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Morgan Aero 8 Development Car vs. Morgan Aero 8 Mk III



Morgandämmerung: Classic Driver bricht in den Tag mit zwei Morgan Aero 8, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Der offene Aero 8 Mk III aktuellen Baujahrs begegnet einem leistungsgesteigerten frühen Werks-Testwagen. Sanfte Stärke und brachiale Härte treffen aufeinander. Zwischen diesen beiden Morgan Aero 8 liegen Welten.

Morgan Aero 8 sind auf unseren Straßen rare Erscheinungen. Aufgrund von Preisen jenseits der 100.000-Euro-Marke, eigenwilligem Design und Manufakturfertigung ist das kein Wunder. Classic Driver bringt dennoch gleich zwei dieser eigenwilligen Briten zusammen. Ein quartzblauer Aero 8 Mk III aktuellen Baujahrs trifft auf einen sieben Jahre älteren Testwagen, dem eine großzügige Chip-Tuning-Kur verpaßt wurde. Zwei Achtzylinder aus dem Hause BMW begegnen jeweils gut 1.000 Kilogramm Startgewicht. Und jeweils weit über 300 PS wecken Fahrfreude.

Morgan Aero 8 Development Car vs. Morgan Aero 8 Mk III Morgan Aero 8 Development Car vs. Morgan Aero 8 Mk III

Rückblende. Genf, März 2000: „My goodness!“ Das haben sich wohl viele Besucher des Genfer Salons gedacht, als Charles Morgan das neue Fahrzeug der Manufaktur aus Malvern Link präsentierte - den Morgan Aero 8. Der Look des frühen Aero 8 erinnert zwar deutlich an die klassischen Morgan mit seinen ewig langen Kotflügeln, engem Cockpit, kleinen Türen, einer mittig geteilten Haube und dem markentypischen Wasserfallgrill. Und dennoch schien der Aero 8 eine groteske Entfremdung seiner Ahnen zu sein: dieser schielende Blick, die enorme Spurweite und der eigenwillige Heckbürzel ließen manchen Freund der Marke erschauern. „Shocking!“ Charles Morgan ahnte vermutlich, dass er mit seinem Aero 8 provozieren würde. Wie eine Beschwichtigung wirkt da sieben Jahre später der Werbeslogan für den frühen Aero 8. Der lautete nämlich: „Aero 8 – Life is good.“



Das Leben ist gut! Die dritte Generation des Aero 8 gibt sich sichtlich ziviler, insbesondere in der Frontansicht. Der Blick ist mit neuen Scheinwerfern des Mini gerichtet, die Karosserie weiter und die Fahrzeugtechnik komfortbetonter abgestimmt. Unter dem Aluminiumkleid jedoch steckt noch immer erprobtes Rennwagen Know-How. Der Aero 8 ist eine Weiterentwicklung des Morgan GT2 Tourenwagen aus dem Jahr 1997, den der frühere Jaguar-Ingenieur Jim Randle konzipierte. Der Aero weist zwar noch den für Morgan Fahrzeuge typischen Eschenholzrahmen auf, das Monocoque ist jedoch komplett aus Aluminium per Hand gefertigt. Außerdem stammen nur ein gutes Dutzend Kleinteile von den klassischen Morgan. Beim Namen des Fahrzeugs knüpfte Charles Morgan mit der Bezeichnung „Aero“ jedoch ganz bewußt an die frühen Morgan Threewheeler an. Die 8 steht für die Zylinderzahl. Denn im Aero 8 gehen Achtzylinder-Motoren von BMW mit je 4,4 Litern Hubraum zu Werke. Bereits in der ersten Generation des Aero 8 verfügte dieses Aggregast über die variabel dynamische Nockenwellensteuerung. 286 PS standen damit in den Papieren. Heute sind es im Mk III ab Werk 333 PS. Viel Leistung für ein Fahrgewicht, das noch unter dem des Lamborghini Gallardo Superleggera liegt.

