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Rush Hour - Vollgas in Imola mit einem Porsche 935 Kremer K3

Als Rémi Dargegen das Angebot bekam, einen brachialen Porsche 935 Kremer K3 auf der historischen italienischen Rennstrecke von Imola zu fotografieren, zögerte er natürlich keinen Augenblick. Hier sind seine Eindrücke von einem unvergesslichen Tag.

Tamburello, Rivazza, Acque Mineralli - Monza mag zwar die anerkannte Arena der Hochgeschwindigkeit in Italien sein, aber es ist der Kurs von Imola, der den Fahrern höchsten Respekt erworben hat, nicht zuletzt wegen der tödlichen Unfälle von Ayrton Senna und Roland Ratzenberger an jenem verhängnisvollen Wochenende in 1994 beim Grand Prix von San Marino. Vor der Kulisse der typisch sanften Hügellandschaft der Emilia Romagna, strahlt diese Highspeed-Rennstrecke mit der Kraft der Historie - eine Atmosphäre, die man auch in Le Mans und Spa-Francorchamps spürt, eindrucksvolle Orte, die ebenfalls Motorsportgeschichte atmen.

Eine glückliche Fügung will es, dass das Auto, das wir heute auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari fotografieren werden, seinem Piloten ebenfalls alles abverlangen wird: der machtvolle Porsche 935 Kremer K3. Mit Schürzen, die fast den Boden touchieren, einem gewaltigen Heckspoiler und extremen, fast karikaturhaften Formen spürt man beim Porsche 935 noch ehe das Triebwerk gezündet worden ist, die unbändige Leistung. Man fragt sich staunend, ob sich wirklich in diesem Ungetüm ein 930 Turbo verbirgt? Als Dominator der Gruppe 5-Sportwagenserie bei den Rennen in Europa und den USA zwischen 1976 und 1982 eilt diesem Turbo-Titan ein Ehrfurcht gebietender Ruf voraus.

Es verrät viel über den dauerhaften Erfolg dieses Modells, dass gerade dieses Exemplar, das als eines von 13 im Jahr 1977 das Werk als Kundenfahrzeug verließ, um dann von Kremer umfassend für die in Le Mans siegreiche K3-Spezifikation optimiert worden zu sein, die nächsten zehn Jahre im Motorsport unterwegs war. In dieser Zeit ging es für so unterschiedliche Akteure wie dem ursprünglichen Eigner, das Gelo Racing Team von George Loos, das legendäre, mit Lancia verbundene Jolly Club Team, Racing Associates und Cooke Woods Racing an den Start. Die auffälligen Stallfarben in blau und gold gerade der letzten Besitzer trägt der Rennwagen noch heute. 

Am Steuer saßen Größen wie Derek Bell, Tim Schenken, Rolf Stommelen, Brian Redman und Hurley Haywood, die mit dem 935 annähernd 30 Rennen auf drei Kontinenten bestritten. Zu den beachtlichen Resultaten, die im Lauf dieser Karriere eingefahren wurden, zählen Siege bei den Nürburgring 1000Km und den Vallelunga 6 Hours 1977, Gesamtzweiter bei den Sebring 12 Hours in 1981 und ein fünfter Platz in Le Mans 1982.  An der Sarthe war es auch ein passend französisches Trio aus den Fahrern Dany Snobeck, François Servanin und René Metge, die sich nur den Werks-Porsche 956-Prototypen und John Fitzpatricks extrem entwickelten Porsche 935/78 beugen mussten. Eine außerordentliche Leistung für ein Privatteam, das ein fünf Jahre altes Auto am Start hatte. 

Festzustellen, dass dieser Rennwagen, der von Èquipe Europa vorbereitet wurde, sich tapfer in seinen Dienstjahren geschlagen hat, ist wohl stark untertrieben. Von den hitzigen Duellen, die er sich seinerzeit mit anderen geliefert haben muss, sieht man an der makellos restaurierten Karosserie keine Spur, die in einem hinreißenden, fast metallischem Blau schimmert und mit diesen schon optisch schneller wirkenden Streifen, so typisch für die achtziger Jahre, akzentuiert ist. Aber im spartanischen, aufs Wesentliche reduzierten Cockpit sieht man dem 935 sein Alter an. Aber es steht ihm, zumal diese Patina Zeugnis von einer bewegten Historie ablegt. Es besitzt seinen ganz eigenen Charme mit dem Parfum öligen Metalls und angereichert mit dem Schweiß eines jeden Fahrers, der die Chance bekam, dieses brachiale Monster auf einer Rennstrecke zu meistern. 

