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Wir tauchten ein in Ultrace – das erfrischend andere Lowrider-, Stance- und Drift-Treffen

Während Autos aus dem 20. Jahrhundert bei Classic Driver die Regel sind, berichten wir nur selten über zeitgenössische Tuningautos. Als unsere Freunde von Rennmeister zu Ultrace, der führenden Custom-Car-Convention, ins polnische Breslau einluden, war unsere Neugier geweckt.

Uns ist bewusst, dass man uns normalerweise nicht mit Mumble-Rap, Vetements-Trainingsanzügen, Gucci-Flip-Flops mit weißen Socken und Tattoos, die so gut wie alle Körperpartien bedecken, in Verbindung bringt. Aber als die Einladung von Rennmeister – der Instagram-Marke, die von unserer Kreativberatung CD Works für Jägermeister kreiert wurde – mit der Post kam und wir gebeten wurden, nach Breslau zu fahren, um über ein Concours-Event für tiefergelegte Autos zu berichten, wurden wir etwas neugierig, wenn auch ein wenig besorg: würden wir da reinpassen?

Dann trafen weitere Informationen ein. Zur Feier des gemeinsamen 50-jährigen Jubiläums von Jägermeister Racing und BMW M brachte das Rennmeister-Projekt drei ganz besondere BMW zur Veranstaltung mit. Darunter der 3.3 CSL E9, der von Niki Lauda gefahren wurde und noch immer seine Unterschrift auf dem kleinen Dachspoiler trägt, da es der letzte Rennwagen war, den er vor seinem Tod fuhr. Dieses besondere Auto von Alpina wurde damals auch von anderen Legenden wie Jacky Ickx, James Hunt und Derek Bell gefahren. Hinzu kam ein ebenfalls orangefarbener BMW M3 Sport Evolution DTM, seinerzeit pilotiert von Armin Hahne und Prinz Leopold von Bayern, und zu guter Letzt eines unserer Lieblingsautos aus der Sammlung: der brutale E21 320 Gruppe 5, der regelmäßigen Classic Driver-Lesern bekannt sein dürfte.

Die Zeit verging und wir schauten uns das Veranstaltungsprogramm noch genauer an. Ein Concours-Event für 1000 Autos, die alle von ihren Besitzern aus Ländern wie den USA, der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Japan, Großbritannien und Aserbaidschan individuell aufgebaut wurden? Alle von einer internationalen Jury aus Fachleuten wie den Machern und Gründern von Rotiform, Hoonigan und der Players Show in Großbritannien sowie einigen Instagram-Promis wie Drifter Schaefchen bewertet? Eine limitierte Auflage von Kleidungsstücken, entworfen von der polnischen Bekleidungsmarke Prosto Wear? Fügt man dann noch die atemberaubenden Werbegrafiken für das Event von The KYZA und einige verrückte Drifts mit bis zu acht Autos, die gleichzeitig auf der kleinen Parkplatzrennstrecke vor dem fast studioähnlichen Hintergrund des Breslauer Stadions herumdriften, hat man das Ultrace-Konzept auf den Punkt gebracht.

Als wir dann noch erfuhren, dass Chrome Cars ihre „Black and Gold“-Kollektion von Rennwagen in John Player Special Optik mitbringen würde. Autos, die von Fahrern wie Nigel Mansell, Ronnie Peterson und anderen zum Sieg gefahren wurden. Lotus-Formel 1, LMP2-Boliden und der schrullige, aber einzigartige JPS Sinclair C5, ein dreirädriger offener Elektro-Scooter....reichte ein Anruf bei den Organisatoren und wir waren auf dem Weg, das Wochenende in Polen zu verbringen.

Was wir dann dort sahen und hörten, haute uns um. Die Mischung aus fantasievollen Entwürfen, präziser Technik und der schieren Extravaganz einiger Exponate war nicht von dieser Welt. Einige unserer Favoriten? Ein schwarz-auf-schwarzer Outlaw-Ferrari 328 GTB des Dakar-Fahrers und Drifters Jakub Przygoński. Ein sehr interessanter Fiat Uno aus Italien mit gelben Fenstern und einem Kaktushalter im Innenraum, der natürlich bis auf den Boden abgesenkt war. Ein subtil modifizierter Lancia Delta Integrale und ein nicht ganz so raffiniert tiefergelegter Honda NSX. Der stets auffällige RWB/RAUH-Welt BEGRIFF Porsche, eine Zusammenarbeit zwischen Mr. Nakai und der polnischen Firma Carbone, die das Interieur gestaltete. Die Krönung des Ganzen waren einige extravagante japanische Luxuslimousinen (wie der Lexus LS oder der Toyota Century) mit speziell angefertigten Holzhaltern für Kristallgläser, Nikka- oder Suntory-Whisky und speziell angefertigten Kissen für zusätzlichen Komfort – ein Stil, der als „VIP-Builds“ bekannt ist. Wir haben auch ein Faible für die aktuelle Generation des VW Atlas entwickelt, aber nur, wenn alle Karosserieteile so lackiert sind, dass sie an den originalen Harlekin Polo von 1994 erinnern.

Den Gesamtsieg errang ein sechstüriger Mercedes Benz Pullman, der von einer Gemeinschaft von Enthusiasten als Gruppenprojekt entstand. Er bewies, dass man nicht unbedingt das größte Budget oder das teuerste Basismodell haben muss, um bei Ultrace zu gewinnen. Es reicht, Geschmack, Können und Leidenschaft mitzubringen. 

Das bringt uns zur philosophischen Bedeutung solcher Veranstaltungen. Wie auch immer Sie zu Stanced Cars oder zur Tuningszene im Allgemeinen stehen, nähern sich deren Protagonisten (abgesehen von den königlichen Restomods und einigen wichtigen Unternehmen, die ihr Erbe als Karosseriebauer aufrechterhalten) dem Konzept der Maßanfertigung von Exterieur- und Interieur-Elementen so nah wie möglich an. Wir sind der Meinung, dass einige Oldtimer-Concours in der Welt noch einiges von dieser Szene lernen könnten, was die Liebe zum Detail und die Sauberkeit in der Ausführung angeht.

Noch wichtiger ist jedoch, dass es sich um eine Veranstaltung handelt, die in Mittelosteuropa zu Hause ist. Ein Ort, an dem die Traditionen des Sammelns von und des Rennfahrens mit Autos durch eine 45-jährige Periode des stalinistischen Kommunismus abrupt unterbrochen wurde. Sie wirkt definitiv weniger künstlich und aufgesetzt als viele Oldtimer-Concours aus dieser Gegend, die versuchen, die Atmosphäre einer Ära wiederherzustellen, die nie Teil der eigenen Geschichte war. Abgesehen von der wunderbar freundlichen Atmosphäre und der schieren Begeisterung für alles, was vier Räder hat, haben wir uns in Ultrace verliebt, weil es die Stärken der lokalen Szene ausspielt, anstatt ihre Schwächen zu betonen. Und genau das ist der Grund, warum wir nächstes Jahr wieder dabei sein werden.

Fotos von Błażej Żuławski