Die Monterey Car Week an der rauen Zentral-Küste Kaliforniens ist bereits in vollem Gange. Eingeleitet wurde sie durch die Ankunft von Hunderten der weltweit schönsten Klassiker und Sammlerautos. Dieser Zustrom von Patina und poliertem Chrom wird hauptsächlich von einem Faktor angetrieben: dem Wunsch, beim Pebble Beach Concours d’Elegance anzutreten und dort große Erfolge zu feiern.
Doch bevor am Sonntag der traditionelle Konfettiregen den „Best of Show“-Gewinner überschütten wird, starteten Teilnehmer und Zuschauer schon frühmorgens die Motoren für die Tour d’Elegance. Fuhren über den 17 Mile Drive und den Highway One nach Big Sur und von dort wieder zurück zum Ziel in Pebble Beach. Die Tour ist mehr als nur eine Gelegenheit, die Reifen aufzuwärmen und dabei die herrliche Landschaft am Pazifik zu genießen– sie verschafft vielmehr jedem Teilnehmer im Wettbewerb einen entscheidenden Vorteil: Denn jedes Auto, das die Tour erfolgreich absolviert, erhält den Zuschlag, wenn es später beim Concours in seiner Klasse zu einem Gleichstand kommen sollte. Rémi Dargegen war unser Mann vor Ort, um für uns einen Blick auf den potenziellen Sieger der Woche zu erhaschen.
Dieses Jahr findet die 74. Ausgabe des Concours statt und nicht weniger als drei Marken feiern ihr hundertjähriges Bestehen. Die erste ist Invicta, von Noel Macklin in Cobham (Surrey) mit Unterstützung des Zuckermagnaten Oliver Lyle gegründet. Die britische Marke war nur etwas mehr als ein Jahrzehnt im Geschäft, nämlich von 1925 bis 1935. Ihre frühen Modelle erwarben sich den Ruf, mit ihren 2,5-Liter-Meadows-Motoren leicht und wendig zu sein, und Macklins Schwägerin Violette Cordery sorgte für wertvolle PR, indem sie Sprints in Brooklands gewann und 1926 als Mitglied mehrköpfiger Teams in Monza und Montlhéry Langstreckenrekorde aufstellte. Invictas beeindruckendste Kreation war der S-Type mit „niedrigem Chassis“, der 1930 mit einem größeren 4,5-Liter-Meadows-Sechszylinder unter der Haube auf der London Motor Show debütierte. Nur 77 dieser fantastischen Modelle wurden gebaut, bevor die Weltwirtschaftskrise Invictas Ende einläutete.
Chrysler ist der zweite Hersteller, der in diesem Jahr 100 wird. Die 1925 vom Eisenbahnmechaniker Walter P. Chrysler gegründete Marke wurde schon bald für ihre technischen Innovationen und die Zusammenarbeit mit den renommiertesten Karosseriebauern der Vorkriegszeit bekannt. Die Kreationen der 1930er-Jahre zeichneten sich durch eine stromlinienförmige Ästhetik aus, allen voran der legendäre „Airflow“, während die 1940er-Jahre von den entzückenden Town & Country „Woodies“ dominiert wurden – idealerwiese mit einem passenden Holz-Kanu auf dem Dach. Weiter ging es in den 50er-Jahren mit schnittigen und mehr als einmal von Ghia eingekleideten Modellen. Einer unserer Lieblingsanblicke während der Tour war der von Virgil Exner designte Imperial Parade Phaeton, einer von drei, komplett mit Sternenbannern. Gebaut wurden sie für Paraden und je einer wurde in Los Angeles, New York und Detroit stationiert. Im New-Yorker-Auto wurden die Apollo-11-Astronauten nach ihrer Rückkehr in einer Konfetti-Parade durch die Stadt gefahren. Chrysler hat in der Vergangenheit in Pebble Beach zweimal den ersten Preis gewonnen, was diese Marke zu einer macht, die man im Auge behalten sollte.
Und schließlich dürfen sich Liebhaber vergleichsweise zierlicher, juwelenartiger Sportwagen Italiens das 100-Jahre-Jubiläum von Moretti nicht entgehen lassen. Die 1925 in Turin gegründete Marke widmete sich zunächst der Herstellung von Motorrädern und Kleinstwagen, bevor sie sich auf Lastwagen und nach dem Zweiten Weltkrieg auf größere Automobile konzentrierte. Moretti war dafür bekannt, fast alle Teile selbst zu entwickeln, darunter den Motor und das Getriebe – im Gegensatz zu anderen „etceterinis“, wie die kleineren italienischen Marken genannt wurden, die mit Ferrari, Alfa Romeo und Lancia konkurrieren wollten. In späteren Jahren ging Moretti eine Partnerschaft mit Fiat ein und produzierte bis 1989 eine Reihe von Sportwagen, aber es waren der wunderschöne grün-weiße 750 Gran Sport und das komplett schwarz lackierte 1200 Gran Sport Coupé, die während der Tour unsere Aufmerksamkeit besonders erregten.
