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Ferruccio Lamborghinis persönlich konfigurierter Islero ist ein Meisterwerk

Manche Autos sind eben doch gleicher als andere, denn ein handverlesener Kreis wurde eigens von den Männern hinter den Marken, die sie hergestellt haben, ausgewählt. Der betörend schöne Lamborghini Islero GT ist eines dieser Autos mit einmaligem persönlichen Status.

Gibt es irgendeine andere Automarke, die mit so vielen Best of-Hits in ihrer Modellgeschichte aufwarten kann wie gerade Lamborghini? Der Miura hat sich im Gedächtnis als Geburtsstunde des Supersportwagens etabliert. Der Countach verkörpert einen Paradigmenwechsel im Autodesign. Der Diablo galt als Top-Predator in der Supercar-Futterkette der neunziger Jahre, und selbst der betörend geschwungene 350 GT als allererster Lamborghini besaß einen Poster-Appeal, der es damals mit jedem Ferrari aufnehmen konnte.

Angesichts dieser Familienaufstellung lässt sich durchaus nachvollziehen, dass die zurückgenommene und vornehme Formsprache des Islero oft nicht die Anerkennung erhielt, die sie verdient hätte. Was nicht bedeuten soll, dass es sich hier nicht um ein ebenfalls fantastisches Auto handelt. Ganz im Gegenteil, es gab da nämlich einen Mann, der den Islero vergötterte: Ferruccio Lamborghini höchstpersönlich.

Diese Geschichte beginnt in 1968, genauer gesagt Anfang Mai. Lamborghini hatte gerade den Nachfolger des 400GT 2+2 beim Genfer Autosalon enthüllt – der Islero GT, den die Gebrüder Marazzi entworfen hatten – und Ferruccio testete ein weißes Exemplar während eines kurzen Roadtrip zum Iseosee in der Lombardei, um den Schöpfer einer kleinen Bootsmanufaktur namens Carlo Riva zu treffen.

Ferruccio war am Lago d` Iseo um seine eigene Riva Aquarama zu bestellen. Wie Sie sicherlich wissen, wünschte er, dass seine Riva von einer Anordnung von 4,0-Liter-V12 von Lamborghini anstelle der üblichen Chevy-V8 angetrieben werden sollte. Carlo Riva versprach, diese Sonderbestellung rechtzeitig bis zum Sommer fertigzustellen und Ferruccio machte sich auf den Weg zurück nach Sant´ Agata.

Unterwegs erlebte Ferruccio so viel Fahrspaß, dass er bei seiner Rückkehr in die Lamborghini-Zentrale sofort Verkaufsdirektor Ubaldo Sgarzi aufsuchte. Sein Auftrag war denkbar einfach: Er wünschte seinen eigenen, sonderangefertigten Islero – und natürlich in einer Konfiguration, die seiner neuen Riva gleichen sollte. Sgarzi konnte unter diesen Umständen nicht nein sagen und versprach eine Auslieferung im August. In einer Manier, die dem Chef einer Supercar-Marke angemessen ist, hatte Ferruccio am selben Tag eine Riva und einen Lamborghini bestellt. Was für eine Persönlichkeit!

Lassen Sie uns tief in diesen wunderschönen Lamborghini eintauchen und mehr über Ferruccios Sonderwünsche erfahren. Mit einem Exterieur in Azzuro und einem in prachtvollem Leder in Tabacco ausgekleideten Cockpit wirkt diese Kombination auf dem Wasser nicht minder überzeugend wie auf der Straße. Wie Sie sehen, ist die gesteppte Verarbeitung für die Ledersitze und die Türverkleidungen einmalige Elemente dieses Islero. Eine weitere coole Maßanfertigung ist der hölzerne Tankdeckel im Riva-Stil. Obwohl dieser Solitär während seiner Karriere zwei Restaurationen unterzogen wurde, blieb die Innenraumgestaltung so erhalten, wie sie Ferruccio Lamborghini ursprünglich bestellt hatte. 

Die Marazzi-Karosserie mit Nummer 25069 wurde am 17. Juli 1968 nach Sant´ Agata geliefert und damit begann eine der anstrengendsten Konstruktionsprozesse, welche die Lamborghini-Spezialisten bis dato erlebt hatten. Ferruccio nahm in der letzten Juliwoche seinen neuen Liebling entgegen – gerade rechtzeitig für die Ferienfahrt zu seiner Villa am Strand von Rimini. Wenige Tage später fand sich auch die maßangefertigte Riva ein. 

Obwohl das Auto unter der Automobili Ferruccio Lamborghini SpA zugelassen war – Miura SV #5028 und Countach LP 400 S2 #112.1164 waren übrigens die beiden einzigen Lamborghini, die in Ferruccios Namen zugelassen waren -, genoss der Firmengründer seinen höchstpersönlichen Islero GT für mehr als 20 Monate. Er fuhr seine Juwel wie ein Torero am Steuer bis die Uhr 4.000 Kilometer anzeigte, dann ersetzte er den Islero mit dem damals neu vorgestellten Jarama.

Anfang 1970 besuchte Edward Scott aus Sun Valley im US-Bundesstaat Idaho das Werk in Sant´ Agata mit dem erklärten Ziel, einen Werks-Vorführwagen zu kaufen. Als er aber von dem einzigartigen Islero mit Low Mileage und einem einmaligen Erstbesitzer hörte, packte er sein Glück bei den Hörnern. Am 2. Februar schrieb Ferruccio mit seinem persönlichen Briefkopf – „Comm. Ferruccio Lamborghini“ – an Mister Scott, wie viel Vergnügen er am Steuer von Nummer 6201 erlebt hatte. Dieses Schreiben begleitet bis heute diesen großartigen Islero. 

Nummer 6201 kam im Mai 1970 in den USA an und Scott hatte wohl bis 1979 an seinem Besitz Freude. Allerdings entdeckte Olivier Nameche, der Historiker, der diesen Lamborghini recherchierte, eine Anzeige im „Wall Street Journal“ vom 17. Juni 1970, die belegt, dass Scott schon sehr früh versucht hatte, aus der beeindruckenden Provenienz seines neuen Lamborghini Kapital zu schlagen. 

Heute befindet sich dieser unvergleichliche Repräsentant des wohl stilvollsten Grand Tourer aus dem Stall Lamborghinis in der liebevollen Obhut des nunmehr achten Besitzers. Nummer 6201 verbringt einen verwöhnten „Ruhestand“ an der Seite einiger anderer Lamborghini. Einige von ihnen wurden ebenfalls von Ferruccio selbst gelenkt: Ein passender Abschlussakkord für eine atemberaubende mobile Skulptur.

Photos by Błażej Żuławski