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Wie ein Mille Miglia-Sieger von Porsche zu neuem Leben erwachte

Bei den „1000 Meilen“ von 1956 rettete ein schwedischer Privatfahrer mit dem Sieg in der GT-Klasse bis 1,6 Liter die Ehre des Hauses Porsche. Jetzt erstrahlt der fast 50 Jahre verschollen geglaubte 356 nach originalgetreuer Restaurierung durch die Spezialisten von Boxer Motor wieder wie neu...

Olof „Grus Olle“ Persson (1911-1971) zählte in den Fünfzigerjahren zu den erfolgreichen Privatrennfahrern Schwedens. Schon 1952 gewann er auf einem Porsche 356 1500 Super die erstmals 1950 ausgetragene Rallye der Mitternachtssonne (Midnattssolsrallyt), auch in den drei folgenden Jahren ging der Sieg bei diesem Vorläufer der späteren Schweden Rallye an Piloten des Zuffenhausener Sportwagens. Perssons größter Erfolg war jedoch der Sieg in GT-Klasse bis 1,6 Liter bei der Mille Miglia von 1956. Den dort eingesetzten 356 A Carrera mit Fahrgestellnummer 56063 holte der Skandinavier brandneu selbst in Stuttgart ab, um – mit einem Zollkennzeichen – von dort direkt zum Start der Mille in Brescia zu fahren. Ferry Porsche, der bekanntlich ein Herz für Privatiers hatte, gewährte ihm einen zehnprozentigen Rennfahrerrabatt.

Persson startete früh, um 2:55 Uhr in der Nacht, wie es die bei allen Teilnehmern vor Ort und per Hand mit weißer Farbe aufgepinselte Startnummer dokumentiert. Dazu muss man wissen, dass bei der Mille die Favoriten auf den Gesamtsieg in ihren hubraumstarken Prototypen immer erst zum Schluss losgelassen wurden. 1956 zum Beispiel war das Juan Manuel Fangio im Ferrari 290 MM, der um exakt 6 Uhr als Letzter von der Startrampe rollte.

Den Anfang machten viele Stunden vorher winzige Fiat, Renault, Panhard und andere, die dann von den Favoriten nach und nach mühsam überholt werden mussten. Während die Werks-Porsche, darunter der 550 RS Spyder von Hans Herrmann und Werner Enz mit Startzeit 4:19 Uhr oder der von Giovanni Bracco solo gesteuerte Porsche (Startzeit 4:29 Uhr) ausfielen, retteten zwei private Porsche 356 die Ehre Stuttgarts. Persson und Beifahrer Gunnar Blomqvist liefen auf Platz 18 im Gesamtklassement in Brescia ein und gewannen nach 13:32.64 Stunden Fahrzeit mit 7.43 Minuten Vorsprung auf die Markenkollegen Max Nathan (Deutschland) und Gert Kaiser (Schweden) bei den die GT bis 1,6 Liter Hubraum.

Die Mille von 1956 ging als eine der chaotischsten Ausgaben der berüchtigte 1000 Meilen ein. Schon in jenem Jahr deutete sich ein Ende des Wahnsinns an, auf öffentlichen Straßen mit irrwitzigen Geschwindigkeiten und ohne wirklichen Zuschauerschutz durch halb Italien zu donnern. Zu allem Überfluss schüttete es beim Rennen von 1956 auch noch wie aus Kübeln. Als Folge gab es mehrere tödliche Unfälle und fast die Hälfte aller Starter fiel mit technischen Defekten aus, darunter auch wie erwähnt Hans Hermann, der kurz vor Rom mit völlig durchnässter Zündanlage abstellen musste.

Für Persson, damals mit 45 schon nicht mehr der Jüngste, war es die erste Mille Miglia. Als erfolgreicher Bauunternehmer fuhr er auch andere Fabrikate, wie Mercedes 300 SL und verschiedene Ferrari. In seinem bordeauxroten Porsche mit den großen Kompressorhupen auf der vorderen Stoßstange trat er 1957 bei der dann letzten Ausgabe der Fernfahrt nochmals an, diesmal mit Startnummer 227 und dem schwedischen Kennzeichen AA-3833. Doch diesmal kam er nicht ans Ziel, wenngleich sich Porsche über einen dreifachen Klassensieg freuen konnte. Mit der Top-Paarung Paul-Ernst Strähle und Herbert Linge an der Spitze des 356er-Trios.

Für das 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring 14 Tage später verlieh Persson seinen Wagen an Herbert Linge und Hans Walter, die damit auf Platz 26 im Gesamtklassement und hinter zwei weiteren 356ern auf Platz drei in der GT-1,6-Klasse einliefen. Persson selbst setzte seinen 356 zuletzt im Februar/März 1958 bei vier nationalen Events an, die er mit drei Siegen und einem dritten Platz beendete. Am 28. August 1958 verkaufte er dann den Porsche und beendete 1959 seine aktive Rennfahrerkarriere.

