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Simon Kidston: Auf ein Wort

Es tut sich was am Markt für klassische Automobile; deshalb möchte ich Ihnen einige der wohl aufregendsten Vertreter, die unter den Hammer kommen, vorstellen. Es ist beachtlich, dass trotz der vorherrschenden Dürre an qualitativ hochwertigen Klassikern gleich zwei der wichtigsten Automobile unserer Zeit zum Verkauf stehen – und dass in so kurzen Abständen. Eine kleine Spitze vorweg: Die beiden Rennwagen, über die ich reden möchte, waren direkte Konkurrenten im goldenen Zeitalter des Motorsports.

Als „die schnellsten Lastwagen der Welt“ bezeichnete der französische Automobilbauer, Ettore Bugatti, die Autos seines englischen Mitbewerbers Walter Owen (W.O.) Bentley. Was eigentlich nicht sehr verwunderlich ist, in Anbetracht der Tatsache, dass W. O. Bentley seine ersten Erfahrungen mit Motoren bei der Eisenbahn machte. Er wandte die selben Prinzipien des Eisenbahnbaus auf seine Automobile an. Bentleys waren mit robusten Motoren ausgestattet und jedes einzelne Teil wurde auf höchstem Niveau gefertigt. Darin liegt der Ursprung des für die damalige Zeit unglaublich hohen Drehmoments der Motoren. In den späten Zwanziger Jahren dominierte das Team Bentley die Rennen von Le Mans. Der letzte große Erfolg dieser Epoche ist der unglaubliche Sieg des Bentley-Speed-Six-Teams über Mercedes-Benz im Jahr 1930. Die fabelhaften Bentley-Boys bezwangen das junge deutsche Rennfahrer-As Rudi Caracciola mit seinem Mercedes-Benz SSK. Bedauerlicherweise konnten diese Erfolge das Unternehmen nicht vor der sich durch den New Yorker Börsencrash ankündigenden Welt-Wirtschaftskrise bewahren. Der darauf folgende Rückzug aus dem Motorsport war das erste Anzeichen des wirtschaftlichen Absturzes der Firma Bentley, der sein Ende mit dem Verkauf der Marke an den Rivalen Rolls-Royce fand. Somit schloss sich ein glorreiches Kapitel der britischen Rennhistorie.

Zum ersten Mal seit Juli 1990 wurde einer der seltenen Werksrennwagen des Team Bentley zum Verkauf angeboten. Dieser Bentley wurde bei der Christie´s Auktion, im Rahmen der Le Mans Classic 2004, angeboten. Der Le Mans Siegerwagen ist dem Zahn der Zeit erlegen, so dass der zweitplazierte Speed Six an Bedeutung gewinnt. Das dürfte der Grund für die heftigen Gebotsgefechte sein, welche sich die Sammler während der Auktion lieferten. Am Ende erhielt der anwesende Mittelsmann eines britischen Bieters den Zuschlag für 4.188.250 Euro. Diese Summe liegt natürlich weit über den erwarteten 2.5 Millionen Euro. Doch ist dies meiner Meinung nach eine kluge Anschaffung. Man muss sich die Frage stellen, ob der Wert für einen automobilgeschichtlich so wichtigen Rennwagen nicht in Zukunft steigen wird. Rennwagen wie der Bentley Blower sind zwar charismatischer, aber nicht sehr zuverlässig – selbst W.O. Bentley soll diesem Boliden nicht so recht getraut haben. Es waren die Speed Six Modelle, die das Ansehen des britischen Motorsports zementierten. Und es wird keinen besseren Wagen als diesen geben.

Wenn man Automobilsammler fragt: „Welches ist Ihrer Meinung nach der ultimative klassische Rennwagen?“, so lautet die Antwort meistens: „Mercedes-Benz SSK.“ Weniger als 40 Stück wurden vom Kurz-Chassis SS gebaut. Das Kürzel SSK steht für Super Sport Kurz. In den SSK wurde ein großer 7.1 Liter, turbogeladener Sechs-Zylindermotor montiert. Dieses mächtige Innere kehrt sich auch nach außen, wenn sich der SSK mit seinem großen, v-förmigen Kühlergrill ankündigt. Ebenso prächtig sind die langen, verchromten Auspuffrohre, die sich über die gesamte Länge des Rennautos hinausstrecken. Schauer durchlaufen einen, wenn man das todesfeeähnliche Heulen des Turboladers vernimmt, sobald der Fahrer das Gaspedal fast bis zum letzten Zentimeter durchdrückt. Diese Autos wurden nicht gebaut um von A nach B zu kommen, sondern sie waren der erste Ausdruck der teutonischen Dominanz im Motorsport. Die Dominanz wurde Ende der dreißiger Jahre auf die Spitze getrieben - durch die wahnhafte Politik der Nazi-Regierung, sich durch nichts in der Welt von ihren Zielen abbringen zu lassen.

Die noch existierenden originalen, Mercedes-Benz SSK kann man vermutlich an einer Hand abzählen. Es befinden sich mehr SSK im Umlauf, als jemals das Werk verlassen haben – finden Sie es heraus! Bonhams wird bei seiner Auktion, am 3. September 2004, im Rahmen des Goodwood Revival Treffens, einen der originalsten SSK, die je auf einer Auktion zu finden waren, versteigern. Der Wagen ist im Besitz der Familie eines kürzlich verstobenen, exzentrischen Autosammlers aus England. Dieser SSK ging bereits 1940 - Sie haben richtig gelesen: 1940 - in den Besitz dieses Herren über. Bis heute nie restauriert, besitzt der Rennwagen noch seine originale Polsterung. Welch eine Entdeckung! Nun, welche Summe diese Rarität erzielen wird? Ist schwer zu sagen, denn die Sammler spielen mit sehr verdeckten Karten! Nur in einem bin ich mir sicher - der SSK wird eine Menge Geld kosten. Und auch hier stellt sich wie beim Bentley die gleiche Frage: „Wo soll man ein vergleichbares Auto finden?“

Also warten wir ab und schauen was kommt! Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass zwischen dem Verkauf des Speed Six und dem SSK noch sechs wichtige Auktionen im Rahmen des vier Tage dauernden Concours in Pebble Beach, Kalifornien, abgehalten werden – die Marktbeobachter haben sehr viel zu tun. Ich werde dort sein.

Simon Kidston

Übersetzung aus dem Englischen: J. Philip Rathgen
Fotos: Bonhams / Christie's



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