Autokultur. In einer Welt autonomer, geräuschloser, sicherer, komfortabler und mitunter sogar etwas langweiliger moderner Autos hat dieser Begriff eine andere Bedeutung als noch vor 20 oder gar zehn Jahren. Er steht für das Zelebrieren von Kreativität und Individualität, sich selbst auszudrücken und ein Fahrzeug zu einem integralen Bestandteil des eigenen Lebensstils zu machen. In diesem emotionalen Raum passieren in der modernen Autoszene die spannendsten Dinge. Und das ist auch genau der Grund, warum das Rennmeister-Projekt am vergangenen Wochenende beschloss, parallel zwei der heißesten Auto-Events des Sommers zu beschicken: Ultrace und Petro Surf.
Auf dem Papier sind die beiden Veranstaltungen so unterschiedlich wie nur möglich. Die eine ist ein riesiges Festival für alles, was aufgemotzt, modifiziert und getunt ist, mit originalen Rennwagen im Mittelpunkt (McLaren F1 GTR, wer möchte?), gleich neben den verrücktesten Konstruktionen des Jahres aus so weit entfernten Ländern wie Japan, Australien und Südkorea. Das andere ist ein intimes Treffen passionierter Porsche-Besitzer, die sich auf der wunderbar malerischen und leicht mondähnlichen Insel Sylt einfinden, um den luftgekühlten Boxermotor zu feiern und an einem Surfwettbewerb teilzunehmen. In Wirklichkeit haben beide Events aber viel gemeinsam, wenn es um die Leidenschaft geht, die sie antreibt.
Beide Veranstaltungen werden Classic Driver-Lesern bekannt sein, da wir jedes Jahr mit großem Vergnügen über sie berichten. Wir genießen den Anblick und die Geräusche, bewundern die vielen originellen, schönen und geradezu verrückten Modifikationen an den bei Ultrace ausgestellten Autos. Die am Stadion der schlesischen Stadt Wrocław (Breslau) gezeigte Palette reichte von einem Lamborghini Countach mit verrücktem „Liberty-Walk“-Karosserie-Kit über einen neu gestalteten Ford Capri turbo Gruppe 5 (Glückwunsch an Holyhall) und einer Mercedes-Benz 300 SL „Flügeltürer“-Replica mit riesigen Rädern und Luftfederung bis zu einem Citroën 2CV Hot Rod.
Derweil konnte man beim Petro Surf in der kultigen Samoa Bar auf Sylt bei einem Sundowner in den Dünen verschiedene 911er, 944er und 928er bewundern. Die von ihren Besitzern entweder im Look von Renn- oder Rallyeautos umgebaut wurden (ein besonderes Lob an den 928 Surfari) oder einfach nur originelle Exemplare mit Surfbrettern oder einem aufblasbaren Flamingo auf dem Dach darstellten.
Obwohl beide Veranstaltungen in diesem Jahr rein zufällig am selben Wochenende stattfanden, konnten wir keine von ihnen auslassen. Vor allem weil das Rennmeister-Projekt, das die kultigen Jägermeister-Rennwagen in ein neues Licht rückt und an dem unsere Kreativberatung CD Works von Anfang an beteiligt war, bei beiden Events als strategischer Partnern auftrat. Um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, teilten wir uns in zwei Teams auf und brachten den ikonischen Porsche 911 RSR (ein Auto, das allein mit Eckhard „Ecki“ Schimpf am Steuer über 84 Rennen bestritten hat) zu Petro Surf und eine Reihe breiter, flacher und bedrohlicher DTM-Autos (plus den obligatorischen Porsche 962, der immer der größte Publikumsliebling ist) zu Ultrace.
