Direkt zum Inhalt

Magazin

In dieser traumhaften Schweizer Werkstatt finden Sie das Autoglück

Für Schweizer Sammler ist Auto Klassiker von Christian Tedeschi nahe Lausanne die ultimative Werkstatt für jede Art von Fahrzeugrestaurierung – von Vorkriegsveteranen über GTs der 1960er Jahre bis hin zu Rallyefahrzeugen der Neunziger. Wir haben Christian und seinen Sohn Michael besucht.

Der Name sagt schon alles, es ist ein Klassiker. Das Ziel ist die Route d'Oron in Poliez-Pittet, etwas oberhalb von Lausanne. Hört man das erste Mal von der Werkstatt, ihrem Gründer Christian Tedeschi oder der Adresse, fragt man sich, ob man sich nicht auf einen anderen Planeten begibt. Und in der Tat könnte das so sein. An den Ort zu kommen, ist einfach. Aber zu erfahren, was dort passiert, weniger. Die Schweiz ist, genau wie ihr Bankensystem, ziemlich geheimnisvoll. Das gilt auch für die meisten Werkstätten, Auto Klassiker macht da keine Ausnahme. Bei der Ankunft kann ein Blick durch einige Fenster einen kleinen Einblick in das Geschehen geben, mehr aber auch nicht. Erst wenn man die Eingangstür passiert hat, merkt man, dass man gerade diese fremde Welt erreicht hat.

Christian Tedeschi ist der Gründer und Besitzer dieses besonderen Mikrokosmos. Ein Selfmade-Enthusiast, der seine Leidenschaft für die Autos zum Beruf gemacht hat. In seinem Reich kümmert er sich um einige der schönsten und seltensten Exemplare, die man sich nur vorstellen kann. Heute sind wir von einer Fülle hochwertiger Klassiker umgeben, und es gibt nur zwei Worte, die die Vielfalt der ausgestellten Fahrzeuge und deren Verarbeitung beschreiben können: Qualität und Können. Diese Worte durchdringen alles bei Auto Klassiker und verleihen dem Ort eine ganz besondere Aura. Aber schauen wir uns das einmal genauer an. 

Christian würde ich als freundlichen Schweizer bezeichnen. Aber vielleicht bin ich etwas voreingenommen, da ich ihn seit über zehn Jahren kenne. Zweifellos ist er eine exzentrische Figur in der klassischen Szene, der mit stolzen und unverwechselbaren Farben, jenen der Schweiz, durch Europa fährt. Wenn Sie ein Auto mit Aufklebern Schweizer Kühe sehen oder ein Fondue im hinteren Teil einer Rennstreckenbox riechen, dann ist er das. Nehmen Sie sich ein wenig Zeit, um vorbeizuschauen, so wie ich es vor langer Zeit getan habe, und er wird seine Worte, Geschichten und seine Leidenschaft für die Autos auf einzigartige Weise mit Ihnen teilen. 

Auto Klassiker begann 1989, als Christian seine Kindheitspassion in einen Job umwandelte. Schon seit Vater begeisterte sich für Autos, Motorräder und alles sonstige mit einem Motor. Als Vierjähriger nahm Christian, auf den Knien des Vaters hockend, an seiner ersten Rallye teil. Rund um den Neuenburger See (Lac de Neuchâtel), in einem Martini, gebaut in Saint-Blaise, dem Ort, aus dem auch Christian stammt. Das war vermutlich die Initialzündung, doch erinnert sich Tedeschi noch an andere Einflüsse. Wie André Wicky, wie er mit seinem Porsche beim Marchairuz Bergrennen den Berg hochstürmt oder an den ersten Tamiya-Modellbausatz, den er 1973 im Alter von 14 Jahren kaufte, ein McLaren M8. Rund 40 Jahre später sollte er einen McLaren M1 in ganz Europa bei Rennen einsetzen, um diese jungen Tage wieder in Erinnerung zu rufen. 

