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Dieser Le Mans-Sieger Porsche 917 kam, sah, siegte – und verschwand

Während eines Besuchs in Porsches streng behütetem Raritätenkabinett erhielt Rémi Dargegen die Chance, den Sieger der 24 Stunden von Le Mans 1971 in allen Details abzulichten. Warum dieser 917 K seit seinem Sieg keinen Meter mehr zurücklegte, erzählt diese Geschichte...

Ein Rennen der Rekorde

Le Mans 1971 war ein Rennen der Rekorde. Am Steuer von Porsche 917-053, dem letzten und in den Farben des werksunterstützten Martini Racing Teams lackierten Coupé, legten Gijs van Lennep und Helmut Marko 5.335,3 Kilometer zurück, was einem Schnitt von 222,3 km/h über die 24 Stunden entsprach. Dieser Rekord wurde - bedingt durch die neuen Schikanen auf der Hunaudières-Geraden - erst 39 Jahre später übertroffen. Ziemlich beeindruckend für ein Auto, das bei seinem Debüt 1969 selbst von den Spitzenpiloten als unfahrbar bezeichnet wurde.  

Bis auf die weggeflogene Abdeckung der linken Scheinwerfer und Rissbildungen in den vorderen Bremsscheiben in der Schlussphase hatten der Holländer und der Österreicher ein weitgehend problemfreies Rennen. Das hatten sie unter anderem ihrem schonenden Umgang mit der Mechanik und ihrer uhrengleichen Regelmäßigkeit zu verdanken. Pedro Rodriguez, zusammen mit Jackie Oliver auf einem Gulf-917 Langheck des Wyer-Teams am Start, gelobte zunächst auch Zurückhaltung - Le Mans sei schließlich ein Langstrecken-Test und kein Grand Prix. Nach dem Start gab der feurige Mexikaner jedoch seine guten Vorsätze auf und kannte nach Fallen der Trikolore nur eine Gaspedalstellung: Flat-out! Mit der Folge, dass um Mitternacht eine Ölleitung zum Zwölfzylinder brach. Nach dem Ausfall weiterer Favoriten fand sich die Nummer 22 ab der 13. Stunde an der Spitze. Gefahr drohte nur noch vom zweiten noch im Rennen befindlichen 917 – dem Gulf-Kurzheck mit Herbert Müller/Richard Attwood, der wegen einer Getriebereparatur 40 Minuten an der Box verloren hatte. 

Magnesium brannte wie eine Wunderkerze

Am Ende gewannen Marko/van Lennep mit zwei Runden Vorsprung. In einem Wagen, der nicht nur aufgrund seines Rekordschnitts bis heute eine Besonderheit ist. Denn Chassis 917-053 ist der einzige 917 mit einem Rohrrahmen aus Magnesium statt Aluminium. Ein Leichtmetall, nochmals um ein Drittel leichter als Aluminium, das aber schon bei niedrigen Temperaturen Feuer fängt. Und zwar so intensiv, dass es dann kaum noch zu löschen ist. Zumal der Rahmen auch noch mit Gas gefüllt war. Brian Redman erinnerte sich: „Immer, wenn die Druckanzeige im Cockpit fiel, prüften die Mechaniker mit einem Feuerzeug alle Verbindungen, um einem möglichen Leck auf die Spur zu kommen.“

Nach dem Triumph sofort in Pension

Es scheint aus heutiger Sicht absoluter Wahnwitz, dass Firmenobere - in diesem Fall der damalige Porsche Entwicklungschef Ferdinand Piëch– ihre Fahrer mit einer tickenden Zeitbombe ins Rennen schicken. Und auch die Fahrer im Ungewissen ließ, denn der Rahmen war genauso schwarz lackiert wie die ansonsten identischen Alukonstruktionen der übrigen 917. Helmut Marko bestätigte später: „Wir wussten absolut nichts von Magnesium. Der Piëch sagte mir nur nach dem Rennen: ‚Ich bin ganz erstaunt, dass Ihr Auto durchgehalten hat. Es hatte nämlich einen Magnesiumrahmen.“ Aber er wäre natürlich auch gefahren, wenn er davon gewusst hätte, fügte Marko sofort hinzu.

Dass der 917-053 nach seiner triumphalen Jungfernfahrt in der Sarthe keinen Meter mehr gefahren ist, liegt am Material. Magnesium wird mit zunehmender Zeit immer steifer und könnte bei stärkerer Belastung schlicht brechen. Sogar die Bremsbeläge vom letzten Turn in Le Mans 1971 seien noch heute auf der Nummer 22, weiß Dieter Landenberger, Leiter des Porsche-Museums. Der Wagen sei danach nur noch einmal neu lackiert worden, aber keinen Meter mehr mit eigener Kraft gerollt. Es blieb also bei diesem einmaligen Einsatz, vielleicht auch deshalb, weil damals bei Porsche nur noch ein einziger Mann, ein gewisser Manfred Grahle, die Kunst des Schweißens von Magnesium beherrschte.

Am Ende keine Gegner mehr

Was kann man über den Porsche 917 noch sagen, wo doch eigentlich längst alles über diesen Giganten der Motorsportgeschichte geschrieben worden ist? Er sah in jeder seiner ikonischen Farben unwahrscheinlich gut aus, war technisch ausgereifter, aerodynamisch günstiger und leichter als der Ferrari 512 S und am Ende so gutmütig, dass er auch von weniger bekannten Fahrern gut zu beherrschen war. Porsche musste 1971 nichts mehr beweisen; der 917 beherrschte Le Mans und die Marken-WM und so zog man sich Ende 1971 aus der Langstrecken-WM zurück, zumal ab 1972 eine neue 3-Liter-Formel in Kraft trat.

Das körnige Video mit dem parkenden „053“ in der Boxengasse von Le Mans – flankiert von der berühmten „Dicken Berta“ (917/20) und dem Martini-Langheck 917-042 - steht für eine goldene Ära des Motorsports. Wie zufällig sind Tücher über die Cockpits gelegt, um sie vor Aufheizung zu schützen. Bilder aus einer romantischen wie gefährlichen Epoche, so unendlich weit entfernt vom kommerzialisierten und sterilen Motorsport der Moderne.  

Zeitmaschine Goodwood...

An diesem Wochenende können sich Besucher des 74. Goodwood Members’ Meeting für kurze Zeit noch einmal in diese Welt zurückbeamen.  Acht Porsche 917, eskortiert von einer Abordnung Ferrari 512 und Lola T70, werden in einem Gruppe-5-Showrennen den Asphalt mit dem Sound ihrer mächtigen V12- und V8-Saugmotoren erbeben lassen. Auch wenn der Ruheständler 917-053 nicht dabei sein kann, werden seine Artgenossen Porsches wohl größten Rennwagen würdig vertreten.

Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2016

Unsere ausführliche Berichterstattung vom 74th Goodwood Members' Meeting wird freundlich unterstützt von IWC Schaffhausen, dem offiziellen Zeitnehmer des Events.