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Wie Richard Gauntlett im Aston Martin DB2 seines Vaters das Autofahren lernte

Dieser hinreißende Aston Martin DB2 gehörte einst Victor Gauntlett, jenem Mann, der die Marke vor dem Untergang rettete. Classic Driver unternahm mit Gauntletts Sohn Richard eine Reise in die Vergangenheit, denn auch der junge Gauntlett hatte eine enge Beziehung zu diesem Auto.

Als geschickter Geschäftsmann war Victor Gauntlett in den 1980er und frühen 1990er Jahren maßgeblich an der Wiederbelebung von Aston Martin beteiligt. Unter seiner Leitung vollzog sich der Umbau des Unternehmens vor dem Hintergrund gravierender finanzieller Schwierigkeiten. Er stellte mit dem Virage das erste neue Modell in zwanzig Jahren vor, frischte mit enormem Erfolg Aston Martins Beziehung zu den Designern von Zagato wieder auf und dirigierte die Motorsportbemühungen, die mit dem AMR1 und einem Werksteam erstarkt in Le Mans Präsenz zeigten. Gauntlett war vor allem ein Charismatiker, der nichts mehr liebte, als sich seinen Leidenschaften zu widmen – seiner Familie, aber auch der Fliegerei und natürlich den Automobilen. Wenig erstaunlich, dass seine stetig wachsende Sammlung mit einem starken persönlichen Hang zu Vorkriegs-Bentleys und Aston Martins viele Leckerbissen enthielt. Nicht zuletzt diesen Aston Martin DB2, der kürzlich von Classic Driver-Händler Graeme Hunt angeboten wurde.

Gauntletts Aston Martin DB2 wurde 1952 gebaut und ist sowohl attraktiver wie auch seltener, als der spätere DB2/4 mit seinen leicht missglückt gezeichneten Dach- und Heckfensterpartien, unter der die beiden Rücksitze untergebracht wurden. Der makellose Zustand ist Graeme Hunt und seinem Team zu verdanken. Unter seiner Obhut erhielt der DB2 wieder die schöne, ursprüngliche grüne Lackierung, die perfekt mit den roten Speichenrädern kontrastiert. So, stellt man sich vor, muss er damals taufrisch das Werk verlassen haben. Auch ein Besucher der London Classic Car Show verfiel dem Charme dieses Aston Martin, der auf Graeme Hunts Stand den besten Platz einnahm, und kaufte ihn von der Messe weg.

Auch Victor Gauntletts Sohn Richard erinnert sich noch sehr genau an das Coupé. Gerade ist er aus den USA zurückgekehrt, wo er sich um sein jüngstes Interior Design-Projekt gekümmert hat. Richard Gauntlett hat mit Erfolg einen ganz anderen Karriereweg als sein Vater eingeschlagen: Nach einem kurzen Gastspiel bei Bonhams als Klassikerexperte, eröffnete sich ihm unerwartet der Zugang in die Welt der Innenarchitektur. Er wurde beauftragt, für ein Haus in der Grafschaft Gloucestershire den kompletten Innenbereich bis ins kleinste Detail zu entwerfen. Danach eröffnete er in London die Gauntlett Gallery, wo anspruchsvolle Kunden völlig verrückte aber qualitätvolle Sammlerstücke entdecken und nebenbei bei einem Whisky fachsimpeln können. Für Classic Driver schlüpfte Richard hinter das Steuer dieses besonderen DB2 und unternahm eine Erinnerungstour zurück zu seinem Vater und dessen vielleicht schönstem Automobil.

Was sind Ihre frühesten Erinnerungen an ein Auto?

Dad hatte einen Blower Bentley, vor dem ich große Angst hatte. Jedes Mal, wenn er ihn anließ, versteckte ich mich hinter einem Zaun. Es gibt auch Bilder von mir im Alter von vier Jahren auf der Rückbank von „Olga”, einem Prototyp des Bentley R-Type Continental. Wir waren sehr glücklich, weil wir so viele Modellautos hatten. Mein Vater hielt nichts von Elektroantrieb, folglich hatten alle einen richtigen Motor. Die Astons, die wir mit sieben oder acht Jahren besaßen, konnten 40 Meilen in der Stunde erreichen, hatten eine Stereoanlage von Alpine, Connolly-Ledersitze und Wilton-Teppiche. Wir besitzen immer noch einen Land Rover im Zweidrittel-Maßstab, der fantastisch ist, weil man ihn auch noch als Erwachsener bewegen kann.

Stimmt es, dass Sie einen Ihrer prägenden ersten Fahrversuche in diesem DB2 erlebten?

