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Turbosound liegt in der Luft beim Fuori Concorso am Comer See

An diesem Wochenende kehrt der Fuori Concorso für sein zweites Headliner-Event mit viel extra Ladedruck an den Comer See zurück. Denn diesmal stehen in den Gärten der Villa Grumello und Villa Sucota ikonische Autos mit Turbomotor im Mittelpunkt.

Der Concorso d’Eleganza Villa d’Este mag in diesem Jahr ohne Zuschauer stattfinden. Dennoch gibt es an diesem Wochenende rund um den Lago di Como viel zu sehen. Mit den vielen Satelliten-Events von Mailand bis St. Moritz fühlt man sich fast schon wie bei einer lombardischen Variante der Monterey Car Week. Und während historische Schnellboote bei der Centomiglia del Lario über die Wellenkämme des Sees reiten, kehrt der Fuori Concorso für seine zweite, noch größere und bessere Ausgabe an den Lago di Como zurück. Nach den „großen Bentleys” aus den 1990er-Jahren, die im Mai 2019 beim ersten Fuori Concorso gefeiert wurden, haben die Kuratoren für die Edition 2021 wichtige Turbofahrzeuge ins Rampenlicht gerollt. Neben der atemberaubend schönen Villa del Grumello wurde das Concoursgelände diesmal um die gleich nebenan liegende und Villa Sucota erweitert. Der von Guglielmo Miani, dem Präsidenten des Mailänder Modelabels Larusmiani, konzipierte und von Classic Driver unterstützte Fuori Concorso Turbo eröffnet einen erfrischend neuen Ansatz für das tradierte Format eines automobilen Schönheitswettbewerbs. Und während die Stars der Villa d’Este fraglos die Klassiker aus dem goldenen Zeitalter der Motorisierung und der Karosseriebauer sind, werden beim Fuori Concorso modernere Modelle ausgestellt – mit Baujahren von den 1970ern bis in die frühen 2000er. 

Für Generationen von „Petrolheads”, die in den 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahren aufwuchsen, war „Turbo” das Zauberwort schlechthin. Ein Synonym für Geschwindigkeit, Zusatz-Leistung und PS im Überfluss – entfesselt, wenngleich anfangs noch mit reichlich Verzögerung, durch Druck auf das Gaspedal. Das Zusatzemblem „Turbo” am Heck adelte damals Sportwagen, aber auch brave Limousinen wie den BMW 2002. In Anbetracht der großen Zahl und Bandbreite an „zwangsbeatmeten” Autos der letzten 50 Jahre haben es die Macher des Fuori Concorso meisterhaft geschafft, viele der wichtigsten Vertreter der Turbo Fraktion zu einer „Turbo Hall of Fame” an den Comer See zu bringen. In drei Klassen – Turbo-Sportwagen, -Rennwagen und -Konzeptstudien – eingeteilt, sind sie im parkähnlichen Umfeld der beiden Villen aufgestellt.

Von ersten Einsätzen in Le Mans in den 1970ern über den Rallyesport bis in den 1980ern zur Formel 1 hat der Turbolader den Motorsport in neue und lange Zeit unvorstellbare Leistungssphären katapultiert. Und dann über zwei Jahrzehnte lang das Geschehen dominiert. Zum Aufgebot beim Fuori Concorso zählen ein keilförmiger Porsche 935 K3 und ein Porsche 962 Gruppe C. Beide erinnern uns daran, wie sehr Porsche von der 1972 erstmals in der amerikanischen CanAm-Serie im 917/10 eingesetzten Turbotechnologie profitierte. 

Ähnlich eindrucksvoll die Abordnung der ikonischsten italienischen Turborenner, darunter ein ein Alfa 75 Turbo Evoluzione IMSA, ein Fiat Uno Totip und ein feuerspuckender Ferrari F40 GT. Und nicht zu vergessen die von Martini gesponserten Lancia, vom Delta Integrale bis zu furchterregenden Rennmonstern wie dem Delta S4 oder dem Beta Montecarlo Gruppe 5. Wie sie so zwischen alten Mammutbäumen und Palmen parken, mit den aristokratischen Villen und den weltbekannten Blicken auf den Comer See im Hintergrund, wirken diese Rennmaschinen mit ihren mächtigen Kotflügelverbreiterungen, weit ausladenden Spoilern und mutigen Farbmustern noch mehr wie Hooligans aus einer anderen Welt.

Von den Rennstrecken und Rallye-Sonderprüfungen fand der Turbolader seinen Weg schnell in die Serienfertigung, woraus in der Folge einige der legendärsten Sportwagen, GT und Supercars der modernen Zeitrechnung erwuchsen. Für sein Event hat der Fuori Concorso spezielle Homologationsmodelle wie den Ferrari 288 GTO und den F40 rekrutiert, aber auch einen Audi Sport Quattro, Peugeot 205 T16 und Renault R5 Turbo – alle versehen mit der Bitte, doch bitte im Drift über die vornehmen Kieswege der Villa del Grumello gefahren zu werden. Scheinbar zufällig an anderen Stellen im herrlichen Park abgestellt sind auch eine Porsche 911 GT1 Straßenversion und ein Jaguar XJ220 – beides mit Straßenzulassung gesegnete Homologationsmodelle, entwickelt und in Kleinstserie gebaut in den 90er-Jahren. Neben diesen erklärten Turbolegenden gilt es aber auch weniger bekannte Modelle zu entdecken. Oder wann haben Sie zuletzt eine Aztec Barchetta, einen Lancia Zagato Hyena, RUF RCT Evo oder einen Vector W8 live gesehen? Es ist sehr erfreulich, dass auch diese wilden und fast vergessenen Sportwagen hier gefeiert und nochmals auf die große Bühne gestellt werden. 

Und dann gibt es last but not least beim Fuori Conorso auch noch eine kleine, aber feine Auswahl an Prototypen zu sehen. Mit seinen vier Turboladern könnte der silberne Bugatti EB110 SS Prototipo zum Star der Show avancieren. Oder würden sie lieber den seinerzeit von Ferdinand Piëch gefahrenen Porsche 959 auswählen? Oder den neon-orangenen Stola Lancia S81 mit Design von Marcello Gandini aus der Lopresto Collection?

Mit diesem hochklassigen Aufgebot an ikonischen und zum Teil fast schon vergessenen Turbofahrzeugen und einem Interviewprogramm mit Rennfahrerlegenden wie Jean Alesi und Mark Webber sowie dem Designer Fabrizio Buonamassa Stigliani hat der Fuori Concorso erneut seinen festen Platz in der Top-Liga automobiler Events bestätigt. Während der Concorso d’Eleganza Villa d’Este in diesem Jahr komplett für die breite Öffentlichkeit gesperrt ist, öffnet der Fuori Concorso zumindest am Sonntag seine Tore. Was uns erneut daran erinnert, dass die Einbindung des Publikums und der Aufbau einer Community in einer Post-Covid-Welt die wichtigsten Werte für Sammlerauto-Events sind.

Fotos: Andrea Klainguti for Classic Driver