Wird das Triebwerk endlich gezündet, vernimmt man im Leerlauf weniger ein Grummeln als ein aggressives Prusten, das scharf tönende Gebrabbel eines noch kalten Sechszylinderboxermotors, der nach Luft schnappt. Um die Fotos für den Gesamteindruck in Imola schießen zu können, musste der 935 vergleichsweise gemächlich rollen. Aber allein dabei zu erleben, wie er sich die Scheitelpunkte der Kurven vornimmt, unmittelbar neben uns vorwärts springt, ist schon spektakulär und so atemberaubend hautnah wie man ihn nie von einer Tribüne aus sehen konnte. Mit einem Wort: ein Biest.

Und wie ist es hinter dem Steuer? Da lassen wir lieber den Besitzer, ein sehr erfahrener Rennfahrer, der sich sowohl im historischen wie modernen Rennsport bewegt, zu Wort kommen (aus Diskretion verzichten wir auf seinen Namen): „Alle Porsches verfügen über eine eigene, spezielle Bedienungsanleitung, aber das schwierigste Auto, das ich zu besitzen und fahren die Ehre hatte, war der in Sebring sieghafte und von Budweiser gesponserte 935/77. Kein Differential war stark genug, diese Leistung zu kanalisieren. Das Auto hat 750 PS, einen Turbolader und eine gerade Hinterachse - eine Kombination, die für ein sehr interessantes Fahrerlebnis sorgt. Die Verzögerung dauert so lang, dass man tatsächlich kurz bevor man einlenkt, beschleunigen muss und dabei aber hofft, dass der Turbo anspringt und man nicht zu hastig reagiert hatte. Es ist sehr befriedigend, wenn einem das Kunststück gelingt und der schiere Horror wenn nicht.”

„Nachdem ich 2012 die französische CER-Meisterschaft gewonnen hatte, schien die Zeit gekommen, zum ultimativen Porsche 911 zu avancieren: der Kremer K3. Von außen sieht das Auto furchterregend aus, aber eigentlich fährt er sich überraschend gut - durch den Einbau des zweiten Turboladers verwandelt sich diese Verzögerung eher in Erwartung als in lähmende Ungewissheit und das Fahrzeug bleibt bei jeder Geschwindigkeit stabil. Man kommt sich vor wie in einem Zug - die Turbos arbeiten auch dann noch, wenn man mit 310 Stundenkilometer die Schikane auf der Mulsanne-Geraden erreicht. Das Auto ist zwar nicht tricky, aber man sollte dem unbändigen Vorwärtstrieb von 830 PS Respekt zollen. Ihn zu fahren, bedeutet harten körperlichen Einsatz, aber man wird mit unendlichem Genuss belohnt. Bei jeder schnellen Kurvenausfahrt wird das Lenkrad leicht während das Auto in einem Moment aus Freude und Angst abhebt - ein Erlebnis, das einem nur der K3 beschert.”

„Von Anfang an war ich bei jeder Le Mans Classic dabei, und mit allen möglichen Rennwagen - vom Lotus Elan bis zu einer Lola T70. Ich hatte auch das Glück, „im Großen” dreimal sowohl in der GTE wie auch der LMP1-Kategorie fahren zu dürfen. Aber es gibt nichts, was sich vergleichen lässt mit diesem Hochgefühl, wenn man mit kreischenden Turbos über Les Hunaudières jagt und weiß, dass diese Porsche-Bremsen verlässlich eingreifen, wenn man langsamer werden muss. Und noch etwas: Diese Stichflammen, die aus dem Heck beim Abbremsen entstehen, helfen dabei, die Kurven bei Nacht auszuleuchten. Diese deutschen Ingenieure denken wirklich an alles.”

Vom Kofferraum unseres nun wirklich langsamen Fotoautos aus konnten wir uns einfach nicht entscheiden, was uns besser gefiel: Der Sound der rauschenden Turbos oder das heisere Bellen des Motors. Überhaupt steckt in so einer Erfahrung Suchtpotenzial. Manche mögen es nicht, aber für uns ist es ein Teil der Leidenschaft, die den 935 und seine Epoche umweht. Eine Zeit, als sich der Motorsport einem unstillbaren Leistungshunger hingab. Danke, Imola, Sie waren uns ein außergewöhnlicher Gastgeber. 

Fotos: Rémi Dargegen © 2019 

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