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Wir haben 5 angesagte Supercars getestet. Welcher hat uns wohl am besten gefallen?

Manche Mittwoche fallen besser aus, als andere, vor allem dann, wenn man zu Testfahrten mit einer Flotte von fabrikneuen Supersportwagen bei einem geheimen Track Day in Goodwood eingeladen ist. Hier sind unsere Eindrücke von den Höchstleistungen bei Bentley, Ferrari, Lamborghini, Lanzante und Lotus.

Der ultimative Motorentausch

Es waren einige wirklich bemerkenswerte Autos am letzten Mittwoch in Goodwood vorgefahren, um von uns erlebt zu werden. Aber wir waren sofort vom unglaublichen Porsche Tag Turbo von Lanzante gefesselt. Mit Leistungsdaten auf Hypercar-Niveau kennen sich die Zauberer bei Lanzante bestens aus, denn sie wurden berühmt wegen ihre straßentauglichen Umwandlungen dieser Track-Waffe namens McLaren P1 GTR. Aber wie verleiht man dem originalen 911 Turbo diese blitzartige Performance? Nun, ein Formel 1-Antrieb aus den achtziger Jahren könnte doch da die Lösung sein.

Die Rede ist vom aufgeladenen V6 aus den von Niki Lauda, Alain Prost und Keke Rosberg gesteuerten McLaren. Die reizenden Menschen bei Lanzante haben uns erzählt, dass der F1-basierte V6 in dieser Schönheit in dem zarten rötlichen Ton Macadamia fast 600 PS auf die Straße bringt und die rote Drehzahllinie bei knapp 9.000 Umdrehungen erreicht wird – alles dank der Unterstützung der Spezialisten bei Cosworth. Lanzante konnte sich nur 15 dieser legendären Kraftwerke sichern – eines davon bleibt als Reserve. Was Einhörner betrifft, geht es wohl kaum noch besser. Bewundern Sie allein dieses Interieur in Beige und der dazu abgestimmten Farbe Pasha! 

 

Warp Speed

Mit Zugang zu einigen der jüngsten und beeindruckendsten Raumschiffe von Lamborghini und Ferrari plus den Diensten einiger großartiger Rennfahrer, die sie am Limit zu fahren wissen, mussten wir einfach für ein paar heiße Runden raus auf die Rennstrecke. Als erstes haben wir uns dem komplett aberwitzigen Lamborghini Huracan STO anvertraut – eine bewusstseinserweiternde Erfahrung. Er wurde als Schlussakkord des symphonisch tönenden 5,2-Liter-V10-Saugmotors der VAG Group gebaut und als solcher könnte man behaupten, dass der Huracan STO das Klischee vom Rennwagen für die Straße wie kein anderer zuvor einlöst. Im Grunde handelt es sich um einen Rennwagen der Lamborghini-eigenen Super-Trofeo-Serie, aber eben mit Kennzeichen. Mit 631 zur Verfügung gestellten PS, einem Body Kit wie aus dem Spiel „Need for Speed“ und einem aufrüttelnden Auspuff-Sound kann man sich schon in der Boxengasse in den STO verlieben. Aber einzusteigen, eröffnet eine neue Dimension. Beschleunigung ist das eine, aber die Kurvengeschwindigkeit ist geradezu absurd. Und dann ist er auch noch so laut – wir meinen da nicht die lebhafte Lackierung. Als wir an den Streckenmikrophonen vorbeiflogen, mussten wir abbremsen, um das 110-Dezibel-Limit einzuhalten. Was für eine Maschine! 

Als nächstes stand Ferraris aktuelles Hyper-Halo-Exemplar bereit, der Hybrid-unterstützte, doppelt aufgeladene V8 SF90 Assetto Fiorano. Fest angegurtet und dank erhobener Daumen der Marshals schossen wir aus der Pit Lane, angestachelt von der furiosen Kraft von 986 Pferden, dem zornigen V8 und dem elektrischen Geheul. Der hybride Antriebsstrang sorgt tatsächlich dafür, dass sich dieser Ferrari wie ein Raumschiff anhört. Und weil einige Testfahrer behaupten, dass er in exakt zwei Sekunden bei 100 Stundenkilometern ankommt, dürfte das auch der Startzeit in den Hyperraum entsprechen. Im Vergleich mit dem STO ist der SF90 sehr viel schwerer und auch leistungsstärker. Es fühlte sich bei der Jagd um den Rundkurs genauso schnell an, aber dabei weit aggressiver: Es zuckte bei jeder Kurvenpassage, während die Computersysteme an Bord wie wild rechneten, um diese annähernd 1.000 PS auf den Asphalt zu übermitteln. Das Sterben des Saugmotors liegt uns zwar schwer auf der Seele, aber der SF90 beweist beeindruckend, dass die Zukunft für uns Petrol Heads noch genügend Lustmomente bereithält.

