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Von der Schreibstube nach Le Mans mit Aston-Experte Stephen Archer

Beim alle drei Jahre stattfindenden Aston Martin Festival in Le Mans wird Markenexperte Stephen Archer zusammen mit Sohn Felix einen V8 Vantage GT4 fahren. Zur Einstimmung nutzten wir eine seiner Abstimmungsfahrten, um mit dem Auto zum Lunch im nächsten Pub zu fahren.

Wenn Stephen Archer sagt, dass er sein ganzes Leben lang von Aston Martins umgeben war, dann meint er es auch so. Schon als Baby brachte ihn sein Vater in einem Aston von der Säulingsstation zurück nach Hause, später hat er selbst zehn Exemplare besessen und drei definitive Bücher zum Thema geschrieben (Ulster, Aston Martin Zagato und DB4 GT, alle herausgegeben von Palawan Press). Heute verbringt er die meiste Zeit als Ratgeber bei wichtigen Restaurierungen, Forschungen und Publikationen. Während wir durch seine „Höhle“ streifen, die mit Fotos von Astons, die er einmal gefahren oder besessen hat, Modellautos und Büchern vollgestopft ist, stellt er lapidar fest: „Ich weiß einfach, wie ein Aston Martin aussehen sollte.“ Im Vorfeld des Aston Martin Festivals, dem alle drei Jahre laufenden Aperitif zu den 24 Stunden von Le Mans, fuhren wir mit dem V8 Vantage GT4, den er zusammen mit seinem Sohn Felix auf dem Circuit de la Sarthe fahren wird, zum Mittagessen in einen nahen Pub – natürlich nicht auf dem direkten Weg.

Woraus rührt Ihr Interesse an Aston Martin?

Ich hatte im Grunde keine andere Wahl. Nach meiner Geburt wurde ich in einem Vorkriegs-Aston vom Krankenhaus nach Hause gefahren. Mein Vater war Geologe, aber auch neugierig auf alles Mechanische, und nachdem er vor dem Krieg Brooklands besucht hatte, interessierte er sich auch für Autos. Als 1953 mein Bruder auf die Welt kam, kaufte sich Dad seinen ersten Aston Martin. Er wollte ein stattliches Auto, mit dem er herumfahren konnte, und jemand empfahl ihm einen Bugatti, Hispano-Suiza oder Aston Martin zu kaufen. Damals kosteten alle um die £100 und er entschied sich recht schnell für eine Aston Limousine. Als es damit immer mehr Probleme gab, nahm er das Auto auseinander und verkaufte die Teile an andere Enthusiasten. Danach besaß er drei Vorkriegs-Astons und viele Nachkriegs-Exemplare. Er war vom ersten Tag an im Aston Martin Owners Club dabei und brachte es am Ende dort bis zum Vorsitzenden. Er blieb während seines ganzen Lebens ein glühender Verehrer der Marke. 

Was sind Ihre frühesten automobilen Erinnerungen?

Als ich noch sehr jung war, sah ich bei einem Besuch des Werkes in Newport Pagnell, wie die DB4 gebaut wurden. Bei einem anderen Besuch, es war 1965, sah ich ein Auto unter einer Plane und dachte sofort an einen DP212. In Wahrheit war es jedoch ein DB6 Prototyp. 1976 kauften mein Vater, mein Bruder und ich für £650 unseren ersten DB5. Er hatte eine defekte Zylinderkopfdichtung und Schimmel am Lenkrad. Doch wir möbelten ihn auf und verkauften ihn zurück an Aston Martin, da sie einen Kunden für das Auto hatten. Seitdem haben wir rund zehn Astons gehabt, sie waren immer die ganze Zeit um mich herum. 

Bis vor kurzem hatte Ihr Alltagsjob weniger mit Aston Martin zu tun. Was ist passiert?