Genau dieses Auto ist der erste wirklich Aston Martin, den ich gefahren bin. Zu der Zeit gehörte meinem Vater der zweite Birkin Blower Bentley. Er wollte von unserem Wohnsitz in Gloucestershire zu P & A Wood in Essex fahren, um ihn abzuholen. Ich muss knapp 18 Jahre alt gewesen sein und hatte gerade sechs Monate vorher meine Fahrprüfung bestanden. Er wählte den DB2 mit dem Argument, dass er mir beibringen würde, ihn zu fahren, damit ich den Aston später wieder nach Hause bringen konnte. Es war immer nervenaufreibend, mit ihm unterwegs zu sein, weil er zwar amüsant, aber auch sehr kritisch war. Er wusste immer, wie man das Meiste aus unseren Autos herausholen konnte. Wir fuhren also los und nach ungefähr einer Stunde sollte ich das Lenkrad übernehmen. Ich war schon fast aus der Parkbucht heraus, als der Motor erstarb. Nun, wir kamen an der Werkstatt an, er holte den Blower ab, brüllte noch „folge mir” und schoss wie eine Rakete davon. Ihm zu folgen war der absolute Albtraum, weil er höllisch schnell unterwegs war. Es war eine denkwürdige Ausfahrt. Als ich nach zwei Stunden in Gloucester ankam, war ich naßgeschwitzt und völlig fertig. Es war ein großer Stress, aber auch ein großer Spaß.

Mein Vater war hinter dem Steuer auch sonst unerbittlich: Einmal wurde er von den Paraderunden in Le Mans ausgeschlossen, weil er das Pace Car überholte und auf der Mulsanne-Gerade mit 124 Meilen pro Stunde in die Geschwindigkeitsfalle fuhr. Wir haben immer noch dieses beeindruckend Foto von der Falle, wo man sehr gut die rotglühenden Auspuffrohre des Bentleys erkennen kann. Er hatte auch einen Aston Martin DBR2, mit dem er und Prince Michael legendär an der Mille Miglia teilnahmen. Der Range Rover mit dem königlichen Begleitschutz an Bord erlitt bei dem Versuch, mitzuhalten, einen Motorschaden. 

Er musste folglich dieses Auto gemocht haben?

Ohne Frage. Er kaufte den DB2 vom Schweizer Klassikerhändler Lukas Hüni, es war aber auch einmal im Besitz von John Donner, der für seine hervorragenden Restaurierungen berühmt war. Die Dokumentation dieses Autos belegt, dass alles sensationell gut ausgeführt wurde. Mein Vater besaß dieses Coupé eine Weile, ehe es bei einem Deal den Besitzer wechselte. Wie mit vielen anderen Autos, die er verkauft hatte, bereute er den Verkauf aber und nach fünf Monaten war der DB2 wieder da. Es ist ein großartiges Automobil – unterschätzt, aber viel schneller, als man sich vorstellt. Ich persönlich finde dieses Modell viel spannender als den DB5. Die DB2 haben dieses Image, sehr gediegen zu sein, aber das stimmt so nicht: Sie sind coole Biester. Man kann auch sagen, es ist wie eine Sammlung, die aus nur einem Auto besteht: Man kann mit dem DB2 zum Einkaufen fahren, ins Pub oder zur Mille Miglia.

Haben Sie noch mehr Erinnerungen an dieses Auto?

Vor meiner Fahrprüfung bin ich einmal mit meinem Dad mitgefahren und erinnere mich, dass mich dieses Auto sehr beeindruckt hat. Wir waren frühmorgens auf der Fosse Way unterwegs – einer grandiosen Strecke zwischen Cirencester und Morton-in-Marsh – und schossen nur so dahin. Irgendwie bizarr, denn seit diesem Moment sind viele Jahre vergangen und wenn man heute einsteigt, empfangen einen dieselben Sitze, wartet dasselbe Lenkrad...

Was löst das bei Ihnen aus?

Gemischte Gefühle, weil mein Vater nicht mehr unter uns weilt. Es ist eine emotionale Erfahrung: Ich bin einigen seiner Fahrzeuge wieder begegnet und habe jedes Mal dieses Gefühl, vor allem, wenn es ein Modell war, das er selbst sehr mochte. Es ist erstaunlich, weil wir genau die Unterhaltung über dieses Auto haben, die ich auch mit ihm geführt habe – über das Fahrerlebnis, über den Wert. Diese Gespräche waren mir wichtiger, als so viele andere Dinge. Er besaß einige Jahre einen Aston Martin DB3S, und ich denke, er hielt sich beim DB2 eine zeitlang zurück, weil er ihn als langweilig einschätzte. Umso angenehmer war die Überraschung, als er dieses Exemplar dann besaß, weswegen er ihn sogar zurück gekauft hat. Für ihn waren die frühen DB-Reihen die wahren Nachfolger der von ihm so geliebten Vorkriegs-Bentleys.

