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Der neue Bugatti Bolide ist ein Zwei-Finger-Gruß an das Elektroauto

1.850 PS, 1.240 Kilo, 0,67 kg pro PS, 0-500 km/h in 20,16 Sekunden – die Eckdaten des neuen Bugatti Bolide sind außerirdisch. Der Autodesigner, Supercar-Experte und regelmäßige Classic Driver-Autor Chris Hrabalek erklärt, warum der neue Bugattis heller als jedes andere Hypercar strahlt.

Lassen Sie uns zunächst mit dem Tabuthema beginnen: Die Volkswagen Gruppe ist angeblich kurz davor, ihre Kronjuwelen-Marke Bugatti an Rimac, einen innovativen kroatischen Hersteller von elektrischen Hypercars, zu verkaufen. Es scheint, als wolle das VW-Management all seine unternehmerischen Casino Chips auf das Feld der Elektromobilität setzen, in der Hoffnung, dass sich das Glücksrad in seine Richtung dreht. Daher könnte man geneigt sein anzunehmen, dass alle künftigen Bugatti Projekte – speziell ein neues Hypercar und vielleicht noch eine zweite Bugatti-Modellreihe – zunächst in die Warteschleife geschickt werden. Man könnte sich sogar eine rein elektrisch angetriebene Konzeptstudie als Ausblick auf die nähere Zukunft vorstellen, während sich der Vertrieb der Marke darauf konzentriert, die letzten Bugatti Chiron mit Verbrenner-Technik unter die Kundschaft zu bringen. 

Nicht so bei Bugatti. In einem Jahr voller unerwarteter Ereignisse präsentieren uns die mutigen Männer aus Molsheim den Bugatti Bolide als eine Art „automobilen Tourbillon“ mit einem bislang noch nie realisierten Leistungsgewicht von 0,67 kg/ PS und – man möchte es kaum glauben – weiterhin dem einzigartigen W16-Zylinder-Motor. Die harten technischen Fakten sind atemberaubend: Der 8,0-Liter-W16-Motor leistet 1.850 PS und 1.850 Nm Drehmoment bei einem Gewicht von lediglich 1.240 Kilo – 635 Kilo weniger (!) als ein Bugatti Chiron. Als Höchstgeschwindigkeit berechnet werden 527,4 km/h. Die Beschleunigung von 0-500 km/h soll in 20,16 Sekunden; von 0-400 km/h in 12,08 Sekunden, von 0-300 km/h in 7,37 Sekunden, von 0-200 km/h in 4,36 Sekunden und von 0-100 km/h in 2,17 Sekunden erledigt sein. Von 0 auf 500 km/h und wieder zurück zum Stillstand sollen 33,62 Sekunden vergehen, von 0 auf 400 km/h und zurück auf 0 nur 24,64 Sekunden. Die Rundenzeit für Le Mans wird auf 3.07,1 Minuten, für die Nürburgring-Nordschleife auf 5.23,1 Minuten kalkuliert. 

Der Bugatti Bolide ist nochmals exotischer als der Bugatti Centodieci, als der Divo und sogar als La Voiture Noire. Im Gegensatz zu diesen drei Ikonen ist der Bolide nicht nur ein handgefertigtes „Spektakel”. Vielmehr ist es ein ganzheitlicher Ansatz, der Bugattis Markenethos „Form Follows Performance” perfekt verkörpert – was für eine beispiellose Synergie aus Ingenieurskunst, Design und radikaler Technologie, eingehüllt in betörende Schönheit! Man fragt sich spontan, wie sich die Rundenzeit des Bugatti Bolide für Le Mans im Vergleich zu einem Chiron Pur Sport oder – vielleicht relevanter – zu einem noch stärker auf den Rennstreckeneinsatz ausgerichteten Vollblut wie dem Essenza SCV12 von Lamborghini ausmacht. Übrigens liegt das Leistungs-Gewicht des Essenza (1375 kg, 830PS) im direkten Vergleich zu den 0,67kg/ PS des Bolide bei jetzt fast enttäuschenden 1,66 kg/ PS.

Bugatti-Designchef Achim Anscheidt sagt: „Zum ersten Mal hatte mein Team die Freiheit, rund um den W16-Motor ein absolut minimalistisches Konzept zu entwickeln. Das Ergebnis sind die provokantesten Proportionen an einem modernen Bugatti und die destillierte Quintessenz unseres Design-Ethos ‚Form Follows Performance‘. Seine dramatischen Proportionen sind auch die Folge einer Höhe von lediglich 995 mm.” Könnte der Bugatti Bolide also das „letzte Hurra“ für unverfälschte automobile Emotionen sein? Hoffentlich nicht. Für den Moment wollen wir den Bugatti Bolide feiern und wertschätzen. Als einen sehr speziellen Moment in den Annalen der Automobilkultur – und Romantik.