Mit zunehmender Leidenschaft erwarb er die erforderlichen Fähigkeiten, um eine Werkstatt in Vollzeit zu führen. Christians erstes Projekt war ein BMW 2002 Tii, den er mit defektem Motor kaufte und neben seiner Ausbildung in der Gastronomie und seinem Leben als Skilehrer selbst wieder instand setzte. Das Budget war klein, aber das machte er durch seinen Enthusiasmus wieder wett. Ihm schien es immer darum zu gehen, etwas zu lernen  seine Talente waren nicht angeboren, sondern wurden im Laufe seines Lebens erworben. Bis heute beschäftigt sich Christian mit den neuesten Trends, sei es bei Motoren, Fahrwerken, Beschichtungen oder was auch immer sonst sein Interesse weckt. Letztendlich ist es egal, wofür es ist, solange die Arbeit in seiner Werkstatt dadurch verbessert werden kann.

Mit einem vierköpfigen Team, zu dem auch Sohn Michael gehört, gibt es keine Grenzen für die Autos, die Sie hier finden werden. Das Spektrum reicht von der Vorkriegszeit bis zu den frühen 1990ern. Es ist nicht nur eine Werkstatt, sondern eher eine offene Enzyklopädie, da jeder Fall ein anderer ist. Ob Feintuning, Detailarbeit oder Projekte von A bis Z  die hier eingesetzten Fähigkeiten sind erstaunlich und vermitteln den Eindruck, dass bei Auto Klassiker nichts unmöglich ist.

Christian, wir sehen hier eine große Vielfalt an Techniken und Fertigkeiten. Können Sie uns mehr darüber erzählen? 

Nun, für mich sind alle Autos interessant, von der Vorkriegszeit bis zu den neuesten Modellen. Der Evolution und den technischen Aspekten der Autos gilt unser Hauptinteresse. Unsere Spezialität ist die Beherrschung jeder Technik und die Fähigkeit, alles zu entwickeln und herzustellen, was wir brauchen, damit wir die Autos wieder auf die Straße bringen können. Daran habe ich gearbeitet, seit ich das Unternehmen 1989 gegründet habe. Wir haben den historischen Aspekt beibehalten, aber dafür gesorgt, dass die Autos aller Epochen und Altersgruppen durch die Anwendung moderner Fähigkeiten und Technologien bequem und sicher auf der Straße fahren können. Wenn es um die Bearbeitungen und Beschichtungen oder das Verständnis für die Besonderheiten von Dämpfern, Motoren und Getrieben geht, genießen die Materialien und die Qualität oberste Priorität. All das verbessert das Produkt und führt zu einer besseren Fahrbarkeit, sei es auf der öffentliche Straße oder der Rennstrecke: Das ist unser Hauptanliegen, wenn ein Kunde bei uns vorbeikommt.

Sie sagen also, dass es darum geht, etwas zu lernen und das Gelernte in die Arbeit einfließen zu lassen?

So ungefähr, ja. Als ich anfing, waren wir nur zu Zweit  ich und ein anderer Kollege in Lausanne. Ich nahm die Arbeit auf mich, ein komplettes Set von Fähigkeiten zu erlernen und diese Kunden anzubieten. Es lohnt sich, alles zu lernen, und die Dinge, die mich interessieren, sind die, die ich noch nicht gemacht habe. Diese Herausforderung ist wie eine Droge. Ich habe viel gelesen, viel gelernt, an Seminaren und Workshops teilgenommen. Ich bin gereist, um Spezialisten zu treffen, ich habe an der Fräsmaschine gearbeitet, ich habe selbst Gussteile hergestellt, um mein Verständnis zu verbessern, und alles, was Sie heute sehen, ist das Ergebnis dieser Suche, jeden Tag etwas Neues zu lernen.

