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Würden Sie mit ihrem Klassiker im Rallyetempo von London nach Lissabon fahren?

Mit dem Autoklassiker von London aus einmal quer durch Europa bis nach Lissabon zu fahren, ist schon eine Herausforderung. Noch bemerkenswerter ist es, dies bei HERO-ERAs London 2 Lisbon Rallye am Steuer eines klassischen Mini zu tun – und dabei auch noch zu gewinnen! Ein rasanter Reisebericht.

Der mächtige Mini hat so manche Erfolgsgeschichte geschrieben, wenn es um Kämpfe zwischen David und Goliath ging. Man denke nur an die Siege bei der Rallye Monte Carlo der 60er-Jahre. Nun hat das Vater-Sohn-Team Dick und Harry Baines die Liste der Erfolge des genialen Kompaktwagens erweitert, mit einem Sieg bei der diesjährige HERO-ERA „London to Lisbon Classic Rally“ gegen die favorisierten Porsche 911, Ford Mustangs und großen Healeys.   

Nachdem sie im vergangenen Jahr wegen Corona ausgefallen war, gingen bei der normalerweise alle zwei Jahre ausgetragenen Veranstaltung am 21. April mehr als 40 Teilnehmer an den Start. Von Brooklands ging es auf eine  zehntägige und 3200 Kilometer lange Odyssee mit 42 Gleichmäßigkeitsstrecken und acht Sonderprüfungen.

Das erlesene Starterfeld reichte von einem La France Runabout aus dem Jahr 1917 (ohne Wetterschutz) bis hin zu den etatmäßigen Rallye-Favoriten wie Ford Escort, Volvo Amazone und MGB. 

Als Folge des Corona-Lockdowns war dies die erst zweite länderübergreifende Rallye, die HERO-ERA seit 2019 veranstaltet hat (die andere war der Classic Marathon vom Juli letzten Jahres, der nach 483 Tagen Pause wieder zu einem internationalen Format zurückkehrte). 

Infolgedessen gingen einige London-Lissabon-Autos ohne die übliche Vorbereitung an den Start - der Datsun 240Z von Roy Stephenson und Peter Robinson aus dem Jahr 1971 hatte beispielsweise drei Jahre lang in einer Garage gestanden, und der Triumph TR6 von Paul und Sandra Heaney war nur drei Wochen vor dem Start noch ein Sammelsurium von Teilen gewesen. 

Nach einem ersten Test auf der alten Brooklands-Steilkurve fuhren die Autos durch eine Reihe malerischer englischer Dörfer in Richtung Sussex und South Downs, um so Portsmouth zu erreichen und über Nacht mit der Kanalfähre nach St. Malo überzusetzen. 

Am zweiten Tag ging es durch das ländliche Frankreich in Richtung des ersten Nachtstopps Poitiers, eine Fahrt, die mit drei „regulären" und einer Sonderprüfung unterbrochen wurde. Im Zwischenklassement lag der Dreiliter-Healey von Ken und Sarah Binstead vorn, gefolgt vom Mini der Baines und einem weiteren Healey mit Graham Platts und Neil Ripley.

Am nächsten Tag hatten sich die zuvor sonnigen Bedingungen auf der ganzen langen Strecke bis nach Montauban in Regenwetter verwandelt. Den Großteil musste der Mini auf nur zwei Zylindern zurücklegen, wodurch er steile Passagen mit gerade mal acht km/h meistern musste. Ziel des vierten Tages war Andorra. Was bedeutete: Anspruchsvolle Steigungen und dünne Luft in den Pyrenäen, die alten Vergasern besonders zu schaffen machte. 

Ein Hochgeschwindigkeitstest auf einer Kartbahn ging dem Angriff auf die Berge voraus, wo die Autos in Serpentinen eine Höhe von 2.500 Metern erklommen und von strahlender Sonne in dichte Wolken gerieten, aus denen sich dann auch noch Regen und Graupel ergossen.

Am Ende des Tages lag der Binstead Healey weiter in Führung. Er behielt sie auch am fünften Tag auf der Fahrt nach Pamplona, bei der die breiteren Autos, wie der 911 von Tony Sutton und Bernard Northmore, in den bemerkenswert engen Straßen einiger Bergdörfern Mühe hatten, nicht steckenzubleiben.

Für Nigel und Sally Woof bedeuteten die steilen Anstiege das Aus, nachdem das Getriebe ihrer Alfa Giulia Baujahr 1963 den Dienst quittiert hatte. 