Am vergangenen Wochenende konnten allein 50.000 Ultrace-Besucher nicht nur das Alfa Romeo 155 Ti DTM-Monster von Michael Bartels, den V8 DTM-Opel Astra, ein „Held der Arbeiterklasse“ oder den BMW M3 E30 DTM genauer unter die Lupe nehmen (und gleich mit dem am HFMSTRS-Stand ausgestellten, aus dem BMW-Museum mitgebrachten Exemplar vergleichen), sondern auch an Gewinnspielen teilnehmen, bei denen es Projektkunstwerke in Form von Postern, Aufklebern und Pins zu gewinnen gab. Aber das war noch nicht alles: Denn zum ersten Mal gab es auch Merchandise-Artikel in limitierter Auflage zu kaufen: T-Shirts und Sweatshirts mit Kunstwerken von Stevie Gee und Jagoda Blank, inspiriert von denselben Jägermeister-Rennwagen, die Besucher vor Ort sehen konnten.
Als die Sonne an beiden Orten hinter dem Horizont verschwand, kam Partystimmung auf. Sowohl im Rennmeister-Petro-Surf-Zelt auf Sylt als auch bei der von Jägermeister gesponserten Night Experience von Ultrace, wo unter anderem Deutschlands bekanntester Rapper Luciano vor rund 4000 Fans auftrat, wurden eisgekühlte Getränke ausgeschenkt. Beide Veranstaltungen verbanden erfolgreich den allgemeinen Nervenkitzel, die Wertschätzung von Handwerkskunst mit all ihren Details, das Fahren auf den Inselstraßen (bei Petro Surf) und das Driften (bei Ultrace) mit einer fantastischen, familiären Partyatmosphäre. Wenn auch in etwas unterschiedlichem Ausmaß, zeigten beide automobilen Extravaganzen, dass es bei der „Autokultur“ um viel, viel mehr geht als nur um die Summe der Teile eines Autos. Es sind die menschlichen Verbindungen, die Geschichten, die Momente, die wir mit den Autos teilen – und die nur als Vermittler dienen.
Dieses Konzept funktioniert unabhängig davon, ob es sich um alte Jägermeister-Rennwagen, rostige Vierzylinder-Porsche oder fantastisch originell aufgepimpte deutsche Limousinen handelt, bei denen der gesamte Motorraum von Hand graviert wurde (ein Lob an Mica). Dieses Gefühl wurde von alten und neuen Freunden allgemein anerkannt und während Ultrace im Rahmen von Podiumsdiskussionen auf der Bühne näher thematisiert. Ob nun der Gründer von FAT International, Ferdi Porsche oder der russisch-niederländische Rennfahrer und Influencer Misha Charoudin, der den BMW M4 Competition mitbrachte, den er vor kurzem zu Schrott gefahren hatte – wobei noch Teile der Eifellandschaft aus der verunstalteten Karosserie ragten: Sie alle teilten dieselben Beobachtungen und Eindrücke.
Auch wenn es in Wrocław mit Temperaturen von über 35 Grad brütend heiß und auf Sylt ziemlich windig war, waren wir am Ende beider Veranstaltungen überwältigt von der automobilen Leidenschaft und verblüfft von der gezeigten Kreativität. Wir sind all jenen, die solche Treffen unabhängig von Größe und Veranstaltungsort ermöglichen, unendlich dankbar, dass sie uns in ihre große Familie aufgenommen haben. Am Ende spielte es keine Rolle, wer bei Ultrace den Sieg errang (es war das absolut fantastische Hyundai Pony Drift Car von The Kyza, gebaut von der koreanischen Firma Peaches, in einem intensiven Showdown mit dem Liberty Walk Lambo) oder ob es genug Wellengang gab, um diese süßen Nordseewellen zu reiten und den Surfwettbewerb bei Petro Surf zu gewinnen (unser Glückwunsch an den Australier Thomas Bexon).
Alles, was wir dazu sagen können, ist, dass wir schon jetzt den Post-Ultrace- und Petro Surf-Blues haben. Wir sehen uns im Jahr 2025!
Fotos von Filip Blank, Vince Perraud und Maciej Skrzyński