Marvic Wheels wurde 1983 als Marke gegründet, obwohl das Unternehmen schon seit Mitte der 1950er Jahre tätig war, und bietet dabei neben Felgen noch umfangreiches Sortiment. Unter Einsatz der innovativen Sandstrahltechnologie werden qualitativ hochwertige Magnesiumräder für Autos und Motorräder gefertigt sowie weitere Automobilteile, die hoher Belastung Stand halten müssen. Viele unterschiedliche Motorsporterfolge wären diese handwerkliche Leistung nicht möglich geworden. Fast der gesamte Produktionsprozess findet im Werk der Firma nahe der traditionsreichen italienischen Schuhmacherstadt Varese statt. Unser Fotograf Rémi Dargegen reiste in die Hochburg schöner Räder, um sich mit Marvics CEO Pierluigi Sturla zu unterhalten.
Was ist Ihre früheste Erinnerung an Autos?
Ich erinnere mich, dass ich völlig überwältig war vom Sound und der Geschwindigkeit des Ferrari 512BB meines Vaters und der Begeisterung während unserer Reisen an Bord eines Bentleys von 1928 zu den Toce-Wasserfällen. Als ich fünf oder sechs Jahre alt war, handelten meine Eltern mit Luxusautos in Mailand und ich weiß noch, wie verzaubert ich von den sinnlichen Formen und vielen Lackfarben war.
War das der Beginn Ihrer Leidenschaft für Autos?
Auf jeden Fall. Als ich fünf Jahre alt war, kauften mir die Eltern eine Miniaturausgabe der Mercedes-Pagode und einen Jeep, um im Wald zu fahren - beide waren auch mit Verbrennungsmotoren ausgerüstet. Ich habe mir immer nur Modellautos als Geschenk gewünscht, vor allem Klassiker, die mir am besten gefielen. Als Siebenjähriger haben ich dann mit dem Kartfahren begonnen.
Italien und Autos sind eine Traumpaar - hat das Land Ihre Leidenschaft zusätzlich beflügelt?
Eine berühmte Zeitschrift hat einmal in den späten sechziger Jahren italienische Autos als größte Provokation nach Sophia Loren bezeichnet. Mehr muss man eigentlich nicht dazu sagen, oder? Meine absolute Begeisterung und mein Antrieb heute sind das Herstellen von speziellen Rädern und Komponenten für Automobile, mit denen ich als Kind gespielt habe.
War es für Sie eine natürliche Entwicklung, im Unternehmen anzufangen?
Leider verstarb mein Großvater als ich jung war, aber dieses Unglück hat auch meine Augen für seine Arbeitswelt geöffnet. Heute kann ich mir gar nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Ich erinnere mich, dass ich immer an der Rennstrecke war und an den Enthusiasmus mit dem mein Großvater neue Produkte testete und auf die Zustimmung der Teams wartete. Genau dieses Gefühl empfinde ich heute auch, aber ich bedaure sehr, dass er nie erleben konnte, wie ich das, was ich von ihm gelernt habe, anwende.
Erzählen Sie uns doch von den Anfängen von Marvic Wheels.
Die Gießerei wurde 1954 in Betrieb genommen, um Gussteile aus Aluminium, Bronze und Messing zu erzeugen. Mitte der 1970er Jahre, als Namen aus der Automobilbranche wie Osella oder Dallara zum Kundenstamm zählten, reiste mein Großvater nach England, um dort Magnesiumlegierungen kennenzulernen. Im Jahr 1983 wurde die Marke Marvic gegründet, gleichzeitig entstand damit auch die weltweit erste Felge mit elliptischen Hohlspeichen. Für den Motorsport war das eine enorm innovative Erfindung. Mit der Folge, dass in weniger als zwei Jahren 90 Prozent aller Rennmotorräder mit Marvic-Rädern ausgerüstet wurden. Heute sind wir auf Legierungen aus Magnesium und Aluminium spezialisiert und stellen für die Bereiche Automobil, Motorrad, Flugzeugbau und Textil Räder und Komponenten in kleiner Zahl oder Großserien her.
Sie sind heute CEO des Unternehmens, aber wie haben Sie eigentlich Ihr Handwerk erlernt?
