Direkt zum Inhalt

Magazin

Montlhéry ist noch immer der wahre Tempel der Geschwindigkeit

Am letzten Wochenende hallten bei den Grandes Heures Automobiles die maroden Steilkurven von Monthléry vom Sound der Rennwagen wider. Endlich konnte man die historische Strecke einmal wieder in ihrer vollen Pracht erleben – als Tempel der Geschwindigkeit.

Mächtige Maschinen in Montlhéry

Mit seinem extrem steilen Hochgeschwindigkeitsoval und einem 12,5 km langen, nicht minder anspruchsvollen Straßenkurs erforderte das 1924 eröffnete Autodrom von Linas-Monthléry vor und auch nach dem Krieg höchsten Respekt von Auto- und Motorradrennfahrern. Der südlich von Paris gelegene Kurs war vor 1939 acht Mal Austragungsort des Grand Prix de l’ACF und auch Ort zahlreicher Geschwindigkeitsweltrekorde. Nach dem Krieg wurde Monthléry besonders durch die 1000-km-Rennen von Paris bekannt – und leider auch berüchtigt Bei der Ausgabe von 1964 kamen neben dem Wiesbadener Peter Lindner auch der an der Boxenausfahrt wartende und vom schleudernden Jaguar E-Type Lightweight Linderns getroffene Franco Patria owie drei Streckenposten ums Leben. Es waren nicht die einzigen Opfer, die der Kurs in seiner inzwischen über 90-jährigen Geschichte forderte. 

Ein Kolosseum der Geschwindigkeit

Heute legt eine verkürzte Strecke von 3,5 Kilometer Länge – die einen Teil der berühmten Steilstrecke mit einbezieht – Zeugnis von der einstigen Glorie Monthlérys ab. Die zum dritten Mal hier ausgetragenen Grandes Heures Automobiles zogen auch diesmal eine große Zahl von alten und neueren Rennwagen und -motorrädern an, viele davon mit einer Monthléry-Vergangenheit. Das Spektrum reichte von Rekordmodellen der Vorkriegszeit über Sportwagen der 1950er-Jahre und Gruppe B-Rallyemonstern bis zu modernen Supersportwagen. Die Nennungsliste war ellenlang, sodass die Organisatoren historisch und motorisch zusammenpassende Modellen zu kleinen Starterfeldern zusammenstellten und auf die Strecke ließen. Aber auch nur durch das Fahrerlager von Monthléry zu streifen war ein einmaliges Erlebnis. Das Hochgeschwindigkeits-Oval umgibt das Infield, sodass der Sound der über den holprigen Beton springenden Autos und Bikes wie ein verirrter Squashball akustisch zurückprallt. Man fühlt sich wie in einem Kolosseum der Geschwindigkeit – und obwohl hier keine echten Rennen, sondern nur Demofahrten stattfanden, scheuten sich die Piloten nicht, das Limit ihrer Maschinen und die der Rennstrecke auszutesten.  

Licht in der Dunkelheit

Eine andere Attraktion des Events war die abendliche Demonstration. Es ist schwer zu beschreiben, warum der Anblick von Rennwagen im Dunkeln so hypnotisierend wirkt. Doch wie die Autos so um das Oval düsten und von dort hinaus durch den Wald, mit gelben französischen Scheinwerfern und glühenden Bremsscheiben, waren dies einige der erinnerungswürdigsten Momente des Jahres. Der flammenspeiende Gruppe-B-Peugeot 205 T16 war besonders spektakulär. Beim Anblick des glühenden Motors im Heck fragte man sich unwillkürlich, wie der Fahrer wohl die in die Kabine abstrahlende Hitze aushalten könne.

Pipers Stolz und Freuden

Nationalheld Sébastien Loeb war zugegen, um seinen mächtigen Pikes-Peak-Siegerwagen Peugeot 208 T16 zu bewegen, während eine in Gymkhana-Manier aufgebaute Arena einer Reihe von Rallyepiloten die Möglichkeit bot, ihr Können zu demonstrieren. Unsere Lieblings-Akteure waren jedoch die Sportwagenfelder der 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahre mit solch automobilen Schätzen wie einem Ferrari 250 LM, Porsche 910, Alpine M63B oder BMW M1 Procar. Ebenfalls präsent war eine kleine Abordnung der grünen Renner von David Piper – darunter sein Lola T70 Mk3B und Ferrari 365 P2. Als einer der erfolgreichsten Ferrari-Privatiers gewann der Brite zwei Mal in Monthléry, darunter die 1000 km von 1966 zusammen mit Mike Parkes auf einem Ferrari 250 LM. Es war sehr schön, David passend gekleidet im historisch korrekten grünen Overall zu sehen. 

Ein Sammlertraum

Im Rahmen des Events hielt das französische Auktionshaus Aguttes seine erste Automobilauktion außerhalb eines konventionellen Verkaufsraums ab. Der Katalog umfasste 60 Fahrzeuge – darunter viele, wie etwa der fabelhafte Lotus Eleven von 1958 und der Maserati 4200 Trofeo Light von 2003, die durchaus auch bei den Grandes Heures hätten teilnehmen können. Aguttes-Direktor Gautier Rossignol gab sich am Samstagmorgen vor Start der Auktion beschwingt: „Es ist das erste Mal, dass wir eine Auto-Auktion abseits des Verkaufsraums organisieren. Und das an einem solch wichtigen und historischen Ort  – einfach fantastisch. Les Grandes Heures hat sich zu einem der wichtigsten Herbstevents im Kalender entwickelt. Und wir erwarten, dass die Bedeutung des Events in Zukunft noch weiter zunehmen wird.“ 

Französisches Flair

Fast unvermeidlich umwehte das Wochenende ein spezifisch französisches Flair. Sicher auch, weil Peugeot als offizieller Partner auftrat. In der Tat konnten wir uns nicht erinnern, einmal so viele Peugeot 205 GTI, 304 und 405 an einem Ort zusammen gesehen zu haben. Montlhéry würde selbstverständlich auch einen trefflichen Ort für historischen Renn- und Rallyesport abgeben. Doch die archaische Infrastruktur und die mangelnde Streckensicherheit lassen dies eher unwahrscheinlich erscheinen – zumindest für den Moment. Andererseits verströmt der Ort so einen unvergleichlichen Charme, dass man die Motorsportgeschichte hier regelrecht atmen kann. Überall erblickt man Spuren der Vergangenheit, wie die aufgemalten Startnummern auf dem Startplatz, historische Beschilderungen oder die welligen Betonplatten der Steilstrecke. Es kann kaum einen stimmigeren Ort geben, um sich zu treffen und vergangene Zeiten zu feiern. Und, noch wichtiger, jenen zu gedenken, die in diesem faszinierenden Tempel der Geschwindigkeit ihr Leben ließen. 

Fotos und Text: Mathieu Bonnevie für Classic Driver © 2017 

Sie finden Hunderte von klassischen und modernen Wettbewerbswagen zum Verkauf im Classic Driver Markt gelistet.