Beim Besuch des immer wieder beeindruckenden Petersen Automotive Museums wird man garantiert Autos entdecken, die man noch nie zuvor gesehen hat. Inmitten von Hunderten skurriler und wundervoller Prototypen, unverkennbarer Filmikonen und einmaliger Sonderanfertigungen stößt man in der neuen Sonderausstellung ‘Totally Awesome!’ auf einen Mercedes-Benz 300GD, der die Attribute Opulenz und doppelte Persönlichkeit wahrlich neu definiert.
Die gerade im ersten Stock des Museums eröffnete Ausstellung erforscht die Schnittstelle zwischen Automobilen und Popkultur in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Einer Zeit, in der die Ausgaben von Auto-Kunden aus dem Nahen Osten ein Allzeithoch erreichten und zugleich in Europa das Tuninggeschäft exponentiell boomte. Wer sich von einem serienmäßigen Modell abheben wollte, konnte bei Tuning-Betrieben in ganz Deutschland und teils darüber hinaus auf Bestellformulare mit ausgefallenen Individualisierungen zurückgreifen – im Fall eine Mercedes-Benz darauf ausgelegt, teils millionenschwere Freunde und Rivalen zu übertrumpfen.
Lange bevor Mercedes-AMG zu der Marke wurde, die wir heute kennen und schätzen, machte sich das Tuning-Unternehmen Anfang der 1980er- Jahre einen Namen. Aufbauend auf dem Erfolg der „Roten Sau“, einem 300 SEL 6.3, der 1971 mit einem auf 6,8 Liter aufgebohrten V8 bei den 24 Stunden von Spa Platz zwei belegte. Nun erhielten sie in Affalterbach erste Bestellungen für ein Tuning des braven 300 GD. Der Wunsch der ultrareichen Kunden war es, die imposante Erscheinung des G-Modells mit dem diplomatischen Charme der damals erhältlichen Mercedes-S-Klasse zu kombinieren.
Das Ergebnis war genau so, wie man es sich aus der Sicht dieser Klientel vorstellte: ein frühes G-Modell mit kurzem Radstand und militärischen Designwurzeln, aber mit dem breiten Kühlergrill und den Scheinwerfern einer S-Klasse der W116-Generation. AMG gab sich mit diesem einschneidenden Facelift aber nicht zufrieden, sondern verbaute zusätzlich orthopädische Recaro-Sportsitze, Mehrspeichen-Leichtmetallfelgen und einzigartige Grafiken, die erst bei einer kürzlichen Restaurierung wiederentdeckt wurden. Anders als die AMG, die wir heute sehen und die vor lauter Kraft kaum laufen können, scheint der Reihenfünfzylinder-Diesel dieses 300GD unberührt geblieben zu sein!
Die Story hinter dieser Rarität war von Anfang an beeindruckend und gleichwohl etwas geheimnisumwittert. Es war die Tennislegende Ivan Lendl, die dieses Exemplar 1984 neu kaufte. Zu einer Zeit, als sein Sport seine goldene Ära erlebte. Der damals 24-jährige Tscheche brachte frische Ideen auf den Platz und dazu hochkarätige Sponsorenverträge. Die Geschichte dieses 300GD war lange von Gerüchten umgeben, bis Lendl sich mit The Patina Collective traf, um zu erzählen, wie er in den Besitz des Wagens kam. Während viele glaubten, er stamme von einem reichen Scheich oder sei ein Preis bei einem Turnier im Nahen Osten gewesen, erklärte Lendl, dass eine flüchtige Begegnung im Umfeld eines Turniers in Stuttgart den Ball ins Rollen brachte.
Während einer Turnier-Pause lud Mercedes-Benz, damaliger Sponsor des Cups, Lendl zu einem Werksbesuch ein, wo er zum ersten Mal ein G-Modell sah, noch mit den originalen Rundscheinwerfern. Lendl fragte die gastgebenden Mercedes-Manager lediglich, ob es möglich sei, dem 300GD die Frontpartie der S-Klasse zu verleihen. Ein kurzes Nicken genügte, um das Auto ohne große Umschweife nach Affalterbach zu schicken. Wo man dann etwas schuf, was die Welt noch nie zuvor gesehen hatte. Lendl widerlegte also den Mythos, das Auto habe Verbindungen zum Nahen Osten, zumal er nur ein- oder zweimal in Dubai Tennis gespielt habe. Dies macht dieses Exemplar noch seltener, da die meisten maßgeschneiderten AMG seinerzeit von der wohlhabenden Elite der Golfstaaten bestellt wurden.
Das Auto ist nun stolzer Teil der in Florida ansässigen The Patina Collective, die selbsternannte weltweit größte Sammlung individualisierter Mercedes-Benz-Fahrzeuge. Derzeit befindet es sich in edler Gesellschaft im Petersen Museum, wo einige der spektakulärsten Fahrzeuge aus den Jahren 1980 bis 1999 ausgestellt sind – von visionären Concept Cars bis zu ikonischen Serienmodellen, von legendären Rennwagen bis zu One-off-Entwürfen. Und das alles vor dem Hintergrund der Mode, Medien und Musik, die eine wahrhaft unvergessliche Ära prägten.
Fotos von Petersen Automotive Museum