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Folgen Sie mit diesem Tojeiro MG den Reifenspuren von Sir Stirling Moss

Konstruiert von John Tojeiro, wurde diese britische Barchetta der 50er-Jahre unter anderem von Sir Stirling Moss bewegt. Die jetzt von den automobilen Archäologen von ChromeCars präsentierte Barchetta markiert auch die Geburtsstunde des AC Ace – und damit der legendären Shelby Cobra...

Die kleine, aber feine Signatur auf dem weißen Feld für die am Heck angebrachte Startnummer dieses gleichfalls zierlichen Tojeiro-MG verrät uns, dass der große und im letzten Jahr verstorbene Sir Stirling Moss hier am Lenkrad drehte. Exakt 1954 während der British Empire Trophy auf dem Kurs von Oulton Park, auf dem Moss im gleichen Jahr beim International Gold Cup auf einem Maserati auch sein erstes Formel 1-Rennen gewann. Mit dem Tojeiro-MG belegte Moss bei der Empire Trophy im Vorlauf der Sportwagen bis 1,5 Liter Hubraum Platz drei, ehe er im Finale, auf Platz zwei liegend, mit einer gebrochenen Kurbelwelle aufgeben musste.

Doch gibt es neben der Tatsache, dass Moss dieses Auto fuhr, noch viele andere spannende Geschichten über dieses Auto zu erzählen. Aktuell befindet es sich in der Obhut des deutschen Händlers ChromeCars, der es ich getreu seines Leitmotivs „Automotive Archaeologists“ zur Aufgabe gemacht hat, nach Autos zu suchen, die ein Kapitel Motorsportgeschichte geschrieben haben. Dabei begeben sie sich in jeden Winkel der Welt, mit Hilfe eines ausgesuchten Teams von Experten und einem globalen Netzwerk.

Aber wo muss man also den Tojeiro-MG einordnen? Die meisten Classic Driver Leser werden wissen, dass er nur aus der Werkstatt von John Tojeiro stammen kann. Dieser war 1924 in Begleitung seiner verwitweten Mutter aus Portugal nach England gekommen, noch nicht einmal ein Jahr alt. Nachdem er im Krieg bei der Fleet Air Arm diente – jener Teil der britischen Royal Navy für den Betrieb von Flugzeugen an Bord ihrer Schiffe – zog es ihm nach 1945 in die Welt des Automobilbaus. Recht bald bewies er großes Talent für alle Facetten der Automobiltechnik, speziell im Bereich Chassis-Design.

Einer seiner ersten Kunden war ein englischer Privatier namens Lionel Leonard. Der hatte sein Herz für Sportwagen mit MG-Motor entdeckt und unterbreitete Tojeiro einen Plan für den Bau einer Barchetta im Stil des zeitgenössischen Ferrari 166MM. Der bei exotischen europäischen Events wie der Targa Florio und der Mille Miglia ja bereits sein Potenzial gezeigt hatte.

Tojeiro, der sein Haupteinkommen noch mit der Arbeit in einer auf die Reparatur von Unfallwagen spezialisierten Werkstatt verdiente, ging in seinem gleich dahinter liegenden Schuppen bereitwillig ans Werk. Das Ergebnis war ein hübscher Rennwagen mit Aluminium-Karosserie und dem britischen Kennzeichen „JOY 500.“ Er übergab ihn an Leonard, der damit 1951 bei der British Empire Trophy auf der Isle of Man zur Jungfernfahrt ausrückte. Leider erwies sich die Beziehung als kurzlebig. Denn nachdem bei einem Meeting in Goodwood der Motor gestreikt hatte, verkaufte Leonard das Auto noch im Fahrerlager an seinen Rennfahrerkollegen Cliff Davis.

Davis machte JOY 500 schnell wieder fit und setzte ihn so erfolgreich ein, dass er einen weiteren Wagen bei Tojeiro in Auftrag gab. Diesmal eine Barchetta mit Bristol-Reihensechszylinder (auf BMW-Basis) und Panelcraft-Karosserie. Mit dem Kennzeichen LOY 500 trat Davis damit erstmals 1953 beim Easter Monday Meeting in Goodwood an. Im ersten Lauf reichte es schon zu Platz vier, den zweiten gewann er dann. 

Etwa zur selben Zeit wandte sich auch Leonard wieder an Tojeiro. Mit der Order für den Wagen, den Sie hier sehen – LOY 501. Diesmal fertigte Tojeiro ein Leiterrahmen-Chassis aus drei Zoll (7,6 Zentimeter) dicken Streben. Was nicht nur die Montage von Einzelradaufhängungen vom Typ Cooper, sondern auch die Installation verschiedener Motoren gestattete.