Nachdem der 356 zunächst durch mehrere schwedische Hände ging, verschwand er 1970 von der Bildfläche. Lagerte in Einzelteile zerlegt zusammen mit zwei Carrera Motoren in einer schwedischen Halle. Fiel dem Vergessen anheim, sogar im sonst immer gut sortierten Porsche Archiv konnte man uns auf Anfrage mit näheren Infos zum Auto nicht dienen.

Anfang 2018 stand der fast 50 Jahre verschollen geglaubte Mille Miglia-Klassensieger dann in der Restaurierungswerkstatt von Boxer Motor im schwäbischen Dotternhausen (bei Balingen). Mit (ausgebautem) Original-Motor, -Getriebe und -Achsen. Die neuen schwedischen Eigentümer – es sind die Söhne des einstigen Persson-Konkurrenten Gert Kaiser – wollten das Auto zurück auf den Stand der Mille Miglia von 1956 zurückgebracht haben. Und die schwäbischen Tüftler waren für sie die richtige Adresse, hat sich ihr großes Porsche Know-how doch längst auch bis nach Skandinavien herumgesprochen. Und so machten sie sich in Balingen unter Leitung von Firmenchef Christoph Schlagenhauf mit viel Verve und Herzblut ans Werk. Das Rätsel der Original-Farbe wurde gelöst, da sich im Handschuhfach noch ein Rest des ursprünglichen Lacks fand. „Unser Glück“, sagt Christoph Schlagenhauf, „denn das Auto war an den Außenflächen mit einer Art Rostschutzgrundierung bedeckt.“ Doch bis der finale Farbton feststand, wanderten erst noch mehrere Lackmuster gen Schweden. Für das Interieur hatte Persson seinerzeit ein eher schlichtes Finish gewählt: Beiges Kunstleder, bei Porsche bekannt unter der Bezeichnung „Bast“. Schlagenhauf gelang es, durch Kontakte zur Firma Reuter, die neben Rohkarossen für Porsche damals auch Innenraummaterialien für den 356 fertigte, noch an Reste dieses Kunstleders zu kommen.

Die beiden sozusagen im Paket mitgelieferten 1,5-Liter-Carrera-Motoren wurden ebenfalls komplett überholt. „Beide, das matching numbers-Triebwerk und ein Reservemotor, waren ausgebaut, aber komplett und nicht zerlegt“, so Schlagenhauf. Für die gründliche Auffrischung beauftragte Boxer Motor einen externen, im rund 100 Kilometer entfernten Schorndorf operierenden Partner –die Firma Karl Hloch, neben hoher 911er-Expertise auch bekannt als DER Königswellen-Spezialisten. Auch wenn die rollengelagerte Kurbelwelle des „Fuhrmann“-Motors für den Alltagsbetrieb nicht ideal ist – denn erst bei höheren Drehzahlen wird der notwendige Öldruck zum verlässlichen Schmieren der Rollenlager aufgebaut – wurden sie der Originalität zuliebe erneut eingebaut.

Schließlich stand noch die exakte Rekonstruktion des Exterieurs auf dem Programm. Zum Glück konnte Boxer Motor dazu auf eine umfangreiche Foto-Dokumentation des Mille Miglia-Einsatzes von 1956 mit vielen Original-Aufnahmen zurückgreifen. So warnt der Ex-Persson-Wagen wie damals mit zwei Hörnern leichtsinnige Passanten (damals todesmutige Tifosi!), und auch die beiden Zusatzscheinwerfer und das ovale Zollkennzeichen finden sich wieder. Sogar die Siegerplakette, die der Schwede für den Sieg bei der Mille Miglia von den Organisatoren erhalten hatte, prangt nun wieder am hinteren Lüftungsgitter. Auch sie fand sich irgendwo zwischen allen auch noch mitgelieferten Kleinteilen.

So zeigt sich der 356, der 1956 Porsches Ehre bei der Mille Miglia rettete, heute wieder in Bestform und mit allen matching numbers. „Sicher eines der historisch wichtigsten Autos, das wir jemals restauriert haben“, sagt Christoph Schlagenhauf nicht ohne Stolz. Jetzt geht der Wagen zusammen mit einem weiteren, blauen 356 (ein Sieger der Mittsommernachts-Rallye), zurück nach Schweden. Wo die Kaiser-Söhne nun planen, den Wagen bei der „modernen“ Mille Miglia auf den Spuren Olof Perssons einzusetzen und ihn auch auf Concours wie der Villa d’Este zu zeigen. Womit sich nach dann 65 Jahren der Kreis geschlossen hätte...

 

 

 

Fotos: Rémi Dargegen © 2020

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