Im Jahr 1991, als dieser Wagen von seinem ersten Besitzer gekauft und zugelassen wurde, war der Jaguar XJ-S bereits 16 Jahre alt. Das Serienmodell basierte noch lose auf der Architektur seines Vorgängers E-Type und hatte – gelinde gesagt – Mühe, mit den deutschen Konkurrenten von Mercedes-Benz und BMW zu konkurrieren. Sein V12-Motor war durstig und es fehlte ihm an Power, der Innenraum war so kompromissbeladen, dass man weder jemanden noch irgendetwas vernünftig in die Kabine packen konnte. Und die Lucas-Elektrik war berühmt für ihre Kapriolen...
Auch wenn sich der Gran Turismo aus good old England gut fahren ließ, weil er über ein ausgeklügeltes Fahrwerk verfügte und die britische Presse seinen „Charakter“ in den höchsten Tönen lobte, war der XJ-S in Wahrheit Jaguars schlecht gebauter Abgesang auf eine Ära des schlechten Managements von British Leyland. Ein Auto, das nur von nostalgischen Briten und weißhaarigen Kaliforniern gekauft wurde, die es sich leisten konnten, die gigantischen Rechnungen an den Zapfsäulen mitten in einer Energiekrise zu bezahlen.
Heute ist der Jaguar XJ-S zu einem stilvollen und begehrten Klassiker gereift. Doch noch bevor Ford auf den Plan trat und Jaguar 1999 zusammen mit Land Rover und Aston Martin unter dem Dach der Premier Automotive Group (kurz PAG) zusammenfasste, versuchten ein paar hoffnungslose und in die Marke verliebte Romantiker, den XJ-S zu verbessern. Indem sie den Motor mit Blick auf mehr Leistung tunten (die Werksangaben für den 3,6-Liter-Reihensechszylinder und des 5,3-Liter-V12 waren nahezu identisch), die Elektrik pannensicherer machten und die Karosserie zugunsten einer besseren Raumausnutzung umformten. Einige dieser Umbauten gelten heute als kultig, wie zum Beispiel die von Firmen wie TWR (Jaguar Sport) oder Lynx, andere als eher komisch, wie der Koenig XJS. Das Jaguar AJ6 2+2 Coupé, entstanden bei Arden Automobilbau in Krefeld, muss jedoch als der beste Umbau gelten.
Denn im Grunde genommen wurde der als Basis dienende Jaguar XJ-S nicht einfach nur etwas getunt und modifiziert, sondern komplett neu aufgebaut. Schließlich erhielt das 1972 von Jochen Arden ursprünglich in Kleve gegründete Unternehmen 1985 vom Kraftfahrtbundesamt den Status eines offiziellen Automobilherstellers verliehen. Und wenn jemand den Pragmatismus haben konnte, ein „unantastbares“ britisches Auto zu verbessern, dann war es ein Deutscher.
Es ist unnötig zu erwähnen, dass Jochen Arden wusste, was er tat. Er war nicht nur ein Mann mit einer großen Leidenschaft für den Rennsport, sondern gleichzeitig auch Jaguar-Händler und -Restaurator. Was im Klartext bedeutete, dass er jede Schraube und Mutter an den Autos – alten und neuen – besser kannte als jeder andere. Die Folge war, dass der AJ6 2+2 nur aus der Ferne wie ein „normaler“ XJ-S aussieht. Denn alles Sichtbare hatte der niederrheinische Veredler auf subtile Weise verbessert. Allen voran den hinteren Bereich der Karosserie.
Der AJ-6 erhielt eine überarbeitete Dachgeometrie, die ihm nicht nur „elegantere und schwungvollere Linien verleiht“, wie es in der zeitgenössischen Broschüre heißt, sondern auch die größten Probleme des Originals beseitigte. Zum einen verbesserte Arden dank einer neuen Heckscheibe und ebenfalls neue Seitenscheiben die durch die breite C-Säule eingeschränkte Sicht nach hinten. Und andererseits, was noch wichtiger ist, auch die Kopffreiheit im Innenraum. Endlich konnte ein ausgewachsener Mensch im Fond eines Jaguar XJ-S unverkrampft Platz nehmen. Die elegante und aerodynamische Form der Außenspiegel reduzierte zudem die Windgeräusche, und obwohl die Kofferraumklappe des Arden Coupés verkürzt wurde, blieb der Gepäck- und Stauraum des Originals erhalten. Das Modell ist darüber hinaus mit Doppelscheinwerfern ausgestattet, die den Breitbandscheinwerfern weit überlegen sind.
Beim Motor handelt es sich um eine leistungsgesteigerte Version des 6,0-Liter-Motors aus dem XJ-S, der nun 300 PS und ein maximales Drehmoment von 490 Nm an die Hinterachse schickt. Um den V12 für hohe Autobahn-Geschwindigkeiten standfest zu machen, wurden Kühlung und Motorsteuerung optimiert sowie die Bremsanlage verstärkt. Der Wagen verfügt über einen Katalysator, doch Ardens Vierrohr-Auspuffanlage entwickelt nicht nur einen sonoren Sound, sondern steigert auch die Leistung um weitere 16 PS.
Das Arden AJ6 2+2 Coupé ist außerdem mit einer 4-Gang-Automatik von ZF ausgestattet – doch das ist noch nicht alles an Optionen. Es gibt noch zweiteilige OZ-Felgen mit Arden-Logo, das komplett schwarze Exterieur, das Arden-eigene Aerodynamikpaket und ein optionales Schiebedach. Der Innenraum ist mit beigem Leder und der „Standard“-Holzvertäfelung des XJ-S ausgestattet, verfügt aber über ein dickeres und mit dem gleichen Leder wie die Sitze bezogenes Sportlenkrad. Die Vordersitze sind elektrisch verstell- und beheizbar.
Letztlich beweist dies nur, dass es sich bei diesem Auto um einen echten Restomod der Epoche handelt, und zwar einen der ersten seiner Art. Eine massive, kundenfreundliche und kundenorientierte Verbesserung mit Technologien und Fertigkeiten, die damals im Werk Coventry nicht verfügbar waren, dafür aber bei Arden in Krefeld. Noch wichtiger: Der AJ6 ist im Gegensatz zum originalen Jaguar XJ-S, auf dem er basiert, ein Auto, das seinen Worten Taten folgen lässt. Ein GT-Sportwagen, der selbst im Stand schnell und bedrohlich aussieht, der aber zugleich auch keine Kompromisse bei Komfort und Raffinesse eingeht. Wenn Sie ihn über den Classic Driver Markt kaufen, stellen Sie einfach sicher, dass Sie eine Wassermelone anstelle eines Kopfes verwenden, wenn Sie die berühmte Big Chris-Szene aus der Guy Ritchie-Gaunergroteske „Lock, Stock and Two Smoking Barrels“ von 1998 (deutscher Titel: „Bube, Dame, König, grAS“) nachspielen.
Photos by Błażej Żuławski