Aber es geht auch um die Autos, egal ob es sich um Straßen- oder Rennwagen handelt. Sie wurden nicht hergestellt, um so lange zu halten oder so behandelt zu werden wie unsere heutigen Modelle. Da kommt das Wissen ins Spiel, die Autos auf die gleiche Art zu restaurieren, wie sie damals gebaut wurden. Um sie wieder ans Laufen zu bringen oder in manchen Fällen sogar von den Toten auferstehen zu lassen. Es sind diese Fähigkeiten, die es unserer Branche ermöglicht, weiterzumachen. Die Geschichte ist ein wichtiger Teil der Arbeit und etwas, das ich hoffentlich an die nächste Generation weitergeben kann, wobei mein Sohn schon heute das leuchtende Beispiel dafür ist.

Was Sie gerade erklärt haben, spiegelt sich auch in der Bandbreite an Autos und der Länge mancher Projekte wider. Wir sehen auch, dass Sie ein Faible für Wettbewerbsfahrzeuge wie den BMW, den Leyton House F3000, die Austin Healey und später die Porsche haben, die hier stehen. Ist das ein lebendes Labor für Sie? 

Interessant, dass Sie das bemerkt haben! In gewisser Weise kann man es sich wie ein Labor vorstellen, obwohl Geschichte nicht umgeschrieben werden darf. Der F3000 ist eine gute Möglichkeit, sich mit dem historischen Motorsport zu beschäftigen. Viele kennen mich durch meine Arbeit an dem von Harald Grohs gefahrenen BMW 320 Gruppe 5 in Jägermeister-Farben, den ich besitze. Genau das Auto, das Sie auf den historischen Bildern des DRM-Rennens von 1977 auf dem Nürburgring fliegen sehen! Es war eine Menge Arbeit, das Auto in den Zustand von 1977 zurückzuversetzen. Man darf nicht vergessen, dass die Autos nicht mit Blick auf die heutigen historischen Rennen entwickelt wurden, und es hat auch enorm viel Zeit gekostet, all die Details zu finden, die für dieses Auto typisch waren.

Der Formel 3000 war ein Schritt weiter, ich dachte, ich sei klug genug geworden, um mich jetzt an solch ein Biest zu wagen. Ich bin über 60, also vielleicht weiser, was das Fahren angeht, aber vor allem spielt dieses Projekt in einer anderen Liga, was das Design und die Konstruktion sowie den Motor und die Elektronik angeht. Dennoch haben wir geschafft, was viele aus Zweifel an der Zuverlässigkeit für unmöglich hielten. Wir fahren das Auto sogar mit dem damals eingesetzten Steuergerät (ECU). Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie wir arbeiten wollen. Warum sollte man etwas anders machen, wenn man mit Zeit und Geduld das Spielzeug wieder so zum Laufen bringen kann, wie es war? Es war alles andere als einfach, aber als Labor- und Lernübung haben wir es getan.

Ganz allgemein versuchen wir, jedes Auto zu erhalten, das hierher kommt, sei es für den Wettbewerb oder für die Straße. Wenn Sie heute ein Auto restaurieren und das optimale Fahrverhalten erzielen wollen, könnten Sie einen unerreichbaren Satz Dämpfer kaufen, um es besser zu machen. Aber warum nehmen Sie nicht die alten Dämpfer und lassen sie so einstellen, wie sie sein sollten? Wie wir gelernt haben, erfüllt das die gleiche Aufgabe, nur besser. Letztendlich ist es immer Dasselbe. Das Ergebnis ist immer das, was man draus macht, oder? 

Man merkt, dass Sie eine Leidenschaft für Italien haben. Das Essen ist eine Sache, aber die Maserati A6G Frua, von denen Sie zwei in der Werkstatt haben, interessieren uns sehr. Bitte erzählen Sie uns mehr über die beiden. 

Nun, den ersten haben wir vor Jahren für einen Kunden restauriert, und der zweite kam aus Norwegen, ursprünglich ein amerikanisches Auto, das sich in einem ziemlich schlechten Zustand befand. Wir hatten das Glück, dass das Auto komplett war und wir den Vorgänger noch zur Verfügung hatten, um die Arbeit zu vollenden. Nichts ist hier einfach, und es sind unzählige Stunden nötig, um auch nur Einzelteile fertigzustellen.