Leonard erfreute sich mit LOY 501 (bekannt auch als „Leonard Special“) größerer Erfolge. In der Saison 1953 fuhr er ihn zum Teil selbst, vertraute ihn aber zum Beispiel beim Flugplatzrennen Davidstow in Cornwall Eric Brandon an, der sich mit Siegen im Vorlauf und Finale bedankte. Und im Jahr darauf kam dann wie erwähnt auch Stirling Moss ans Steuer.  

Die wirkliche Bedeutung von LOY 501, LOY 500, JOY 500 und der drei weiteren frühen Tojeiro aus den frühen 50ern - LOW 77, Vin Davisons LER 371 und das allererste Chassis #JAK 6916 – liegt darin, dass sie mit Fug und recht den Anspruch erheben, eine Blaupause für den AC Ace zu sein, aus dem sich dann letztendlich die legendäre Shelby Cobra entwickelte.

Als Tojeiro für Ernie Bailey von Buckland Bodyworks in Royston, Hertfordshire, einem Karosserie-Lieferanten für ACs alterndes Zweiliter-Modell, arbeitete, ergab sich eine neue Situation. AC wollte auf der bevorstehenden Earls Court Motor Show von 1953 einen neuen Sportwagen zeigen. Darauf schlug Bailey vor, doch einmal Tojeiro zu kontaktieren. Worauf dieser Vin Davison überredete, ihm das mit einem Lea Francis-Motor ausgestattete Modell mit Kennzeichen LER371 zurückzugeben. Neu in Blau lackiert und nun mit einem AC Triebwerk bestückt, stellte ihn AC dann auf der Messe als neuen AC Ace Roadster vor. Bei näherem Studium der Fotos von LOY 501 kann man leicht erkennen, wie dieses Modell und seine Schwestermodelle die Serienversion des berühmtesten AC beeinflusste. Der 1954 als AC Ace auf den Markt kam, nachdem die Firma die Rechte an Tojeiros Ursprungs-Design erworben hatte.

Tojeiro war in beratender Funktion sogar kurze Zeit für AC tätig, ehe er sich an die Entwicklung seiner gefeierten Modelle mit Jaguar- und Climax-Motoren machte. Derweil realisierte Carroll Shelby, dass das Chassis, obwohl bei der Vorstellung der Cobra zehn Jahre alt, locker in der Lage war, die V8-Power zu schultern.

Auch wenn all das LOY501 mit einigen wirklich wichtigen historischen Bezugspunkten auflädt, ist er allein für sich betrachtet ein wundervolles Auto. Wie die Bilder zeigen, ist er ein richtig kleines Juwel, der Fahrer sitzt eher auf als in ihm, während ihn die simpelste Form einer Windschutzscheibe nur notdürftig gegen den Fahrtwind schützt.

Untergebracht ist der Pilot eher in einem Cockpit denn einem „Interieur“. Mit einem flachen Armaturenbrett, das wunderschön patinierte Instrumente mit sanft verblichenen, elfenbeinfarbigen Skalen und ein Trio Bakelit-Schalter im Aircraft-Stil bereithält.

Die eng sitzenden Schalensitze sind mit einem gedeckt olivfarbigem Leder bezogen, das sehr schön mit der puristischen Ausstaffierung und dem British Racing Green der Außenlackierung kontrastiert. Und hinter dem großen Kühlergrill im Eierkarton-Design verbirgt sich eine 1,5-Liter-Version des „XPAC“-Motors von MG. Obwohl nur moderat getunt, macht er den leichtgewichtigen Tojeiro zu einem wettbewerbsfähigen und vor allem viel Spaß vermittelnden Modell.  

Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass LOY501 fast für immer verloren gegangen wäre. Leonards letztes Rennen der Saison 1954 war sein zugleich auch sein letzter Einsat; danach verschwand er für die nächsten 30 Jahre aus den Augen der Öffentlichkeit. Bis ihn der in Kent lebende Enthusiast Rodney Tolhurst fand und restaurierte – und ihn dann an den amerikanischen Rennfahrer Steve Barney verkaufte.

Von dort kam das Auto in den Besitz des Ferrari Historikers Gerald Roush, bei dem es bis in die frühen 2000er verblieb. Danach folgte die Rückkehr nach England, zu Martin Chisholm von Classic Motor Hub, der der Tojeiro dann 2009 beim Goodwood Revival erstmals wieder Rennluft schnuppern ließ.

Es war auch Chisholms Recherchen zu verdanken, dass das Modell in den Rang eines Rennwagens mit besonderer historischer Bedeutung erhoben wurde. Und auch wieder mit seinem originalen Kennzeichen LOY501 zusammengeführt wurde.

Alles was jetzt noch fehlt ist ein neuer Besitzer, der den Tojeiro so tanzen lässt wie Stirling Moss vor all diesen Jahren...

Fotos: Patrice Marker © 2021

Dieser Ex-Sir Stirling Moss Tojeiro MG von 1953 wird derzeit von Chromecars auf dem Classic Driver Market zum Verkauf angeboten.