Ja, ich komme ursprünglich aus der Marketingberatung und habe noch immer ein Geschäft im Gesundheitswesen. Doch in jüngerer Zeit bin ich weitaus intensiver mit Aston Martin beschäftigt, inzwischen ist es meine Hauptbeschäftigung. Ich denke das Schreiben und die Bücher waren eine Art Sprungbrett. Ich habe den Ehrgeiz, die wahre Story hinter diesen Autos zu erzählen. Denn ich liebe es zu forschen und etwas Neues auszugraben. Aktuell bin ich mit dem Projektmanagement zur Restaurierung eines der beiden „VEV“-Schwesterautos beschäftigt, das nach einer Reihe von Unfällen seit 50 Jahren nicht historisch korrekt ist.

40 Jahre sind seid Ihrem ersten Autorennen vergangen – wo und wann war das genau?

Mein Vater kannte Derrick Edwards, der sich um einige Autos von Nick Mason kümmerte. Er sagte zu ihm: „Setz doch die Archer Jungs in einen von Nicks Astons“, und von dort setzte eine Art Schneeballeffekt ein. Ich fuhr mein erstes Rennen auf Nicks Vorkriegs „International“ 1978 in Silverstone. Und seitdem folgten an die 100 weiteren Rennen auf Astons Martins. 

Welches unter diesen Rennen sticht in Ihrer Erinnerung besonders heraus?

Ich fuhr LM7, einen der Werkswagen aus den 1930er-Jahren, in Cadwell Park und lieferte mir das ganze Rennen über einen Rad-an-Rad-Kampf mit einem Alfa Romeo 6C 1750. Beim Goodwood Revival 2012 fuhr ich den Ulster, der 1935 Dritter in Le Mans wurde. Ich wusste, dass ich wegen der sehr langen Achse einen schlechten Start haben würde. Und in der Tat verlor ich bis zur ersten Kurve acht Plätze. Doch am Ende der ersten Runde hatte ich schon wieder fünf Plätze gutgemacht. Und im Ziel war ich nach einem tollen Duell mit einem anderen Ulster auf Platz acht bester Aston Martin. Auch das 3-Stunden-Rennen in Snetterton mit einem DB3S in den 90ern hat viel Spaß gemacht. Und dann die Fahrt in Le Mans 2015 mit dem DP214, einem Nachbau, an dem ich beteiligt war. Eine wirklich großartige Strecke. 

Das führt uns unmittelbar zu Ihrem anstehenden Rennen in diesem Jahr in Le Mans. Können Sie uns dazu ein wenig mehr erzählen?

Ich habe den V8 Vantage GT4 aus zwei Gründen gekauft. Erstens wegen des hohen Wertes und zweitens, weil er ein Lächeln auf mein Gesicht zauberte – wie es jeder Aston Martin tun sollte. Wenn man mit den alten Autos Rennen fährt, darf man es nicht übertreiben. Weil sie jemandem anderen gehören und besonders wertvoll sind. Es ist zwar ein Privileg, sie fahren zu dürfen, aber der Anstieg des Adrenalinspiegels hält sich in Grenzen. Mit dem GT4 hingegen kann ich volles Rohr geben und es ist ein wirklich schneller Wagen – wir werden an drei Stellen auf der Hunaudières knapp 300 km/h erreichen. Und wenn es regnen sollte, werden die anderen Modelle – DBRS9, DBR9 und Vulcans – nicht einen so großen Vorteil haben. Einen Renn-Aston Martin mit meinem Sohn Felix in Le Mans zu fahren ist unglaublich. Ich fahr mit ihm zusammen seit er 19 ist – und er ist ziemlich gut.

Daneben tragen sie heute sehr viel Verantwortung beim Management von Restaurierungen. Wie sieht Ihre Philosophie aus?

Die Zukunft ist Originalität und Erhaltung – wo immer man etwas erhalten kann, sollte man es tun. Wenn zum Beispiel das Leder alt ist, aber noch nicht gesprungen, werfe man es nie weg. Und man sollte nur Dinge austauschen, die es wirklich nötig haben. Sollten alte Teile dafür ausgebaut werden, sollte man sie dennoch behalten, denn sie sind Teil der Geschichte des Autos. Heute gibt es eine regelrecht obsessive Konzentration auf Details. Ich will nicht kritisieren, wie sie es damals gemacht haben, doch 20 Jahre zurückliegende Restaurierungen sind keine Richtschnur, denn das Denken war damals völlig anders. Es lohnt sich, bei heutigen Restaurierungen noch mehr Zeit und Mühe aufzubringen, weil es sich für diese Autos lohnt. Und weil man damit den Besitzern noch mehr Fahrspaß bereitet.

