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Atemlos durch die Londoner Nacht mit einem Ferrari 500 Superfast

Dem Jet Set der 60er-Jahre vorbehalten, war der Ferrari 500 Superfast die Speerspitze in Sachen Luxus und Performance. Seinem Erstbesitzer konnte er gleichwohl nie gut genug sein. Der aktuelle Eigner ist dagegen rundum glücklich – auch weil beide ein 30 Jahre zurückliegendes Erlebnis verbindet...

Was haben der Schah von Persien, der Aga Khan, Gunter Sachs, Peter Sellers und Harold Samuel gemeinsam? Nun, sie alle besaßen zumindest einen 500 Superfast, das letzte in kleinen Stückzahlen und betont luxuriös ausgestattete Flaggschiff-Coupé aus von Ferrari. Wobei ihnen ein Name auf dieser Liste sicher unbekannt vorkommt. Harold Samuel war ein britischer Geschäftsmann mit Wohnsitz im wohlhabenden Londoner Stadtteil Barnes, der sein Kostenplanungsbüro vom Berkeley Square House im vornehmen Mayfair aus leitete. 

Am 27. April 1966 bestellte Samuel bei John Coombs Ltd in Guildford diesen speziellen 500 Superfast, den wir uns für einen nebligen Abend in der Londoner City ausliehen. Der seltene und ungemein luxuriöse Gran Turismo, dessen elegante und dem Wind trotzenden Linien von Pininfarinas Aerodinamico Coupé inspiriert wurden, eroberte damals mit Opulenz und rennwagenmäßiger Performance die Herzen des Jet Set. 

Als anspruchsvolle – manche würden sagen fordernde – Natur bestellte Samuel für seinen Superfast zusätzlich zur Klimaanlage, dem Heckscheibenwischer !!) und der Servolenkung noch einen Bordkompass, eine beheizbare Heckscheibe und farblich zur Polsterung passende Sicherheitsgurte in Beige. Die Rücksitze waren ausgebaut, und im Kofferraum versteckt angebracht war ein Schalter zur Unterbrechung der Benzinzufuhr, um so Langfingern schon im Ansatz ihr Handwerk zu vermiesen. Er forderte ferner, dass sein Auto 170 Meilen in der Stunde – also knapp 275 km/h – schnell sein MÜSSE. Schließlich wolle er mit dem Fahrer ja auf den Autobahnen des Kontinents die Meilen regelrecht verschlingen. 

Nachdem eine Anzahlung getätigt worden war und Coombs & Ltd. den Auftrag beim offiziellen britischen Ferrari Importeur Maranello Concessionaires fest deponiert hatte, machten sich die ingegneriin Maranello an den Bau des Samuelschen Superfast. Chassis #8897 SF ist der letzte von nur 37 bei Ferrari gebauten Superfast und einer von nur zwei aus der Serie 2 mit Rechtslenkung. Drei Monate später und nur mit minimaler Lieferverzögerung nahm Samuel am 6. August 1966 sein neues Auto dann in Empfang – in der seltenen Farbe Avorio(Elfenbein) eine Augenweide. Doch der schöne Schein trog...

Nicht nur hatte die Hutablage die falsche Farbe. Nein, auch der Fahrersitz war zu tief installiert und der Chromzierrat blass. Und vom Kompass und von den beigen Gurte war gar nichts zu sehen. Samuel war verständlicherweise not amused.Und wer konnte es ihm verdenken? Schließlich hatte er für das Auto 10.456 Pfund hingeblättert, ein schier astronomischer Betrag. Nur zum Vergleich: Coombs Ltd hatte zuvor Samuels Jaguar E-Type für die läppische Summe von 1.250 Pfund in Zahlung genommen. Zu allem Überfluss streikte dann auch noch die Servolenkung, nach nur knapp 2500 Kilometern. „Fühlt sich bei hoher Geschwindigkeit alles andere als sicher an und stellt so eine potenzielle Gefahrenquelle da“, beschwerte sich der Besitzer. Worauf das Problem schleunigst behoben wurde. 

Das Ganze hatte jedoch auch etwas Gutes für sich, ging der Superfast doch so im November 1966 noch einmal zu einem Rundum-Check zurück ins Werk. Wo neben anderen Tests Werks- und Testfahrer Mike Parkes das Auto auf die für Samuel so wichtige Marke von 170 mph brachte. Parkes schickte die Erfolgsmeldung sofort per Telex an Maranello Concessionaires Chef Colonel Ronnie Hoare und regte an, Samuel nach Modena einzuladen, damit sich dieser selbst überzeugen könne. Leider wurde die Einladung dann aber nie ausgesprochen. 

So oder so schien die Höchstgeschwindigkeit für Samuel von überragender Bedeutung gewesen zu sein. Auf der Londoner Motorshow im Oktober fragte er Parkes, wie man die 400 PS des 5,0 Liter großen V12 noch weiter steigern könne. Zugleich äußerte er seine Sorge darüber, dass Pirelli oberhalb von 150 mph (240 km/h) nicht für die Sicherheit seiner Reifen garantieren wolle. „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der durchschnittliche Superfast-Fahrer jemals diese Geschwindigkeiten erreichen wird“, beschwichtigte Hoare in einem Schreiben an Samuel. Worauf sich dieser an Dunlop wandte, die ihm daraufhin einen Satz R7-Rennreifen schickten. „Ich möchte auf alle Eventualitäten vorbereitet sein“, antwortete Samuel Hoare und verwies auf seinen Wunsch, bei Fahrten zum Kontinent das ganze Potential des Ferrari ausnutzen zu wollen.

