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Gilles Villeneuves Ford Bronco ist der ultimative Zugwagen für ihren historischen Ferrari F1

Falls Sie einen klassischen Ferrari F1 in Ihrer Sammlung haben, können wir uns keinen besseren Zugwagen vorstellen als den Ford Bronco von Gilles Villeneuve. Jetzt können Sie dieses herausragende Stück Geschichte besitzen, denn es wird am 14. Dezember bei der Herbstauktion von Aguttes versteigert.

Es ist meistens wenig überraschend zu sehen, welche Autos an eine Marke gebundene Formel-1-Fahrer abseits der Rennstrecke benutzen. So wurde Lando Norris schon oft in einem McLaren 720S gesehen, während George Russell im Mercedes AMG GT unterwegs ist. Und wenn es um Ferrari-Fahrer geht, gibt es natürlich nur eine Wahl. Es sei denn, man ist Gilles Villeneuve, der seine Zeit am Steuer zumindest zeitweise mit seinem geliebten und robusten 1976er Ford Bronco verbrachte. Vor allem dann, wenn es ihn einmal ins Gelände zog.

Der Gedanke an einen Formel-1-Piloten in etwas anderem als in einem Elite-Supersportwagen scheint abwegig. Doch wenn man bedenkt, wie der Pilot aus Quebec mit dem Rennsport begann, ergibt das alles einen Sinn. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Formel-1-Größen begann der kanadische Heißsporn seine Karriere nicht mit Go-Karts, sondern mit Schneemobilen. Zu Beginn seiner Laufbahn verdiente sich Gilles den Großteil seiner Einkünfte auf dem Sitz eines von ihm selbst konstruierten Schneemobils; im Januar 1974 gewann er damit sogar das World Championship Snowmobile Derby in Eagle River (Wisconsin). Der Vergleich zwischen Schneemobilen und Rennautos mag zwar wie ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen erscheinen, doch Villeneuve selbst führte einen Teil seines Erfolgs auf seine ungewöhnliche Herkunft zurück: „Diese Dinger rutschten sehr viel, was mich viel über Fahrzeugkontrolle lehrte. Und die Sicht war schrecklich! Wenn man nicht in Führung lag, konnte man vor lauter Schneegestöber nichts sehen. Das war gut für das Reaktionsvermögen - und ich musste mir keine Gedanken mehr über Rennen im Regen machen.“

Solcherart gestählt, dauerte es nicht lange, bis Villeneuve den Schnee gegen den Asphalt eintauschte und seine Karriere als Rennfahrer lostrat. Den Anfang machten lokale Dragster-Rennen auf einem 67er Ford Mustang, doch schnelles Fahren auf gerader Strecke wurde dem begabten Fahrer schnell zu langweilig. Also meldete er sich bei der Jim Russell Racing School am Circuit Mont Tremblant an, um eine Rennlizenz zu erwerben. Mit der in der Tasche, war der nächste Schritt für Villeneuve die regionale Formel-Ford-Meisterschaft von Quebec. In seinem zwei Jahre alten Auto siegten er in sieben von zehn Rennen. Von diesem Erfolg angespornt, stieg er im nächsten Jahr in die Formel Atlantic auf und gewann 1975 sein erstes Rennen in dieser Serie, wobei er seine große Erfahrung mit Schneemobilen nutzte, um die Zielflagge beim sehr nassen Lauf im Gimli Motorsports Park als Erster zu sehen.

Als dieser Bronco 1976 vom Band lief, trat Villeneuve in Trois-Rivières bei einem nicht zur Meisterschaft zählenden Formel-Atlantik-Rennen zum ersten Mal gegen Formel-1-Fahrer an. Der Mann aus Berthierville ließ sich von dem Druck nicht aus der Ruhe bringen, belegte den ersten Platz und beeindruckte dabei seinen prominenten Konkurrenten James Hunt. Als direkte Folge dieses Rennens bot McLaren Villeneuve für die Formel-1-Saison 1977 einen Platz in einem dritten Auto neben Hunt und Jochen Mass an. Der Kanadier gab sein Formel-1-Debüt beim Großen Preis von Großbritannien 1977 in Silverstone, wo er sich in einem älteren McLaren M23 als Neunter qualifizierte, während Mass im neueren M26 nur von Position Elf aus startete.