Das Armaturenbrett ist ein gutes Beispiel, ebenso wie die Türverkleidungen, da es nichts anderes gibt als das andere Modell, das als Referenz dient. Alles muss kopiert, angefertigt, angepasst, verändert werden und so weiter. Die Tage sind lang, aber auf der anderen Seite ist es wie bei der Restaurierung eines Kunstwerks: Die Aussicht, es nach der Fertigstellung betrachten zu können, hält das Projekt am Laufen.

Ein weiteres Beispiel ist der 250 Berlinetta. Das Auto steht schon längere Zeit hier. Es ging darum, das richtige Auto zu finden, um es vergleichen zu können und Unterschiede herauszufinden. Um, bevor wir mit der Arbeit begannen, zu erfahren, was mit dem Auto passiert war und so sicherzustellen, dass wir jedes Detail richtig verstanden haben. Wir haben über die Geschichte gesprochen, aber jedes Projekt hat seine eigene, es braucht Zeit und Hingabe.

Zeit und Hingabe, das ist interessant. Wie wir sehen, haben Sie auch ein anderes umfangreiches Projekt, nämlich eine Miniatur-Eisenbahnanlage im Hintergrund der Werkstatt...

Ja, Modelleisenbahnen sind eine meiner Leidenschaften, und wie bei den Autos ist sie extrem geworden. Der Detailreichtum und die Aufmerksamkeit, die ich dieser Art von Projekten widme, ist ebenfalls enorm. Hier sehen wir eine kleine Zusammenfassung aller Arten von Zügen, die man in der ganzen Schweiz finden kann. Das ist noch work in progress, aber ein Hobby, das ich nach der Arbeit pflege, mein eigener geheimer Garten, damit meine Hände schmutzig bleiben.

Schmutzige Hände... also werden Sie Ihre Handschuhe in nächster Zeit nicht an den Nagel hängen, oder?

Das glaube ich nicht. Mein Sohn Michael lernt und macht hier einen fantastischen Job. Das Lernen von Grund auf und die Arbeiten, die er geleistet hat, seit er vor ein paar Jahren zu uns kam, sind beeindruckend. Aber es gibt immer noch Dinge, die ich gern tun möchte, und dann ist da noch der Rennsport. Die Projekte laufen weiter, wir haben zum Beispiel einen Lotus Elan in 26R-Spezifikation gebaut und einige sehr gute Ergebnisse in Bezug auf die Leistung erzielt, indem wir den 16V-Doppelnockenwellenmotor auf der Grundlage von Originalgussteilen montiert haben. Es ist ein sehr leichtes Auto worden. Leichter als alles, was es sonst noch gibt, und erfüllt trotzdem alle Vorschriften. Colin Chapman wäre stolz gewesen.

Und da sind die Straßenfahrzeuge, die Betreuung derjenigen, die wir bereits fertiggestellt haben, oder derjenigen, an denen noch gearbeitet wird. Es ist eine unendliche Geschichte, und  Stand heute  werde ich meine Handschuhe nicht an den Nagel hängen. Ich möchte, dass die neue Generation übernimmt, aber ich habe mich noch nicht entschieden, wann ich aufhöre.

Wenn Sie über die historische Szene sprechen, nicht nur über den Motorsport, was denken Sie über die Zukunft?

Sie ist in den letzten 10 Jahren enorm gewachsen. Es herrscht derzeit ein allgemeiner Hype in der Branche, aber wir dürfen nicht vergessen, dass es sich um Geschichte handelt, und die muss respektiert und darf nicht umgeschrieben werden. Die Autos sind, was sie sind, lassen Sie uns das Beste aus ihnen herausholen, aber mit Respekt. Lasst uns keine Einhörner schaffen.

Text von Louis Quiniou. Fotos von Rémi Dargegen für Classic Driver © 2022