Ich habe mich nie für ein akademisches Leben erwärmen können, deswegen wollte ich direkt am Arbeitsplatz meine Kenntnisse erwerben. Gleich nach meinem Diplom bin ich in das Familienunternehmen eingetreten. In jeder Abteilung habe ich von der Pike auf gelernt, und ich bin stolz, dass ich mit jeder Phase des Herstellungsprozesses vertraut bin - außer der Büroarbeit! Mein Lieblingsmotto stammt von Carroll Shelby: „Wenn du nicht das machst, was dir wirklich wichtig ist, machst du dir was vor.” Ich bin überzeugt, dass Leidenschaft der Schlüssel ist. Jeder kann sich verbessern, wenn er von seiner Aufgabe überzeugt ist.
Könnten Sie uns etwas mehr über den Designprozess verraten?
Alles wird bei Marvic Wheels selbst hergestellt, denn haben wir auch die komplette Kontrolle. Projekte beginnen entweder als Zeichnung oder Muster, die repliziert werden. Im letzteren Fall wird ein optischer 3D-Scan angefertigt und per Reverse-Engineering sozusagen Zeichnungen nachträglich erstellt. In einem weiteren, sehr wesentlichen Schritt werden die Werkzeuge produziert, ehe dann die Herstellung selbst mit grünem Harzsand entweder von Hand oder mit halbautomatischen Maschinen erfolgt. Dann wird ein Probestab erzeugt, der eine zerstörende Prüfung unterläuft, um die Qualitäten und die Eigenschaften der Legierung zu testen. Danach wird das Teil vor der Hitzebehandlung entgratet und gestrahlt. Die Verarbeitung geschieht dann mit Fräs- und CNC-Drehmaschinen. Die Leidenschaft und das handwerkliche Können sind auch nach allen diesen Jahren mit Händen zu greifen - so, wie es mein Großvater gewollt hätte.
Kürzlich haben Sie ein Foto von Valentino Balboni und Roberto Bertaccini von der Cremonini Carrozzeria gepostet. Wie arbeiten Sie mit ihnen zusammen?
Ich habe Valentino und Roberto erst vor wenigen Monaten kennengelernt. Durch die Vermittlung eines gemeinsamen Freundes konnte ich mit ihnen bei einem Projekt bezüglich Lamborghini Miura-Rädern mitarbeiten. Obwohl ich beide erst kurze Zeit kenne, macht es einfach Freude, ihr Engagement und ihre Passion zu erleben. Dass sie meine Arbeit so schätzen, macht mich sehr stolz.
Was für Produkte stellen Sie her?
Wir erzeugen Gussteile, deren Gewicht von 30 Gramm bis zu 700 Kilogramm variieren können. Es gibt unzählige Anwendungen für Gussstücke aus Magnesium: das reicht von Druckmaschinen bis hin zu Komponenten für die Tabakverarbeitung. Die Fähigkeit, Schwingungen zu dämpfen, macht es zum idealen Werkstoff für mechanische Elementen, die plötzlichen Richtungswechseln ausgesetzt werden - also produzieren wir Räder für Motorräder und historische Rennwagen, Kupplungsglocken, Stützen und Lenkarme für GP2- und LMP-Autos.
Was hält die Zukunft für Marvic Wheels bereit?
An klassischen Fahrzeugen komme ich nicht vorbei - für sie schlägt mein Herz. Meine Vision ist, unser Angebot zu erweitern. Wir arbeiten gerade an einer Reihe von Projekten, bleiben Sie dran! Ich hatte natürlich über die Jahre eine Reihe von Autos, aber aus wirtschaftlichen Erwägungen nie einen Klassiker. Mein ältestes Auto war ein Mini Cooper 1300 mit Vergasern. Ihn zu verkaufen, war mein größter Fehler! Ich war immer verrückt nach Leichtbau-Sportwagen und deswegen besitze ich einen Caterham.
Mal unabhängig vom Preis, was wäre Ihre Traumauto?
Die Liste wäre relativ lang, weil ich mich nicht für nur eines entscheiden könnte. Zu besonderen Anlässen und für Spaß auf dem Rennkurs müsste es ein Porsche 917 sein. Als stimulierende Begleiterin auf dem Roadtrip zum Lago Maggiore würde ich eine Cobra 289 wählen, für den Alltag genügt mir ein Ferrari 250 GTO. Ich weiß, das hört sich wirklich vermessen an, aber man sollte immer bedenken: Nur kleine Geister denken, dass Träume zu groß sind.
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2016