Morgan Aero 8 Development Car vs. Morgan Aero 8 Mk III Morgan Aero 8 Development Car vs. Morgan Aero 8 Mk III

Ich starte mit dem aktuellen Modell des Aero 8. Farbe und Form des Fahrzeugs machen zunächst stutzig: Quartzblau Metallic! Dazu der typische Morgan Look jedoch mit plötzlichem Ende. Die fließende Silhouette des Vorderwagen verzwirbelt sich im Heckbürzel. Der Innenraum: Muirhead Aviation Leder in Yarwood Blau, blaue Teppiche, blaues Lederlenkrad, blaues Verdeck. Dazu ein perlgeschliffenes Armaturenbrett, in welchem das violette Licht der Cote d´Azure eingefangen scheint. Alleine das norddeutsche Wetter mit grauen Wolken paßt nicht so ganz zu diesem für gleißendes Sonnenlicht gebauten Wagen. Der Motor meldet sich dennoch ausgeschlafen an den Start. Seidenweich läuft der Achtzylinder. Der Auspuff flüstert leise wie ein Windzug in der Provence, der über blühende Lavendelfelder streicht.



Kühler Fahrtwind weckt meine Sinne. Erfrischend greifen die Böen hinter die flache Scheibe und lassen mich die Geschwindigkeit spüren. Der Morgan nimmt schnell Fahrt auf. Dank sehr zackigem Sechsgang Schaltgetriebe gelangt die Motorkraft in jeder Situation zügig an die Hinterräder. Der Morgan ist ein flüchtiger Zeitgenosse. In unter fünf Sekunden spurtet er aus dem Stand auf 100 km/h. Dann wird das Rauschen aus den Endrohren zum Brausen. Sonor und dabei doch immer kultiviert. Wenn man denn will. Ich will nicht, denn viel schöner ist es, sich im Aero 8 auf Kurven einzulassen. Nicht die kurzen eckigen Turns, sondern die langgezogenen Kurven in freier Landschaft. Präzise aber nicht zu direkt setzt die Servolenkung meine Steuerbefehle in Richtungswechsel um. Kraftvoll und sanft beschleunigt der blaue Aero 8 aus den Kurven heraus. Gleiten ist seine Passion. „Eine Fahrt durch die französischen Seealpen. Das wäre es“, schießt es mir in den Sinn. Dieser Morgan beflügelt die Phantasie.

Morgan Aero 8 Development Car vs. Morgan Aero 8 Mk III Morgan Aero 8 Development Car vs. Morgan Aero 8 Mk III

Doch aus der Traum. Statt dessen Fahrzeugwechsel: Nominal haben Aero 8 der ersten Serie knapp 50 PS weniger Motorleistung als die Fahrzeuge der neuesten Generation. Der grüne Morgan aber kann mehr. Viel mehr! „Bei diesem Wagen handelt es sich um ein früheres Entwicklungsauto“, erläutert Eigentümer und Morgan Park Händler Lutz Leberfinger. „Der Wagen hat eine staudrucksenkende vierflutige Edelstahlabgasanlage, ein extra straffes Fahrwerk und Chip-Tuning bis zum Abwinken erhalten. Wir haben ihn soweit gebändigt, daß er immerhin eine normale Straßenzulassung erhielt.“ Vor allem das elektronische Tuning macht den Wagen beim beherzten Beschleunigen giftig, warnt der Aero-Kenner.



Ich drehe den Zündschlüssel. Stille. Kein Zucken unter der Haube. Dafür schnurrt augenblicklich die Benzinpumpe los und die rote Lampe für die Ölkontrolle strahlt mich an, signalisiert Startbereitschaft. Ich drücke den grünen Startknopf. Mit einem urigen Donnern bricht der Achtzylinder los, kein Vergleich zum blauen Traumgleiter. Ich massiere das Gaspedal und die Edelstahlenrohre posaunen sich heiser dröhnend den Tau vom Blech. Sachte steuere ich den Aero 8 aus der Stadt, das Gas nur leicht touchierend, schwimmt der Aero quasi bei Leerlaufdrehzahl mit dem Verkehr mit. Das Getrag Getriebe schaltet präzise und macht keinerlei Mucken. Meine Anspannung verflüchtigt sich. Auch dieser Morgan ist durchaus fahrbar.