 

Die kontinentale Rakete

Es kommt nicht alle Tage vor, dass einem Bentley die Schlüssel zu einem wirklich einmaligen Grand Tourer aushändigt. Aber wenn sich das ereignet, dann sollte man auch das Beste daraus machen. In unserem Fall handelte es sich um den sonderangefertigten Bentley Continental GT Azure in Old English White – eine Hommage an den R-Type Continental von 1953, damals der schnellste und luxuriöseste Viersitzer der Welt. Die Inspirationsquelle wurde seinerzeit beschrieben als „ein moderner fliegender Teppich, der große Distanzen pulverisiert“, genauso würden wir diesen neuen Azure beschreiben.

Mein Kollege Elliot und ich waren vom Komfort und der Geräuschdämmung der Kabine einfach hingerissen. Die Federung quittierte alles, was die unterschiedlichen Straßendecken in der Nähe des Goodwood Motor Circuit aufboten, mit überragender Nonchalance. Das Interieur ist natürlich auch selten schön mit aufwändigem Cricket Ball-Leder für alle Oberflächen, dazu brillant funkelndes Chrom und Edelholzfurniere. Wahrhaft ein Meisterwerk von Mulliner. Und der Motor, ein 542 PS starker, aufgeladener V8 erwies sich als der perfekte Vortrieb für diesen Grand Tourer: Gerade noch mit soviel Klang, dass man weiß, das er noch unter der Haube arbeitet und ansonsten sorgt er für die mühelose Beförderung durch jede Landschaft, die man sich wünscht. Es ist uns wirklich schwer gefallen, diese Schlüssel zurückzugeben. 

 

Der letzte handgeschaltete Lotus

Wenn es nur einen Sportwagen gäbe, den wir dieses Jahr fahren dürften, dann müsste es wohl der neue Lotus Emira sein. Mit ihm verabschiedet sich die Marke nicht nur vom manuellen Getriebe, sondern auch vom Verbrennungsmotor (die künftige Produktion sieht leider ausschließlich Elektromodelle vor). Also, liebe Leser, das war´s dann: Der Schwanengesang des analogen britischen Sportwagens. Aber wir sind überglücklich zu berichten, dass diese Gipfelleistung nicht enttäuscht hat. Unser Emira besitzt wohl die Konfiguration für die man sich entscheiden sollte, weil er einen V6 im Heck und ein manuelles Sechsganggetriebe an der Seite des Fahrers offeriert. Setzt man sich rein, dann erlebt man bezüglich Komfort und Qualität einen riesigen Sprung vorwärts. Es fühlt sich wirklich an, als wäre Lotus im Vergleich zu allem, was man in der Vergangenheit gebaut hat, zwei Generationen weiter.

Unsere Zeit mit dem Emira war zwar kurz, aber es brauchte auch nicht lang, um sich in diesen burgunderroten Lotus zu verlieben. Die Schaltung hört sich an – und fühlt sich auch so an – wie ein Repetiergewehr, der V6 stößt bei höheren Geschwindigkeiten ein beherztes Geheul aus und die Federung ist ein Meisterwerk: Sie fühlt sich fest geerdet an und absorbiert trotzdem die schlimmsten Unebenheiten der schlaglochreichen Straßen von West Sussex, ohne, dass man erbarmungslos durchgerüttelt wird. Überraschenderweise wirkt der Emira nicht raketenschnell. Aber das muss er aus unserer Sicht auch nicht, denn man kann ihn überall, auf allen Straßen, voll auskosten und muss bei der Rückkehr keine wutschnaubenden Vorladungen des Gesetzes befürchten. Wenn Sie das Budget haben, dann tun Sie sich diesen Gefallen und kaufen diesen Lotus!

Fotos von Mikey Snelgar für Classic Driver © 2023