In der Freizeit zwischen den Rennen nutzte Villeneuve seinen Bronco für Fahrten durch Monaco und Ausflüge in die Seealpen - wir stellen uns gerne vor, wie er lässig in Schlaghosen und mit Flieger-Sonnenbrille durch die Straßen von Monte Carlo cruist und zum Soundtrack seines blubbernden V8 die Strecke inspiziert. Als geschwindigkeitsversessener Rennfahrer, der er war, rüstete Villeneuve seinen Bronco natürlich mit allerlei Extras wie auf. Als da waren breite Kotflügel, doppelte Stoßdämpfer, zwei Kraftstofftanks, ein modifizierter 5,0-Liter-Motor, ein von Dragster Rennen inspiriertes Doug Nash 5-Gang-Getriebe, ein Hurst Competition-Schalthebel, Recaro-Schalensitze und eine mechanische Seilwinde – also mit dem perfekten Zubehör, um ein F1-Auto nach übermütigen Trainingsläufen aus dem Graben oder der sandigen Auslaufzone ziehen zu können.

Villeneuve machte in der Königsklasse des Motorsports von sich reden, was der Scuderia Ferrari nicht verborgen blieb. Sie lud den jungen Fahrer nach Maranello einlud, um dort den „Commendatore“ persönlich zu treffen. Trotz einer relativ langsamen Testfahrt in Fiorano war Enzo von dem Kanadier beeindruckt, erinnerte er ihn doch an keinen Geringeren als den großen Vorkriegs-Starpiloten Tazio Nuvolari, der vor seinem Wechsel zur Auto Union die Alfa Romeo seiner Scuderia Ferrari gefahren hatte. „Ich erkannte in ihm sofort den Körperbau und das innere Feuer von Nuvolari und sagte mir, wir sollten es mit ihm versuchen.“ Der Chef hatte gesprochen, und Villeneuve wurde für die letzten beiden Rennen der Saison 1977 sowie für die Saison 1978 verpflichtet. Für Gilles ging damit ein Traum in Erfüllung, über den er später sagte: „Wenn mir jemand gesagt hätte, dass man drei Wünsche frei hätte, wäre mein erster gewesen, in den Rennsport einzusteigen, mein zweiter, in der Formel 1 zu sein und mein dritter, für Ferrari zu fahren...“

Trotz eines holprigen Starts bei Ferrari gelang Villeneuve beim Großen Preis von Kanada zum Ende der Saison 1978 sein erster Sieg für die „Roten“ – noch heute ist der Kurs auf der Île Notre-Dame von Montreal nach ihm benannt. Danach sollte er noch fünf weitere Male hinter dem Lenkrad eines tänzelnden Pferdes als Sieger vom Platz gehen, ehe seine bemerkenswerte Rennkarriere mit dem tödlichen Unfall während des Qualifyings zum GP von Belgien 1982 in Zolder ein tragisches und vorzeitiges Ende fand.

Seit dem Tod des legendären Fahrers ist dieser Bronco exakt so geblieben, wie Villeneuve ihn hinterlassen hat. Mit einer Reihe von  Modifikationen, die man von einem Auto aus dem Besitz eines echten Enthusiasten erwarten würde. Der Bronco von Gilles Villeneuve ist eine Zeitkapsel und ein faszinierendes Stück Automobilgeschichte, und er schreit geradezu nach einer einfühlsamen Restaurierung. Wenn dieser Bronco Ihr Interesse geweckt hat, dann sollten Sie unbedingt am 14. Dezember bei der Herbstauktion von Aguttes vorbeischauen.

Fotos: Kevin van Campenhout © 2022