Stellen Sie sich die Reaktionen vor, die Ferrari erhielt, als 1966 die jüngste Hochleistungs-Berlinetta auf der Paris Motor Show vorfuhr: Nur ein Jahr zuvor stiegen Werksrennfahrer in P2 Prototypen, die mit ganz ähnlichen Motoren unterwegs waren. Hier nahm Motorsport unmittelbaren Einfluss auf Serienfahrzeuge, auf „die Brut“, wie man so schön nicht nur in Maranello sagte.



Der klassische 275 GTB wurde bereits 1964 in Paris enthüllt. Der Wagen nahm zahlreiche Anleihen in punkto Design und Technik bei seinen unmittelbaren Verwandten und GT-Rennwagen. Es handelte sich hier um den ersten Serien-Ferrari mit Transaxle-Auslegung. Das Styling von Hausschneider Pininfarina wurde bei Scaglietti in Blech geformt. Mit dem Ergebnis konnten sich beide Unternehmen schmücken – es zeigt große Klasse. Schade nur, dass lediglich 14-Zöller in die Radhäuser kamen. Sie stellen aus Sicht des Autors nicht nur einen optischen Kompromiss dar, auch begrenzten sie den Raum für die dahinter so dringend benötigten Scheibenbremsen.
Das Auto gab es in verschiedenen Ausführungen, mit kurzem und langem Vorderwagen. Es gab Exemplare mit Aluminium-Karosserien und solche mit drei und sechs Vergasern. Eine recht frühe Entwicklung war das Rohr-Verbindungsstück zwischen Motor und Getriebe, durch welches die Kardanwelle geführt wurde. Bei den Rennfahrzeugen gab es auch einige Longnose-Prototypen „Competizione Speciales“, von denen einer im Jahre 1965 dritter in Le Mans wurde.
Als die Version des 275 GTB mit vier obenliegenden Nockenwellen vorgestellt wurde – genau dafür steht die Vier in der Typkennung – stieg das Leistungsniveau nochmals. Das Schöne daran: Der Motor profitierte auch im unteren Drehzahlbereich von einem spürbaren Leistungsplus. Jeder, der mal einen 275 GTB/4 gefahren hat, wird zustimmen, dass er einer der besten klassischen Sportwagen überhaupt ist. Und genau das spiegeln die Preise wieder.
Fotos: Corey Silvia ©2012 Courtesy of RM Auctions