Neben den drei Hundertjährigen nimmt sich die Shelby Cobra 427 zwar noch deutlich jünger aus – feiert heuer aber immerhin auch schon ihr 60-Jähriges. Als Roadster war sie zweifellos auf den Rennstrecken einer der gefürchtetsten Konkurrenten und verhalf dank der 427 Kubikzoll großen Ford-Motoren Carroll Shelby von Anfang an zur Dominanz in SCCA-Serien. Beim diesjährigen Pebble-Beach-Concours werden neben der ersten und letzten Serien-Cobra auch die vier Varianten dieses legendären Sportwagens – „Comp“ (Competition), S/C (Semi-Competition), Street und Narrow Hip – zu sehen sein.
Eine der unverwechselbarsten Frontpartien der gesamten Tour gehörte dem auf dem Bugatti Typ 101 basierenden Exner Bugatti Roadster von Ghia aus dem Jahr 1965. Sein Designer, Virgil Exner (1909-1973), wird bei der diesjährigen Veranstaltung mit einer Sammlung seiner schönsten Kreationen geehrt. Neben dem Bugatti sind auch der Alfa 1900 CSS Ghia von 1954 sowie zwei unglaubliche Dual-Ghias zu sehen, darunter ein D-500 und der Chrysler Ghia Super Dart 400 Prototyp von 1957. Mit gerade einmal 26 Jahren stieg Exner zum Chefstylisten bei Pontiac auf, mit 29 wurde er „Chef Styling Engineer“ bei Studebaker.
Als er gerade 40 war, begann Exner 1949 seine Laufbahn bei Chrysler. Zunächst prägte er mit dem „100-Millionen-Dollar-Look“ ein neues Image der zuvor als eher konservativ geltenden Marke; gefolgt 1957 vom „Forward Look“. Weitere von Exner entworfene Highlights am Straßenrand, die wir erwähnen sollten, sind der Plymoth Asimmetrica Roadster, den wir 2023 vorgestellt haben, der überirdische Chrysler Thunderbolt von 1941, ein wunderschöner silberner Alfa Romeo 1900 CSS Ghia von 1954 und nicht zuletzt der lippenstiftrote Desoto Adventurer II von 1954. Auch 2025 kann man Exners meisterlichen Sinn für Proportionen auf dem 17 Mile Drive bewundern.
Was die potenziellen „Best of Show“-Gewinner betrifft, haben wir einige von Classic Driver empfohlene Favoriten. Los geht es mit dem unglaublichen Hispano-Suiza H6C „Tulipwood“ Torpedo von Nieuport-Astra, mit André Dubonnet Teilnehmer an der Targa Florio von 1924. Frisch aus einer zweijährigen, sorgfältigen Restaurierung, wirkt er mit seiner fließenden Holzkarosserie (vom französischen Flugzeugbauer Nieuport-Astra) majestätischer als alle anderen Teilnehmer der Tour. Dem Tulipwood Torpedo vielleicht am meisten Konkurrenz machen könnte der einzigartige Bentley Mark V Corniche von 1939 mit seiner atemberaubend schönen Mulliner-Karosserie. Dieser Bentley ist nicht nur ein Hingucker, sondern stellt auch das fehlende Bindeglied zwischen dem legendären Embiricos 4.25-Litre und dem Nachkriegs-R-Type Continental dar.
Ein weiterer potenzieller Top-Performer ist der Aston Martin Mk2 Sports Saloon von 1935. Einer von nur 24 jemals gebauten Exemplaren, der nach seiner Rettung aus einer Vorstadtgarage in Liverpool nun wieder in altem Glanz erstrahlt. Bei seiner Entdeckung war er in einem matten Grün lackiert, doch während der Restaurierung kam das für Aston Martin typische Metallic-Grün zum Vorschein. Dieser Mk2, der zum Zeitpunkt seiner Entstehung von modernster ICI-Lacktechnologie profitierte, gilt als erster Aston überhaupt, der diesen Farbton trug.
Abschließend möchten wir noch den letztjährigen Gewinner des „Best of Show“-Awards, Fritz Burkard von der Pearl Collection, besonders erwähnen. Der Schweizer fuhr mit seinem Bugatti Typ 57 Atalante über 4800 Kilometer von Küste zu Küste, um an der diesjährigen Veranstaltung teilzunehmen. Wenn es jemals einen Botschafter für die wahre Pflege rollenden Kulturguts gab, dann ist es Burkhard.
Die Feierlichkeiten des Wochenendes haben gerade erst begonnen. Schauen Sie also nächste Woche wieder vorbei, um unseren vollständigen Bericht über den Pebble Beach Concours d’Elegance zu lesen und mehr über die großen Gewinner der diesjährigen Veranstaltung zu erfahren.
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver