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Der Fotograf, der sich das Vertrauen von Ferrari verdiente

Seit 33 Jahren produziert Günther Raupp den offiziellen Ferrari-Kalender. Über die Jahre entwickelte er eine unverwechselbare Bildsprache und erhielt Zugang zu den exklusivsten Ferrari-Sammlungen der Welt. Classic Driver wollte mehr über seine Erfolgsformel wissen…

Der junge Günther Raupp studierte Malerei und Kunstgeschichte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und sorgte schon als 25jähriger mit einem audiovisuellen Projekt über Venedig in der Staatsgalerie Stuttgart für Aufsehen.1981 erfüllte sich der heute 64-Jährige Schwabe aus Murr den Traum eines Dino 246 Spider und produzierte auf eigene Initiative seinen ersten Ferrari-Kalender. Enzo Ferrari war von der ersten Ausgabe beeindruckt – sein Dankesschreiben für das zugesandte Belegexemplar steht noch heute als Faksimile auf der Website von Raupp Design. Der seit 33 Jahren produzierte Ferrari-Wandkalender hat längst Kult-Status erreicht, speziell, nachdem er vor 17 Jahren in den Rang des offiziellen Ferrari-Kalenders erhoben wurde. Für viele Ferraristi ist er längst ein Sammlerstück. Denn aus dem gigantischen Fundus aus tausenden von Fotos und hunderten Ferrari-Büchern gelingt es, Raupps Bilder herauszufiltern. Hat er seine Bildsprache doch immer weiter evolutioniert und damit unverwechselbar gemacht. Bei Raupp posieren die Autos in den Gartenanlagen der Villa d’Este, vor alten, manchmal morbiden oder surrealen Herrschaftshäusern oder hypermodernen Bauten wie dem Ferrari-Entwicklungszentrum. Rennwagen lauern bevorzugt in der Boxenstraße einer Rennstrecke – Absperrgitter und Betonbarrieren geben ihnen die Aura von Raubtieren im Käfig. In allen Fällen scheint der Ferrari geradezu aus dem Bild zu drängen, obwohl er ganz gelassen dasteht. Raupp: „So wird eine sehr direkte Form der Begegnung und Wahrnehmung beim Betrachter hervorgerufen.“

Warum stehen die Autos nur und sind nicht in Aktion? Warum gibt es keine Menschen in diesen Stillleben?
Menschen würden die Spannung nur wie ein Blitzableiter ableiten. Und die Autos müssen nicht fahren. Es geht um ein Maximum an Zudringlichkeit in der Bilddarstellung. Es kann jeden Moment etwas Galaktisches passieren. Die Bilder sind in keiner Weise cool.

Es herrscht meistens eine Art High-Noon-Stimmung, die Sonne knallt vom Himmel, oft wenden Sie sogar Gegenlichtaufnahmen an. Was bezwecken Sie mit dieser Dramaturgie?

Ich arbeite mit scharfen Kontrasten und Schlagschatten, aber keinerlei Unschärfen. Das Setting ähnelt der bedrohlichen Situation kurz vor Ausbruch eines starken Gewitters: das starke Fahrzeug im Auge des Taifuns. Die Autos stehen bildzentriert und dominieren das Geschehen, sie scheinen regelrecht in Schönheit zu erstarren. Sie werden angeblitzt, die Nachbearbeitung am Computer tüncht die Asphaltflächen in grelles Weiß. Was das Ferrari-Rot oder auch jede andere Karosseriefarbe umso intensiver vom blassen Umfeld absetzt.

Auch sonst wirkt die Umgebung verfremdet – mit voller Absicht?

Nun, die Fotografie bewegt sich immer weiter weg vom realen hin zum visionären Bild. Nicht was wir sehen, macht das Bild, sondern unsere Vorstellungen prägen es. Wie in Musik-Videos wird die Fotokunst vom Sklaventum der Abbildlichkeit befreit.

Ferrari stellt Ihnen die für jeweils sechs Monatsblätter die Serienwagen, doch welche publikumsscheuen Sammler öffnen Ihnen für die weiteren sechs Kalenderblätter ihre Klassiker-Garagen?

Sehr wichtig war für mich Pierre Bardinon, 2012 gestorbener Doyen unter den Ferrari-Sammlern. 1985 war ich zum ersten Mal bei ihm, habe ihm meinen gerade publizierten ersten Kalender gezeigt. Er blätterte ihn durch und fragte dann: ‚Und welchen Ferrari aus meiner Sammlung möchten Sie nun als Ersten fotografieren?’ Aus jüngerer Zeit möchte ich nennen Peter Kalikow, Jon Shirley (Vorstand von Microsoft) und Bob Drusek aus Philadelphia, der eine Anzahl von Bardinons Autos gekauft hat, ihn selbst aber nie zu Gesicht bekam. Dazu Ralph Lauren und aus Europa die Familie Stieger aus St. Gallen in der Schweiz.

