Es gibt nur wenige Orte auf der Welt, an denen die Vergangenheit so eindrucksvoll zum Leben erwacht wie bei Le Mans Classic. In den heiligen Kurven und auf den unerbittlich langen Geraden des Circuit de la Sarthe ist dies mehr als nur ein weiteres historisches Rennsport-Event. Sondern ein Zeitportal oder eine Zeitmaschine, das Zehntausenden von Besuchern die Möglichkeit eröffnet, die berauschende Freude an Rennen aus einiger der besten Epochen des Langstreckensports nachzuerleben.
Unter der Julisonne waren Rennlegenden, die während der 24 Stunden von Le Mans Spuren hinterlassen haben, in voller Pracht zu sehen – von hell kreischenden Ferrari-V12 bis hin zum donnernden Chor aus Jaguar D-Type und Ford GT40. Das moderne Pendant des Events, bei dem Ferrari im Juni seinen triumphalen Sieg aus dem Vorjahr wiederholte, mag nur etwas für eingefleischte Fans sein. Doch der Spirit von Le Mans Classic ist wirklich konkurrenzlos. Jeder einzelne Fahrer bewahrt hier nicht nur Geschichte, er lässt sie auch wieder aufleben.
In der Dämmerung des Samstagabends passiert etwas, das nur diejenigen wirklich nachvollziehen können, die es selbst erlebt haben: Die Sonne versinkt hinter den Kiefern und die Scheinwerfer der Rennwagen erwecken den Circuit de la Sarthe zum Leben. Jedes Auto und jeder Fahrer, der sich auf die Strecke begibt, verdient Anerkennung Doch ein Höhepunkt des Wochenendes war die Rückkehr der Geister aus der Gruppe-C-Ära mit all ihrer feuerspeienden, turbogeladenen Wut.
So wie das Tageslicht fielen auch die Regentropfen, und die Fahrer wurden bei wechselhaften Bedingungen mit jeder Runde an ihre Grenzen gebracht. Unbeeindruckt von den Regenschauern ging die Show weiter, mit einer wunderbaren Mischung aus tiefliegenden Rennwagen aus den 1980er-Jahren bis zur Gran-Turismo-Generation der frühen 2000er-Jahre. Trotz ihres immensen Wertes und ihrer historischen Bedeutung werden diese legendären Rennwagen weiter genauso hart gefahren wie damals. Sie sind niedrig, breit, aerodynamisch ausgefeilt und erinnern eher an ein Raumschiff als an einen Sportwagen, besonders wenn man sie mit dreistelliger Geschwindigkeit durch die Dunkelheit rasen sieht. Was Erinnerungen an eine Generation weckt, die mit dem Traum vom Rothmans-Blau aufwuchs und es in ihrem Lieblings-PlayStation-Spiel freischaltete.
Während der dreitägigen Veranstaltung traten mehr als 800 Rennwagen, aufgeteilt in Starterfeldern mit Fahrzeugen aus den 1920er- bis späten 2000er Jahren, genauso erbittert gegeneinander an wie zu ihren Glanzzeiten. Die Vorkriegs-Bentley sind immer wieder eine Freude zu sehen. Unsere Freundinnen Anna und Louisa Getley, die wir Ende letzten Jahres trafen, fuhren mit ihrem imposanten „DD“ den ganzen Weg von Oxford nach Le Mans und zeigten so ihr Engagement und ihre Leidenschaft für dieses einzigartige Event. Neben den Bentley dröhnten Grand-Prix-Bugatti und -Alfa Romeo um den Kurs, mit beim Unterfahren der Dunlop Brücke glänzenden Lederhauben-Haltern. In einer anderen Klasse schossen Gruppe-5-Boliden von Lancia und BMW und natürlich etliche Porsche 935 in die untergehende Sonne, die Le Mans überzog. Letzte sind zu einem echten Klassiker der Veranstaltung geworden und ein Muss für jeden Motorsportfan, besonders wenn sie 30 Zentimeter hohe Flammen aus ihren Auspuffrohren spucken!
Während es in allen Klassen jede Menge spannende Duelle und Drama auf der Strecke gab, war da auch ein kurzer Moment des Spaßes und die Gelegenheit, die zukünftigen Generationen anzusprechen, die in den kommenden Jahren hoffentlich auch zu den Le Mans Classic-Events pilgern werden. Die „Little Big Mans-Parade“ ist ein unvergesslicher Programmpunkt und bietet Kindern ein einzigartiges Erlebnis auf dem seit langem vor allem für Motorradrennen genutzten Bugatti-Kurs. Das Starterfeld ist wohl genauso beeindruckend wie das der 1:1-Originale und umfasst Miniaturnachbildungen legendärer Rennwagen, darunter Mercedes-Benz 300 SL, BMW 328, Alfa Romeo und zahlreiche Ferrari, um nur einige zu nennen!
In einer Welt digitaler Armaturenbretter und elektrischer Stille wirkt Le Mans Classic wie ein trotziges Brüllen aus der Vergangenheit. Es erinnert uns daran, warum wir uns ursprünglich vom Motorsport so haben verzaubern lassen – nicht nur durch die Geschwindigkeit, sondern auch durch die Geschichten, die Motoren und die Menschen, die dem ganzen Spektakel Leben einhauchen. Staub und Gummi haben sich nach der diesjährigen Veranstaltung zwar gerade erst gelegt, aber wir planen bereits unsere Reise für die Ausgabe 2026! Denn seit kurzem steht fest, dass LM Classic ab 2026 jährlich statt wie bislang nur alle zwei Jahre stattfindet!
Fotos von Kevin Arechiga für Classic Driver 2025