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Morgan Roadster



Eigensinnig, hart und kompromisslos. Ergo urbritisch – diesen Ruf haben sich Morgan Zweisitzer über bald sechs Jahrzehnte mit Hartnäckigkeit erarbeitet. Der +8 gilt mit seiner 3,5 Liter Maschine bei Liebhabern der Marke aus Worcesterhire als das unverwüstliche Nonplusultra. Doch die Manufaktur um Gründerenkel Charles Morgan hat mit dem aktuellen Sechszylinder eine attraktive Neuauflage des Klassikers im Stall. Und der heißt so, wie er heißen muss: Roadster.

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Morgendämmerung. Im Haus brennt Licht. Grundlegende Gedanken am Frühstückstisch: „Es soll ja Zeitgenossen geben, die der offenen Sportwagenklasse vom Schlage eines Porsche & Co. schlicht und ergreifend überdrüssig geworden sind. Die in der Geschichte des Automobils weiter zurück und endlich einen urtümlich kernigen Klassiker fahren wollen. – Möglichst ohne jedoch ständig die kleinen Wehwehchen eines Oldtimerfahrers erleiden zu müssen. Schließlich will man fahren und nicht schrauben. Diese anspruchsvolle Gruppe automobiler Enthusiasten hat es meist schon zu etwas gebracht im Leben: die eigene florierende Firma. Ein gepflegtes Anwesen im Grünen, vielleicht ein Ferienhaus in Italien oder ein Segelboot an der Küste. In der Garage seit Jahren Limousinen der Oberklasse. Und ein Münchner Cabrio für die Dame des Hauses. Eine Familie, deren junger Teil sich gerade studierenderweise im europäischen Umland verzweigt. Kurzum, es fehlt an neuen Herausforderungen. Und: Ein neuer Look muss her. Aber bitte nicht zu gewollt. Eher klassisch. Gern mit aristokratischer Note. Und vielleicht auch ein ganz klein bisschen – wild? Na, sagen wir besser: „verwegen.“

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Trifft diese Milieustudie zu, dann steigt früher oder später das Bild des urig britischen Roadsters in unserem Zeitgenossen auf: „Lange Haube, Cockpit weit hinten, kurze Überhänge, kraftvoller Motor, robustes Chassis und natürlich: keine elektronischen Fahrsicherheitsassistenten, die regulierend eingreifen, bevor es überhaupt brenzlig wird. Schluss damit. Lieber: fahren ganz direkt. Schnell, urig aber schon mit Stil. Und genau dafür steht doch diese britische Marke. Wie heißt sie noch? Nein, nicht MG. Aber „M“ stimmt schon. Richtig: Morgan! Die gibt es noch. Mit V6 Motor und 226 PS. Also doch was dran: der Morgan stirbt nie.“

Dafür bin ich jetzt mit Frühstücken fertig. Schluss auch mit der fiktiven Psychoanalyse. Denn der Morgan Roadster wartet draußen auf grauem Granit. Ganz real. Benetzt vom Morgentau. Werksfrisch. Betankt. Fahrfertig. Und das Ziel steht auch schon fest: raus ans Meer. Den Koffer schnalle ich auf das Rack am Heck des Briten. Denn drinnen ist kein Platz. Und ein separates Staufach gibt es nicht. Begründung: „Gab es beim Morgan 2-seater noch nie!“ Dafür ist hinten ein Reserverad aufs Heckteil geschraubt. - Ein Archetyp von einem Fahrzeugheck. Unten ragen zwei stramme Endrohre hervor. Armdick. Leise Vorahnung auf das bevorstehende „Rule Britannia!“ Die Rückleuchten wirken auf ihren zylindrischen Chromsockeln ohne Vergleich einfach nur skurril. Aber schön.

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Es hat sich erfreulich wenig verändert. Der 940 Kilogramm leichte Morgan Roadster baut ganz auf Tradition und Eschenholz. Unverändert wird der Rahmen des Roadsters aus diesem leichten aber stabilen Holz aufwendig auf einem kreuzverstrebten Kastenrahmen montiert. Darüber kleidet eine Aluminiumkarosse den Roadster in sein zeitlos schönes Gewand. Dazu gibt es Steckfenster und ein Faltverdeck mit der Gestängemechanik wie aus der Gründerzeit des Automobils. Unzählige Lüftungsschlitze zieren die zwei handgedengelte Flügelhauben, die den Motorenraum zwischen den ausladenden Kotflügeln beschirmen. Die mit unverkleideten Scharnieren angeschlagene Tür wird nur von einem Lederstreifen gefangen. Leicht schwingt sie auf. Mein erster Blick gilt dem Arbeitsplatz des Roadsters. Der liegt tief. Die Oberkante der Dachpersenning reicht mir gerade bis zur Hüfte. Und das zierliche Moto Lita Lenkrad ragt aufrecht in das enge Cockpit.