Was empfinden Sie, wenn Sie einen modernen Aston Martin sehen?

Ich bin immer noch sehr stolz auf Aston Martin, weil es sich zu einer Marke mit globalem Appeal entwickelt hat – ohne meinen Vater würde das Unternehmen wahrscheinlich nicht mehr existieren. Wie er immer wieder in Interviews betont hat: „Ich wollte nicht derjenige sein, der seinen Enkeln irgendwann erklären muss, er hätte ein sterbendes Unternehmen retten können und habe es nicht getan.” Der Erhalt der britischen Kultur war ihm ein großes Anliegen, er hat auch viele britische Wohltätigkeitsorganisationen unterstützt. Aber diese modernen Sachen sind nicht wirklich nach meinem Geschmack – das liegt aber daran, dass mir moderne Autos generell nicht besonders gefallen. Ich würde es begrüßen, wenn ein großer Bruder sich Aston Martin annehmen würde. Was BMW beispielsweise mit Rolls-Royce geleistet hat, ist wunderbar, klug und sensibel.

Sich für Aston Martin zu engagieren, war vermutlich keine leichte Aufgabe?

Na ja, wenn mein Vater gefragt wurde, wie er mit Aston Martin ein kleines Vermögen erzielen könnte, antwortete er immer: „Fang mit einem großen an.” Es war nicht einfach und es hat ihn über Jahre hinweg fix und fertig gemacht. Jahre später, bei einem dieser Vater-Sohn-Gespräche spät am Abend bei einem Whisky, habe ich ihn nach dieser Zeit befragt. Und er antwortete, er hätte es genauso wieder gemacht, weil es das wert gewesen sei. Als er die Leitung übernahm, stellte Aston Martin drei Autos pro Woche her, dann schaffte er fünf Autos in der Woche und so fort. Das klingt heute völlig verrückt.

Wie würde Aston Martin heute auf ihn wirken?

Er würde eine pragmatische Haltung einnehmen, weil er verstanden hätte, dass das Management mit der modernen Welt Schritt halten muss. Als ich noch ein Kind war, erinnerte das Werk von Aston Martin an die Werkstatt eines Schmieds. Wenn man Bilder der Fabrik aus den 1980er Jahren sieht, als die V8 noch gebaut wurden, sah man überall Schlossen an Holzbänken, Metallteile kunterbunt auf dem Boden verstreut und zahllose Schraubstöcke. Das würde heute nicht mehr existieren. Ich finde es trotzdem schade, dass nichts dem ursprünglichen Vanquish gleichkommt – ein beeindruckendes Auto, vor allem, wenn man bedenkt, dass es noch unter höchst archaischen Bedingungen in Newport Pagnell gebaut wurde.  

Ihr Vater war vom Motorsport begeistert und hat Aston Martin wieder auf die Landkarte gesetzt.

Ich kann Ihnen nur sagen, es war für ihn schrecklich und hinreißend zugleich, ein Team in Le Mans an den Start zu schicken. Aston Martin hat in den letzten paar Jahren leider beschlossen zu vergessen, dass die Nimrod- und AMR1-Projekte je stattgefunden haben. Ehrlich, ich finde das eine Beleidigung der engagierten Leute, die so hart gearbeitet und sich gegen alle Widrigkeiten behauptet haben. Nimrod als Gesamtsiebter in Le Mans war fantastisch und die Leute waren so enthusiastisch, weil Aston Martin der Underdog war. Als Aston Martin mit dem DBR9 an die Sarthe zurückkehrte, gab man den Kommentatoren den Eindruck mit, als sei es das erste Mal seit 1959, das Aston wieder mit von der Partie war. Das war unwahr und etwas rüde.

Was sind Ihre liebsten Erinnerungen an Ihren Vater?

Er war ein großartiger Mensch mit einem geradezu heroischen Sinn für Humor. Was an ihm so beeindruckte  – und ich weiß nicht, ob ich dazu in der Lage sein könnte – , war seine Fähigkeit, sich um so viel zu kümmern, auch um die vielen Menschen, und gleichzeitig ein so aufmerksamer Vater zu sein. Mit den Jahren steigt meine Anerkennung für die Art und Weise seiner Leistung. Eine Folge davon ist, dass sich die Familie auch nach seinem Tod noch sehr nahe steht. Ich kann noch heute förmlich die Luft von Gloucestershire riechen, wenn er an einem kalten Wintermorgen in seinem V8 zur Arbeit fuhr.

Fotos: Peter Aylward for Classic Driver © 2016

Victor Gauntletts Aston Martin DB2 hat mittlerweile einen neuen Besitzer gefunden. Im Classic Driver Markt stehen allerdings noch zahlreiche attraktive Exemplare zum Verkauf.