Warum haben Sie angefangen, Autos zu fotografieren und was war das erste, das Ihnen vors Objektiv kam?

Seit frühester Jungendzeit waren Autos meine absolute Leidenschaft. Der allererste Auftrag war der Fiat Argenta, Nachfolger des Fiat 132 und letzter Fiat mit Hinterradantrieb. Ein grausames Auto. Mein erstes privates Fotoobjekt war mit 18 mein erstes eigenes Auto: ein DKW 3=6. 

Beschreiben Sie ein unvergessliches Shooting?

Die zum Ende der analogen Fotografie-Ära an einem Ferrari F40 aufgehängte Trilogie „Feuer-Wasser-Luft“. Hier durfte ein Ferrari für einmal Feuer speien, rasen und sich zumindest für einen Augenblick der Erdanziehungskraft entziehen. Auf einem dieser kleinen asphaltierten Landwege meiner Gegend ließen wir den F40 an einer Kuppe mit 80 km/h direkt in eine Infrarot-Schranke springen. Für die Feuernummer verpflichteten wir einen Special Effect Menschen vom Film, der an der Unterseite des V8 eine Feuermaschine einbaute. Dazu wurde das ganze Heck mit rotem Asbest verkleidet. Bei der dritten Nummer konstruierte ich ein Wasserbecken mit einem weichen Rand, über den das Auto ebenfalls mit rund 80 km/h fuhr, ohne sich den Unterboden zu beschädigen. Dabei wurde das aufspritzende Wasser angeblitzt.

Unvergesslich war auch das im Auftrag der Tourismusagenturen der Gardasee-Anrainer durchgeführte Foto-Shooting an der malerischen Punta di San Vigilio – mit zwölf „Miss del Garda“ als Models. Ein Traumjob für einen Auto-Fotografen!

Auf welches Stück Ausrüstung in Ihrer Kameratasche können Sie am wenigsten verzichten?

Ich möchte das nicht an einem bestimmten Teil festmachen. Wichtig ist, dass man die drei Elemente Standpunkt, Zeit und Ausschnitt befolgt, nur sie garantieren ein gutes Bild. Meine Objektive sind kurzbrennweitig, bei der Hasselblad 35 mm. Die Hasselblad ist der Ferrari unter den Kameras. Wir reden da von Aufnahmesensoren mit mindestens 50 Millionen Pixel. 

Mit welcher Bildbearbeitungssoftware arbeiten Sie?

Photoshop und Lightroom.

Beschreiben Sie uns Ihr Traumshooting?

Immer das Nächste. 

Wo könnte ein Ferrari Kalender in zehn Jahren sein, von der Bildsprache?

Ich denke, dass sich die Hintergründe weiterentwickeln werden. Schon heute tauchen auf manchen meiner Fotos profane und sogar hässliche Gegenstände auf. Wie eine dieser italienischen Fernsehantennen auf dem Haus von Enzo Ferrari in Fiorano – die habe ich nicht wegretuschiert, sondern sogar noch etwas vergrößert. Bei einem Shooting in der Kundensportabteilung stand im Hintergrund ein vergammeltes Mitarbeiterfahrrad, aber mit Ferrari-Aufkleber. Auch das blieb am Ende im Bild, und löste viel Schmunzeln aus. Es wird darüber hinaus aber eine große Evolution geben: eine digitale Ferrari-Kalender App. Nur für Smartphones und Tablets. Da kommen dann neue Medien wie Filme dazu. Der Ferrari-Kalender wird also multimedial.

Worin besteht für Sie selbst der Mythos Ferrari?

Faszinierendes italienisches Design, Rennsport bereits in den Genen angelegt. Die Lust am Extremen, die Freude an der Suche und am Willen, über sich selbst hinauszugehen, ohne sich jemals mit dem Erreichten zufrieden zu geben.

Wird es nicht langsam langweilig, immer nur Ferrari zu fotografieren?

Dem ist ja nicht so. Von A wie Audi bis V wie Volkswagen und Volvo habe ich schon alles durch. Ende der 80er habe ich einmal eine ganze Woche lang in Detroit für Ford Concept Cars fotografiert, danach auch in den USA die Einführung der GM-Marke Saturn fotografisch begleitet. Über 500 Prospektseiten für Porsche, unter anderem für den Panamera, stammen ebenfalls von mir. Doch Ferrari ist und bleibt etwas ganz Besonderes, diese Leidenschaft erlischt nie. 

Photos: Günther Raupp © 2017

Sie können mehr über die Arbeit von Günther Raupp auf seiner Website und seiner Facebook-Seite erfahren. Den Ferrari Ihrer Träume finden Sie derweil im Classic Driver Markt.