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Der Zündschlüssel bringt runde Lämpchen im Leder besattelten Armaturenbrett zum Leuchten. Gelb, orange und Rot. Und erweckt zeitgleich die Kraftstoffpumpe zum Leben, dann: den Motor. Ein kurzes Klicken, Rumpeln. Und zack: Die sechs Töpfe stehen unter Dampf. Der Drehzahlkompass nordet sich bei 1.000 Touren ein und die Abgasrohre wummern. Klingen gut. Ich löse die Bremse. Der kurze Stock fliegt nach vorne. „Fly-off“, wie die Briten sagen. Die Kupplung geht schwer, verlangt nach beherztem Tritt. Der erste Gang rutscht dafür umso leichter auf kurzem Weg durch die Schaltgasse. Und rastet ein. Klack. Jetzt etwas Gas. Vorne saugt und hinten donnert es. Der Morgan bricht auf.

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Über Landstraßen stürme ich gen Norden. Beschleunige energisch auf den geraden Stücken und koste Kurvenkombinationen mit regen Gangwechseln aus. Kuppeln, Schalten, Beschleunigen. Und dem Lauf des Asphaltbandes folgen. Der Morgan Roadster liegt dabei deutlich härter als der leistungsschwächere Vierzylinder-Bruder +4 auf der Piste, geht fantastisch direkt und schnell durch die Kurven. Die fünf Gänge sind gut aufeinander abgestimmt. Sie erlauben genussvolles Gleiten wie sportlich scharfes Fahren. Der Motor ist zu allem bereit, nur der Fahrer entscheidet wann, wo und wie. Alleine der Vorderwagen überträgt Querfugen über das Lenkgestänge in die Oberarme. Dann schüttelt es den Morgan und man reduziert unwillkürlich das Gas. „Brav das dünne Lenkrad packen und Kurs halten.“



Der Ford Sechszylinder Motor erweist sich bei der morgendlichen Fahrt als Drehmaschine. Zwischen 1.000 und 4.000 Touren zieht er den Roadster stoisch nach vorne. Die 24 Ventile rasseln dabei metallisch in den Zylinderbänken. Der Klang aus den zwei Edelstahlposaunen schwillt über das Drehzahlband fulminant an. Erst kernig, dann sonor und furios. Nördlich der 4.000er Marke, drückt es einen ins Leder. Der Motorklang wird zum berauschenden Sound und der Morgan zur angreifenden Fahrmaschine. Attacke. Der Roadster beschleunigt in unter fünf Sekunden auf 100 km/h. Und die Spitze liegt bei knapp 220. Im Morgan kitzelt jedoch kaum der Top-Speed. Es sind die Kurven, das Wechselspiel der Nebenstrecken, die herausfordern. Prima: Der Verbrauch hält sich dank neuer Technik in Grenzen. Zehn Liter Super sind realistisch. Was also will man mehr?

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Shooting am Strand: Der aktuelle Roadster schreibt die Morgan-Story schlüssig fort. Es ist immer noch ein leichter Sportwagen mit einem ausreichend kraftvollen Motor und einem simplen aber überaus effektiven Fahrwerk. Alles begann 1910 mit dem Threewheeler. In den 1930er Jahren folgte dann der 4/4 und 1951 der +4, die bereits die charakteristische Roadster-Form aufwiesen. Es gab und gibt auch Morgan-Viersitzer aus Malvern Link und seit 1968 bis zum Wachwechsel durch den Roadster vor allen Dingen den berühmten +8, dem die eingeschworene Morgan-Fangemeinde bis heute huldigt. Zum Einsatz kam hier fast zwanzig Jahre lang ein Rover 3,5 Liter V8, der ursprünglich aus einem Buick Motor hervorging. Später folgten Einspritzer, vier Liter Hubraum und sogar ein Spitzenmodell mit 4,6 Litern Hubraum. Das Fahrwerk hingegen blieb nahezu unverändert und vertraut vorne auf Gasdruckstoßdämpfer und eine konventionelle Starrachse mit halbelliptischen Blattfedern hinten. Immer wieder wurden Länge, Weite und Radstand angepasst – die Urform blieb doch stets dieselbe.



Mittlerweile gibt es auch Morgan-Fahrzeuge einer neuen Generation – Aero 8 und Aeromax spielen jedoch in einer anderen Liga. Klassische Morgan Zweisitzer sind überaus wertstabil und – wir denken an unseren gut situierten Aspiranten im Ausgangsfall – eigentlich nur ein Wechsel in der Asset-Klasse in der Größenordnung von rund 60.000 Euro. Geht doch. „Ich freu mich auf Morgan!“

Text & Fotos: Mathias Paulokat


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