Die Binsteads waren weiterhin siegesgewiss, als die Teams die spektakulären Straßen der Picos de Europa befuhren, Passagen des Pilgerwegs nach Santiago di Compostela passierten und am sechsten Tag einen Kurs nach Süden einschlugen. Doch das Schicksal (und eine zuvor beschädigte Halterung) griffen ein und sorgten dafür, dass der tief auf der Straße liegende Healey seine komplette Auspuffanlage verlor - und damit auch jede Chance, die Veranstaltung zu beenden. 

Für die anderen endete eine lange und uninteressante Autobahnfahrt mit einem Mittagessen in der mittelalterlichen Festung Torre Loizaga, in der sich die nach eigenen Angaben „vollständigste Rolls-Royce-Sammlung Europas“ befindet.  

Im weiteren Verlauf wurden Neil Lawson-May und Richard Williams in ihrem Lancia Fulvia von einem Rudel knurrender Hofhunde von der Straße gedrängt und mussten mit einem Traktor aus dem Graben gezogen werden. Sie überlebten jedoch und nahmen den spektakulären Machucos-Pass in Angriff, während zugleich Vater und Sohn Baines im Mini den Tag mit einem Vorsprung von 39 Sekunden als neue Gesamtführende beendeten. 

Das Ziel des siebten Tages, Puente Viesgo in Kantabrien, sahen nur noch 37 Autos. Und nach weiteren Stunden des Ringens mit den Lenkrädern auf kurvenreichen Bergstraßen machte sich bei einigen Besatzungen erstmals Müdigkeit bemerkbar. Am Ende dieser Etappe - und einem weiteren Spezialtest auf einer Kartbahn - lag der Mini weiterhin in Führung, mit einer Minute Vorsprung auf Nick Maris und Henry Carr in ihrem Datsun 240Z und Stephen Owens und Pete Johnson in einem Porsche 911.  

Eine ganze Woche nach dem Start war das Ziel des nächsten Tages Vidago im portugiesischen Kreis Chaves.  Auf weiteren Bergpässen mussten die Autos bis zur 2.000-Meter-Marke klettern und dabei eine maximale Steigung von 19,4 Prozent erreichen - die der 105 Jahre alte La France mit Bravour meisterte. 

Am Nachmittag überquerten die Teams die Grenze nach Portugal, wo sie drei Prüfungen zu bewältigen hatten, ehe sie im luxuriösen Hotel Vidago Palace eincheckten. 

Der Mini von Baines nahm den neunten Tag weiterhin als Führender in Angriff. Doch der Mars/Carr 240Z und der Owens/Johnson 911 hatten ihre Rückstände verkürzt, und nun stand als nächste Prüfung das historische Caramulo-Bergrennen an, wo die beiden PS-stärkeren Autos 30 Sekunden schnellere Zeiten fuhren als der Mini. 

Die Bestzeit stellte jedoch der Healey von David Coxon und Phil Hawkins auf, der den Anstieg in nur 2:26 Minuten bewältigte - was aber auch nicht reichte, um den Mini zu überholen, der den vorletzten Tag noch immer auf dem ersten Platz beendete, wenn auch nur mit dem haudünnen Vorsprung von acht Sekunden. 

Die letzte Etappe von Coimbra nach Lissabon hatte es mit fünf Prüfungen noch einmal in sich. In deren Verlauf der Tony Sutton und Bernard Northmore im Porsche 911 SC den Markenkollegen Owens/Johnson in einem 911 SWB den dritten Platz wegschnappten. 

Doch der Baines-Mini behielt die Oberhand und bescherte dem Vater-Sohn-Gespann mit einem Vorsprung von 15 Sekunden den Sieg - ein bemerkenswertes Ergebnis für ein Team, das erst im vergangenen Jahr mit dem Rallyefahren begonnen hatte. Und für ein Auto, das bis kurz vor dem Start 21 Jahre in einem Schuppen gestanden hatte. 

Wenn Sie jetzt Lust auf eine solche Langstreckenrallye bekommen haben, sollten Sie sich den Termin der nächsten HERO-ERA Rallye schon einmal dick im Kalender anstreichen: die vom 1. bis 13.September von Athen nach Rom führende Temple Rallye.

Einen Vorschlag hätten wir jedoch: Beginnen Sie schon jetzt mit den Vorbereitungen...

Fotos: Will Broadhead

Verspüren Sie den brennenden Wunsch, auch einmal auszurücken und Spaß mit Ihrem Auto zu haben, dann prüfen Sie die komplette Liste aller HERO-ERA-Events, die aktuell Nennungen für 2022 und 2023 entgegennehmen.