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Porsche 959: Reifeprüfung

Der Porsche 959 bot 1987 einen faszinierenden Ausblick in die Zukunft des Automobils. Trotz eines Innovationsfeuerwerks erwiesen sich die Serienmodelle als so robust, dass ein 959 auch heute noch mit Zuffenhausener Zuverlässigkeit aufwarten kann.

Ende der 80er Jahre drehte die Autoindustrie am Begrenzer. Nicht nur das hinsichtlich des Einsatzes von Allradantrieb und Allradlenkung ein regelrechtes Wettrüsten einsetzte, auch der Einzug immer modernerer Elektronik ließ aus dem Auto ein fahrendes Wunderwerk der Technik werden. Doch ein großes Ganzes kam bei kaum einem Hersteller dabei heraus. Lediglich Porsche schuf mit dem 959 einen herausragenden Technologieträger, der nahezu alle zukunftsträchtigen Lösungen in sich vereinte.

Basis des rund 200 Mal gebauten 959 bildete wie immer das jahrelang bewährte Heckmotorkonzept des Porsche 911. Doch nach zahlreichen Rallyeerfolgen (Gewinn der Paris-Dakar 1984 und 1986) mit diversen Prototypen war den Entwicklern rund um Projektleiter Manfred Bantle klar, dass es auch für einen Supersportwagen mit Straßenzulassung eines Allradkonzeptes bedurfte. So zog an der Vorderachse ein Differential mit Lamellen-Kupplung ein, was erstmals den Antrieb der Vorderräder an einem Porsche besorgte. Eine hoch entwickelte Elektronik sorgte in Verbindung mit einer sensiblen Sensorik des serienmäßigen Wabco-ABS dafür, dass keines der 450 PS sinnlos verpuffte. Aus den Rallyeeinsätzen der Paris Dakar hatte Porsche zudem gelernt, dass eine variable Kraftverteilung für ein dynamisches Fahrverhalten unverzichtbar waren. Folgerichtig sorgte eine hydraulisch beaufschlagte Lamellenkupplung für eine Momentenverteilung von maximal 50 Prozent auf die Vorderachse. Zusätzlich konnte der ambitionierte Sportfahrer auch noch auf eine im Bedarfsfall bis zu 100-prozentige Differentialsperre an der Hinterachse zurückgreifen. Die Entscheidung, wie die Kraftverteilung zu erfolgen hatte, wurde ihm durch eine intelligenten Blackbox abgenommen, der er lediglich per Drehschalter mitteilen musste, ob die Straße gerade nass, trocken oder vereist war.

 

Porsche 959: Reifeprüfung
Porsche 959: Reifeprüfung Porsche 959: Reifeprüfung

Dafür, dass neben genügend Traktion auch ausreichend Kraft vorhanden war, sorgte der Sechszylinder-Boxer im Heck. Erstmals in einem Porsche-Serienfahrzeug verfügten die Zylinderköpfe über Vierventiltechnik und Wasserkühlung. So ausgerüstet, leistete das Aggregat beachtliche 450 PS bei 6.900/min. Zu dieser Leistungsausbeute trug auch die erstmals zum Einsatz gelangende Registeraufladung mit zwei hintereinander geschalteten Turboladern bei. Eine Technik, die heutzutage bei hochwertigen Dieselmotoren Verwendung findet. Dass die Ladeluft dabei von zwei voluminösen Ladeluftkühlern vor dem Verbrennungsvorgang runtergekühlt wurde, war dabei schon fast eine Selbstverständlichkeit. Ebenso selbstverständlich schien auch das problemlose Handling des 959. Die Porsche 911 Radaufhängung wurde dem Charakter des Supersportwagens angepasst und erhielt als besonderes Bonbon eine Niveauregulierung, die es erlaubte, den Sportwagen je nach Fahrbahnzustand anzuheben oder abzusenken. Feinheiten, wie gewichtsoptimierte Hohlkammer-Aluminiumfelgen mit integriertem Reifendrucküberwachungssystem oder eine ausgeklügelte Motorraumbelüftung machten den wohl technisch aufwändigsten Supersportwagen seiner Zeit sicher und gleichzeitig Vollgasfest.

 

 

Porsche 959: Reifeprüfung
Porsche 959: Reifeprüfung Porsche 959: Reifeprüfung

Die Fahrerlebnisse im 959 schienen dann sowohl Testern als auch Kunden wahrlich berauschend. Kein anderer Sportwagen war in der Lage, so problemlos zum Bäcker zu rollen und wenige Minuten später mit atemberaubenden 320 km/h über die Autobahn zu fahren. Wer das Bedürfnis absoluter Beschleunigung verspürte, brauchte allerdings etwas Fachwissen und starke Nerven. Denn der 959 verfügte zwar über ein vollsyncronisiertes Sechsgangschaltgetriebe, doch dessen Schema fehlte auf den ersten Blick der erste Gang. Dieser wurde durch eine Fahrstufe mit der Bezeichnung „G“ ersetzt, ein Zugeständnis an damalige Zulassungsvorschriften und nicht etwa ein Hinweis auf versteckte Geländeambitionen des Zuffenhauseners. Zum Sprint auf 100 km/h brauchte es dann nur noch die richtige Anfahrdrehzahl, der Könner nahm etwa 7.000/min, einen furchtlosen Lupfer am Kupplungsfuß und viel Platz. Dann ploppte der 959 binnen 3,7 Sekunden auf 100 km/h, untermalt von dem martialischen Trompeten des Boxers im Heck. Blieb man auf dem Gas und akquirierte Gang drei und vier der Allradbox, standen 9,6 Sekunden später 200 km/h auf dem zentralen Rundinstrument. Zum Vergleich: Selbst ein Lamborghini Countach mit 5,2 Liter Hubraum musste da passen und sah im Kräftemessen lediglich die opulenten Lüftungsschlitze des Zuffenhauseners.

 

Porsche 959: Reifeprüfung

Heute haben sich die meisten der für den Straßenverkehr zugelassenen Exemplare des 959 weitgehend von solchen Strapazen erholt und fristen ihr Dasein in beheizten Garagen und Museen. Das angebotenen Exemplar mit der Chassis Nummer 900189 in der raren Komfort Edition wurde von seinem letzen Besitzer aus Saudi Arabien jedoch nur selten ausgeführt. Mit nur 651 Kilometern ist der Sportwagen noch nicht einmal eingefahren, wurde aber in der Vergangenheit zur Vermeidung von Standschäden immer regelmäßig bei einem Spezialbetrieb gewartet. Es bleibt zu hoffen, dass sein neuer Besitzer dem 959 hin und wieder ein wenig mehr Auslauf gönnt und so auch seine Umwelt an diesem Meilenstein der Automobiltechnik teilhaben lässt.

 

Fotos: Simon Clay ©2012 Courtesy of RM Auctions

RM Auctions' website  www.rmauctions.com

Weitere Porsche 959 finden Sie im Classic Driver Markt.