 

Tragischerweise war es Samuel dann nicht vergönnt, den von ihm so beharrlich zur Perfektion getriebenen Ferrari zu genießen. Denn er verstarb Anfang 1967. Danach ging Chassis #8897 zunächst an Jack Pearce von J.A. P. Engineering, später durch die Hände diverser Ferrari-Sammler wie Jack Crowther, ein Londoner Börsenmakler, Clive Deverell (London) und Philippe Marq aus Frankreich. Im Oktober 1988 kam dann der heutige Besitzer Simon Kidston zum ersten Mal mit dem Auto in Kontakt.  

Damals sammelte der heute als einer der einflussreichsten Sammler und Influencer der Szene bekannte Kidston als Junior Assistent bei Coys erste Erfahrungen im Classic Car-Gewerbe. Er erhielt den Auftrag, den für einen Verkauf vorgesehenen Ferrari abzuholen und ihn vom Sloane Square nach Queen’s Gate Mews zu fahren. „Ich hatte nie zuvor ein Auto mit zwölf Zylindern gefahren, geschweige denn einen Ferrari. Das war ein großer Schritt für mich“, erinnert sich Kidston. „Ich kam mit meinem Vierzylinder-Alfa Romeo zur Arbeit und man warf mir die Schlüssel zu diesem Ferrari zu. Für mich war das die coolste Sache auf der Welt – ich glaube nicht, dass jemals zuvor jemand eine längere Route vom Sloane Square nach Queen’s Gate genommen hat.“ 

Kidston war so vom Superfast eingenommen, dass er jede Möglichkeit ausnutzte, nochmal hinters Steuer zu kommen, um die berauschende Grandeur und Kraft zu erleben. Er fuhr das Auto sogar zum Ort des Verkaufs – ein Erlebnis, das er mit dem Verscherbeln eines geliebten Haustiers auf dem Markt vergleicht. Der Superfast wurde dann auch tatsächlich an diesem Tag an den schwedischen Ferrari Sammler Hans Thulin verkauft, der ihn dann bis 1993 behielt. Obwohl Kidston danach den jeweiligen Aufenthaltungsort immer im Visier hatte, sah er den Ferrari insgesamt 29 Jahre nicht wieder. „Ich fragte mich immer, ob er mal zum Verkauf angeboten würde. Letztes Jahr erschien er dann auf einer Auktion, und sah fast noch genauso aus wie damals.“

Müßig zu betonen, dass Kidston nun zuschlug. Er reimportierte den Ferrari ins Vereinigte Königreich, besorgte sich die frühere Zulassung, ließ das Auto durch Ferrari Classiche zertifizieren und machte sich daran, all das, was in drei Jahrzehnten mit überwiegender Standzeit Staub angesetzt hatte, wieder flott zu machen. „Mich würde überraschen, wenn er seit dem Verkauf von Coys mehr als 100 Meilen zurückgelegt hätte“, schätzt Kidston. Doch jetzt ist er wieder voll einsatzfähig, und man kann sich vorstellen, wie hin und weg er ist. „Der Superfast ist ein solch fantastischer Langstrecken-Express, und ich liebe die Tatsache, dass er so selten ist. Im Vergleich zu einem 275 oder 330, den sich jeder halbwegs erfolgreiche Geschäftsmann leisten konnte, spielt der Superfast in punkto Qualität und Liebe zum Detail in einer anderen Liga. Wie lange man auch sucht – es gibt einfach keinen Wagen aus den 60er-Jahren mit so viel Jet Set-Appeal.“

Nachdem wir die hell erleuchteten Straßen des Londoner Finanzdistrikts unsicher gemacht hatten – wo sich die Silhouette des Superfast in den Glasfassaden widerspiegelte und das sonore Grollen des V12 von einem Gebäude zum nächsten übersprang – schien es nur passend, den Ferrari zum Berkeley Square House zu steuern. Wo wir uns ausmalen, wie Harold Samuel vor seinem vorzeitigen Tod zumindest noch ein paar Mal die Freude genoss, das Auto auf dem für ihn reservierten Platz einzuparken. 

Wir stellen uns zugleich den betretenen Gesichtsausdruck eines E-Type-Fahrers vor, wenn damals ein solcher Superfast an einer Ampel neben ihm auftauchte. Erstaunlicherweise wusste Kidston vor seinem ersten Kontakt mit dem Auto nichts von dessen komplexen Anfängen – erst nachdem er es erworben und mit dem Kauf einen fantastischen Ordner mit Dokumentationen und Korrespondenzen erworben hatte, kam Harold Samuels Geschichte ans Tageslicht. Für Kidston dient sie vor allem dazu, den Mythos und den Zauber dieses High Society-Ferrari nur noch weiter zu steigern. 

Fotos: Alex Lawrence / The Whitewall für Classic Driver © 2018

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