Was macht den Reiz eines Astons Martins im Vergleich zu einem, sagen wir, Ferrari aus? Warum hat die Marke eine so loyale Anhängerschaft?

Da kommen definitiv mehrere Faktoren zusammen. Zunächst sind die meisten von ihnen einfach schön, und das ist sehr wichtig – ich könnte kein Auto fahren, das mir optisch nicht gefällt. Zweitens kann man beim Fahren die solide Bauweise spüren. Dritter Punkt ist die Motorsport-Historie und last but not least ist da dieser Duft von Connolly Leder – ein vitaler Part des Erlebnisses und etwas, das die Italiener einfach nicht nachahmen können. Witzigerweise habe ich einen Dino in der Garage, der in den 80er-Jahren von Aston Martin Experten restauriert wurde – mit Connolly-Leder! Die James Bond Verbindung spielt auch hinein, wobei ich die Bedeutung für den Appeal der Marke weniger stark einschätze als andere Leute. Ich fuhr übrigens 1965 im Bond DB5 mit – es war bei einem Rennmeeting in Silverstone, mein Vater kannte den Verantwortlichen bei Aston und fragte ihn, ob er mich und meinen Bruder eine Runde um die Strecke mitnehmen würde!

Was ist der beste Aston Martin, den Sie je gefahren sind?

Es hängt davon ab, aus welchem Anlass und für welchen Zweck. Für Straße und Rennstrecke ist der Ulster unschlagbar – auf einer kurvigen Landstraße wird man nie mit einem mithalten können. Ich habe den einzigen DP214 auf der Straße gefahren, und dieses Auto ist elektrisierend und auf spektakuläre Weise fortschrittlich. Der DBR1 wiederum ist der puristischste Rennwagen, den man sich vorstellen kann. Ich bin viele andere Autos gefahren, Ferraris, Porsches und sogar einen Lamborghini, ich habe also gute Vergleichsmöglichkeiten und es nicht so, dass ich mein ganzes Leben im Aston Martin Elfenbeinturm gelebt hätte. Doch am Ende gibt es einen Punkt, an dem Rationalität aufhört zu existieren. Diese Autos sind einfach in meinem Blut. 

Als Sie aufwuchsen, waren Aston Martins für die meisten eher ein Hobby. Wie fühlt es sich für Sie an, dass diese Autos heute so wertvoll sind?

Ambivalent. Es lohnt sich heute die Autos instand zu setzen und sie in perfektem Zustand zu halten. Die große Zahl an DB5, die aus Scheunen geborgen und gerettet wurden, ist außerordentlich. Doch die schlechte Nachricht ist, dass viele jener wahren Enthusiasten, die diese Autos in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren am Laufen hielten, es sich nicht mehr leisten können, ein solches Modell zu kaufen oder zu behalten. Das Hobby war damals wichtiger als der Besitz, während es heute häufig umgekehrt ist, was sehr schade ist. Ich kenne eine Reihe von Leuten, die zum Beispiel einen DB5 erwarben und ihn nach Vorbild des Bond-Autos silbern lackiert haben. Jetzt gibt es einen Markt für silberne DB5 und es geht fast nur noch ums Image – nicht das, worum es für mich geht.

Wenn Sie sich unabhängig vom Preis einen speziellen Aston Martin aussuchen könnten – welchen würden Sie wählen?

Nur einen, das ist zu schwer. Doch habe ich eine eher kleine Garage, daher würde ich es bei drei belassen: DB4GT Zagato, Ulster und vielleicht noch den neuen Vanquish S. 

Fotos: Tom Shaxson für Classic Driver © 2018

Sie finden eine breite Auswahl an klassischen und modernen Aston Martin zum Verkauf im Classic Driver Markt gelistet.