteigert – rund 200.000 Dollar über dem oberen Estimate des komplett originalen F40. 

Wenn Sie mehr Wert auf Purismus und Originalität legen, dann ist auch unser zweiter hier vorgestellter F40 ein Gebot wert. Während viele Exemplare damals bis an ihre Grenzen gebracht wurden, lagerte sein ursprünglicher Besitzer aus Südostasien das Auto gleich nach Anlieferung für die folgenden 35 Jahre trocken und sicher ein. Unter seiner Obhut wurde er aus der Öffentlichkeit herausgehalten und nie gefahren oder gar gewartet. Dieser F40 blieb die ganze Zeit über ein Phantom. Nie erblickt – bis jetzt! 

Das fabrikneue Exemplar in – na klar – Rosso Corsa mit einem Auslieferungs-Kilometerstand von nur 360 Kilometern wurde für den europäischen Markt spezifiziert. Also komplett mit km/h-Tacho und – was für Sammler wichtig ist – ohne Katalysator und einstellbarem Fahrwerk, was es zu einem der wertvollen „non-cat, non-adjust”-Chassis macht. Bei einer so geringen Laufleistung bietet dieser Ferrari einen wunderbaren Einblick in die Art und Weise, wie die Autos damals an ihre glücklichen Besitzer ausgeliefert wurden. So weist dieser F40 noch Werksmarkierungen und Karosserienummern auf, einschließlich der originalen blauen Aufkleber auf den Felgen, die bestätigen, dass die Radmuttern am Fließband angezogen wurden. Auch das Jahr der Erstbereifung – 1989 – ist ablesbar. Als Folge dieser Originalität würde der F40 stark von einer vollständigen Restaurierung profitieren, um wieder in einen vorzeigbaren und vor allem fahrbaren Zustand gebracht zu werden. Für die Fotoproduktion wurde er nur einmal sanft gereinigt, doch wurde seit seiner Einlagerung nicht einmal versucht, den Motor zu starten…

Was zu der interessanten Debatte darüber führt, was frevelhafter war? Die maßgeschneiderten Verbesserungen samt der ungewöhnlichen Farbe für den letzten Sportwagen, den Enzo Ferrari persönlich initiierte und überwachte (er starb 1988, nur ein Jahr nach der Vorstellung des F40) oder die Tatsache, einen F40, der kaum aus der Fabrik gerollt war, auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen, statt ihn mal einmal um den Block zu fahren? Die Antwort hängt von Ihrer persönlichen Meinung ab, aber für uns sind beide auf ihre eigene Weise ein echter Hingucker. Der Azzurro Hyperion lacht der Originalität ins Gesicht und symbolisiert pure Fahrfreude, während der Rosso Corsa auf den manikürten Rasenflächen eines Concours d'Elegance zweifelsohne das gleiche Aufsehen erregen würde!

Aus dem Englischen von Thomas Imhof