Die Aufmerksamkeit der Szene liegt eindeutig auf den millionenschweren GTO und Spyder California Modellen. Der 250 GTE ist ein eher diskreter Vertreter, der fraglos immer auch seine Enthusiasten hatte und hat. Dennoch galt der GTE viele Jahre als „Starter-Ferrari“. Schlimmstenfalls musste er sogar als Teilespender für 250 GT SWB Modelle oder – noch tragischer – als Basis für GTO-Nachbauten dienen. Diese respektlosen Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Der GTE ist mittlerweile selbst begehrt und auch bei Insidern als wunderbarer Berlinetta akzeptiert.
Das Debüt des 250 GTE geschah zu überaus passender Gelegenheit: Beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans im Jahre 1960 diente ein rot lackierter Prototyp als „Safety-Car“. Allerdings: Seine verschiedenen Wettbewerbs-Geschwister stahlen dem GTE ziemlich die Show. Sie belegten die Plätze eins, zwei, vier, fünf, sechs und sieben. Fulminanter ging es kaum. Potente 250-GT-Rennwagen mit kurzem Radstand nahmen die Plätze vier bis sieben ein, während sich ein Aston Martin DBR1 auf den dritten Platz kämpfte. Andernfalls wäre der italienische Sieg absolut triumphal ausgefallen.



Doch wer damals einen eleganten Gran Turismo suchte, der erhielt mit dem 250 GTE einen Wagen mit wunderbarer Formensprache, mit dem legendären Zwölfzylinder-Motor, mit großzügigem Gepäckraum, mit sportlichen Erfolgen bei der Mille Miglia und der Tour de France Auto – ein echter Allrounder und schön dazu. Scheibenbremsen und ein Getriebe mit Overdrive sorgten derweil für Sicherheitsreserven und Komfort. Gleichzeitig erschloss der Hersteller Ferrari mit diesen mehr zivilisierten Fahrzeugen neue Käuferschichten. Galten die vorigen Sportwagen als Autos für die „Superreichen“, so waren die Sportwagen nun auch für „Normalreiche“ erschwinglich. Das ist unverändert so.



Verglichen mit dem 250 GT Pininfarina Coupé wurde der klassische 3,0-Liter-V12-Motor weiter vorne im Chassis verbaut. Dies sorgte für mehr Platz im Cockpit und somit für mehr Freiraum für Fahrer und Beifahrer. Der Gran Turismo ist auch insgesamt größer und schwerer als die übrigen zweisitzigen Sportwagen. Gleichzeitig war der GTE flacher gehalten als das Pininfarina Coupé. Damit wirkte er ausgewogener und formal schlüssiger. Der gesamte Charakter dieses Fahrzeugs erinnert eher an einen Maserati oder Aston Martin als einen typischen Ferrari jener Epoche.
Sein Presse-Debüt erfuhr der 250 GTE bei der Paris Auto Show im Jahr 1961. Insgesamt entstanden rund 1.000 Fahrzeuge in drei verschiedenen Serien. Mit seiner Auslegung als 2+2 Sitzer, der auch tatsächlich vier Personen Platz bot, und einer optionalen Klimaanlage brachte er eine neue Klasse Kunden nach Maranello. Heute sehen Ferrari 250 GTE besser aus als je zuvor. Die klaren Linien und das zeitlos wirkende Ferrari-Design, dazu der feine V12-Motor, der Name, die Aura – all dieses zeichnet den begehrenswerten GT aus. Dabei sollte man den Wagen nicht unbedingt in klassischem Ferrari-Rot wählen. Die Farbe ist zu Effekt heischend und schluckt die Eleganz. Subtiler wirken Farben wie Gunmetal-Grau, Silber, Elfenbein, Dunkelblau oder Dunkelgrün. Mit einem solchen Auftritt verdreht der GTE die Köpfe. Und findet zurecht seinen Platz in den besten Fahrzeug-Sammlungen der Welt, wo er meist Seite an Seite mit seinen illustren 250-GT-Schwestern parkt. In bester Gesellschaft also.
Fotos: Artcurial