Sie gelten als ultimative britische Luxury Cruiser und so solide wie ein englisches Jagdschloss – dabei sind die V8- und V12-Modelle von Bentley auch leistungsstarke und anspruchsvolle Automobile für sportliche Fahrer. Die sportive Tradition geht auf die todesmutigen „Bentley Boys“ der 1920er Jahre zurück, die mit monströsen Rennwagen wie dem 4½ Litre Blower die Rennstrecken (und manchmal auch Ballsäle) unsicher machten. Mit vier Siegen in Folge bei den 24 Stunden von Le Mans haben sich Woolf Barnato und Tim Birkin nicht nur in den Rennsport-geschichtsbüchern verewigt, sondern auch den internationalen Erfolg von Bentley mit eingeleitet. Doch was würden die Gentleman-Rennfahrer heute fahren? Einen Bentley Brooklands vielleicht, in Erinnerung an ihre Erfolge auf der gleichnamigen englischen Rennstrecke? Oder den neuen, rasanten Continental GT Speed?
Der Automobildesigner Ben Knapp Voith hat noch eine bessere Antwort parat. Das Bentley Barnato Roadster Concept ist eine Neuinterpretation der historischen Bentley-Rennwagen – und kommt konsequent ohne Radhäuser, Dach und ähnliche Komfort-Features aus. Entstanden ist der Prototyp während eines achtmonatigen Praktikums bei Bentley Motors in Crewe, unterstützt wurde Knapp Voith direkt von Bentley-Designchef Dirk van Braeckel und seinem Team. „Zunächst ging es mir darum, die Essenz der frühen Bentley-Form zu ergründen“, berichtet Knapp Voith. „Die steilen Frontpartien der Vorkriegs-Rennwagen und die grazilen Kurven eines R-Type Continental musste ich im nächsten Schritt in eine moderne Formensprache übersetzen.“ Die minimalistische Architektur mit ihren offenen Rädern wählte der Designer nicht nur als Reminiszenz an die historischen Rennsport-Modelle, sondern auch als deutliche Abgrenzung zur aktuellen, straßentauglichen Modellpalette.
Die Form des Monocoque ist somit sehr dominant und gibt den Rhythmus des gesamten Wagens vor. Mit dem schmalen, vertikalen Grill und dem langgezogenen Karosseriekörper erinnert der Bug an einen stromlinienförmigen Zug bei voller Fahrt. Auf Höhe des Fahrers werden die Formen dann weicher, aber auch muskulöser, um dann schließlich in einem äußerst eleganten Bootsheck auszufließen. Aus der Vogelperspektive fällt zudem auf, dass der Roadster nicht symmetrisch gestaltet ist – die Feature Line erinnert sogar an die Form einer Rennstrecke. Auch der Beifahrersitz, der unter einer Abdeckung verschlossen bleibt, ist ein wenig zurückgesetzt.
Als Basis für den Retro-Rennwagen dient das Chassis des aktuellen Bentley Continental GT. Um die Fronthaube möglichst lang erscheinen zu lassen, wurde der Fahrersitz jedoch ein gutes Stück nach hinten versetzt. Dadurch konnte der Motor im Sinne einer besseren Gewichtsverteilung auch weiter ins Zentrum des Wagens rücken, jedoch noch immer seine Position zwischen Fahrer und Vorderachse beibehalten. Dies wird sich auf der Rennstrecke durch eine besonders gute Fahrdynamik auszahlen. Nicht nur die Komfort-Features wurden ersatzlos gestrichen – auch der Allradantrieb des Serien-Continental entsprach nicht dem puristischen Konzept des Designers. Knapp Voith entschied sich für einen reinen Heckantrieb mit DSG-Getriebe an der Hinterachse. Als Antrieb kommt derweil kein schwerer V12 oder V8 zum Einsatz, sondern – dem Volkswagen-Baukasten sei Dank – eine modifizierte Version des V6-Kompressormotors aus dem Audi S4. Um das Gewicht so gering wie möglich zu halten, würde die Karosserie einer potenziellen Kleinserie aus Carbon gefertigt.
„Wenn Bentley sich jemals entschließen sollte, ein solches Projekt in die Realität umzusetzen, wäre natürlich eine besonders spitze Zielgruppe angesprochen“, sagt Knapp Voith gegenüber Classic Driver. „Wahrscheinlich wäre es sinnvoll, den Roadster nur für ausgesuchte Kunden zu produzieren, die damit – ähnlich wie bei Ferraris FXX-Projekt – ausschließlich auf der Rennstrecke fahren. Das wäre ein wirklich exklusiver Club, und damit sicherlich auch ganz im Sinne der alten Bentley Boys.“ Bisher wurde das Bentley Barnato Roadster Concept nur bei einem exklusiven Event am Art Center College of Design im kalifornischen Pasadena gezeigt, wo Knapp Voith gerade sein Studium erfolgreich beendet hat. Der Designer selbst lebt mittlerweile in Europa und verfolgt seine Design-Karriere – Fortsetzung der Bentley-Idee nicht ausgeschlossen.
Fotos: Ben Knapp Voith / Art Center College of Design