Morgan Aero 8 Development Car vs. Morgan Aero 8 Mk III Morgan Aero 8 Development Car vs. Morgan Aero 8 Mk III

Kurzer Stopp auf einer entlegenen Landstraße. Das patinierte Leder duftet, umgeben von dem unnachahmlichen olfaktorischen Cocktail warmer Öle und Schmierstoffe. Der grüne Aero hat sich warmgelaufen. Ich greife das dick gepolsterte Lederlenkrad mit dem polierten Aluminiumkreuz. Gas vor. Bremse los. Kupplung und ab. Mit einem automobilen Urschrei radieren die Dunlop SP Sport 9000 Reifen zwei breite schwarze Steifen auf den Asphalt. Klack, der zweite Gang. Die Räder drehen immer noch, obschon die Tachonadel bereits 80 km/h anzeigt. Dritter Gang. Die Heißvulkanisierung nimmt kein Ende. Erst jenseits von 100 km/h finden die Räder an der Hinterachse Grip. Es ruckt kurz, der Morgan versetzt noch eine Handbreit und schießt dann richtig nach vorne. Der Vortrieb preßt mich ins Leder. Die Drehzahl verlangt nach dem vierten Gang, dem fünften. Der Morgan Aero 8 bricht in den Tag und durch die Landschaft. Die Straße wird zum schmalen Band, das ungeteilte Aufmerksamkeit verlangt. Extrem agil und direkt lenkt der Zweisitzer in Kurven ein. Ein leichter Gasstoß und schon kommt das Heck. „Beware of the car!“



So geht es nicht weiter. Dieser Aero ist ein verkappter Rennwagen und dies ist immer noch eine Landstraße und nicht die Rennstrecke von Brooklands oder Goodwood. Ich trete auf die Bremse. Die AP Racing Vier-Kolben Anlage mit innen belüfteten Bremsscheiben fängt die 18 Zoll OZ Magnesium-Räder ein und der Morgan bewegt sich wieder im legalen Bereich. Kursänderung: Richtung Autobahn. Die Richtgeschwindigkeit ist mit einem Wimpernschlag erreicht. Dank ausgeklügeltem Unterbodendesign saugt sich der Aero 8 auf die Fahrbahn. Der Name ist gut gewählt, Luft spielt bei diesem Sportwagen eine tragende Rolle. 200 km/h meldet der Tacho. Ein roter 911er Porsche räumt bereitwillig die linke Spur. Mit einem aberwitzigen Donnern fliegt der Aero 8 am Stuttgarter Sportwagen vorbei. Und beschleunigt weiter.



Das ist erstaunlich, denn der Luftwiderstandsbeiwert des Aero 8 ist mit 0,39 nicht gerade das Non plus Ultra. Doch der Motor stemmt sich tapfer gegen den Wind. Es pfeift an allen Ecken, übertönt nur vom potenten Achtzylinder Gewitter. Die Höchstgeschwindigkeit der Serienversion von 257 km/h erreicht der Morgan ohne spürbare Anstrengung. Ich packe das Lenkrad fester. Mein Blick verengt sich und streift den Vorderwagen, der aus dieser Perspektive ganz an die klassischen Morgan erinnert. Wahrscheinlich sind 280, 290 km/h oder auch noch mehr mit diesem Aero 8 kein Problem - wenn es die Strecke hergibt. Doch die nächste Kurve kommt extrem schnell näher. Erneut fange ich den Morgan ein und schieße mit spürbarer Querbeschleunigung der Stadt entgegen. Genug der Erprobung. Dieses „Development Car“ hat gezeigt, was in ihm steckt. Das Leben soll gut bleiben, gemütlich rolle ich zurück zum Morgan Park. Und lächele um eine Erkenntnis reicher, als ich den Wagen neben den hellblauen Ahnen parke: Wie unterschiedlich morgendliche Erfahrungen doch sein können.

Text & Fotos: Mathias Paulokat


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