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Range Rover Sport Supercharged

Das Telefon klingelt. Ihr Private Banker aus der Schweiz mit neuen kapitalen Anlagevorschlägen: „Gute Nachrichten. Wir meinen: Die Märkte haben konsolidiert. Die Bullen kehren zurück. Unsere Analysten sehen ganz signifkantes upward potential. Rohöl ist wieder auf Rekordkurs. Zögern Sie nicht länger. Investieren Sie jetzt in Energietitel.“ - Aber bitte gerne. Wir ordern direkt und ohne Limit für rund 50.000 Pfund: Den Range Rover Sport Supercharged. Energie pur.

Ach ja, so ändern sich die Zeiten. Vergangenes Jahr noch hatte mein Kollege Jan Baedeker allen glücklichen Boni- und Gratifikationsempfängern den
Ranger Rover Sport HSE als optimales „Posh-Car“ ans Herz gelegt. Der „kleine Range“ mit großer Leistung: 299 PS im damaligen Testwagen waren schon ein gewichtiges Wort, das eine ganze Reihe SUV-Kandidaten letztlich zum Kauf überzeugte. Das ärgerte manch Private Banker und Vermögensberater, gingen ihnen beim Kauf des Range rund 70.000 Euro durch die Lappen, die sie doch so gerne in einen Investmentfonds oder Zertifikat für den frisch ausgezeichneten Ranger gesteckt hätten. Tja, Pech gehabt.



Mittlerweile jedoch hat sich eine noch kraftvollere Variante des sportiven Range bei der kaufkräftigen Klientel etabliert: der Range Rover Sport Supercharged. Mit 390 Pferdestärken und heiser hechelnder Kompressorbeatmung erregt er neue Aufmerksamkeit. Ein äußerst wirksamer Vitamin SC Komplex, der da vorne unter der Motorklappe zu Werke geht und die vier Pneus zügig auf Betriebstemperatur bringt. Dies läßt den Banker erneut zucken, denn schon wieder fließen knapp 80.000 Euro vom Konto seines Kunden ab.

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Nun denn, der kompressorbefeuerte Range: Das ganze Gefährt erscheint in strahlendem Chawton White. So makellos, wie das frisch gebügelte Hemd eines Investmentbankers – vor Börsenbeginn. Nur die „RRSport“ Schriftzüge auf den Flanken wirken arg aufreißerisch; grell gleich den Jacken der Händler beim Chicago Board of Trade. Die Legende des Porsche Carrera RS wird hier – vollkommen unnötig – allzu plakativ zitiert. Das ist allenfalls ein gut gemeinter Gag, der sich jedoch sehr schnell abnutzen dürfte. Den hat der aufgeladene Range überhaupt nicht nötig. Wenn man sich mit ihm mit banküblicher Sorgfalt beschäftigt, wird schnell klar: Der Range Rover Sport Supercharged ist ein durch und durch eigenständiges Fahrzeug.

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„Sie wissen doch: Wir unterziehen unsere Anlageempfehlungen immer einer ganz sorgfältigen Fundamentalanalyse. Denn nur wenn die Kerndaten des Targets stimmen, geht die Gesamtrechnung des Investments auf“, so der Banker. Recht hat er. Die bloßen Fundamentaldaten des Sport Range SC überzeugen: 4.197 ccm Hubraum. Acht Zylinder in V-Anordnung. Vier Ventile pro Zylinder. Besagte 390 PS liegen bei 5.750 Umdrehungen pro Minute an. Ein maximales Drehmoment von 550 Nm entfaltet bereits bei 3.500 Umdrehungen äußerst anziehende Wirkung. Die Höchstgeschwindigkeit liegt laut Land Rover bei abgeregelten 225 km/h. Nach 7,6 Sekunden soll die 100 km/h-Marke fallen. Und wer mag: Die maximale Wattiefe liegt bei 700 mm. Doch wer will das schon ausprobieren? Selbst Kollege Baedeker hielt sich bei seinem Nordsee-Wattausflug mit der HSE-Variante vornehm zurück. Allenfalls dem Banker wäre eine forschnasse Fahrt zuzutrauen – heimlich hofft er, dass der Wagen steckenbleibt und daraufhin aus Frust zurück an den Händler geht. Nein, nein, Finger weg, Mister Rainmaker, der supergeladene Range gehört auf die Straße, in unsere Hände.



Und da fühlt er sich sichtlich wohl. Auch die Besatzung ist mit hochgezogenen Mundwinkeln unterwegs. Das hat gute Gründe: Vehement springt der Wagen bei beherztem Zutritt nach vorne, nimmt brummig wummernd Fahrt auf. Der Drehzahlmesser zuckt so nervös wie die Kurve des DAX im Frankfurter Börsensaal bei einem Kursgewitter. Der Kompressor pfeift und zwitschert seine ganz eigene Melodie. Manchmal etwas schräg und wehleidig, aber immer doch schön anzuhören.

Der Range folgt den Kursrichtungen der geschwindigkeitsabhängigen servounterstützen Zahnstangenlenkung präzise. Er kennt seine Reviergrenzen. Punktgenau lenkt der Wagen in den Kurven ein, durchläuft stoisch scheinbar jeden Radius. Die Seitenneigung der Karosserie ist dabei kaum spürbar. Das schont die Nerven. Und die Wirbelsäule profitiert vom guten Federungskomfort der elektronischen Luftfederung mit Luftausgleichsventilen und Doppeldreieckslenkerachse vorn – alles Nürburgringerprobt. Wie sagte der Banker neulich noch im Anlagegespräch: „Wenn Sie sich hierfür entscheiden, erwerben Sie einen Titel, der in einem volatilen Marktumfeld das Potenzial eines Turbo-Calls bietet.“ Wir könnten es nicht besser ausdrücken, denn Kompressor-Calls gibt es in der Welt synthetischer Finanzprodukte noch nicht.

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„Wichtig: Bei der Anlage sollten Sie unbedingt einen Put als Absicherung kaufen, für den Fall, dass die Märkte doch unerwartet zurücklaufen. Mit einer solchen Verkaufsoption schützen Sie sich gegen fallende Kurse“, rät der Banker nun schon erkennbar die anspruchsvolleren Beratungsregister ziehend. Guter Tip, den wir aber auch bereits auf dem Zettel haben: Unser vierfach wirkendes Absicherungsinstrument kommt von Brembo. Vorne mit Vier-Kolben-Bremssätteln und innen belüfteten Scheibenbremsen mit 360 mm Durchmesser und 350 mm hinten sind verläßliche Stopper. Die Parkbremse greift elektronisch zu. Also kein Handlungsbedarf.

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Der Banker läßt nicht locker: „Dann denken Sie doch bitte wenigstens an einen vernünftigen Produkthebel, der ihnen die optimale Übersetzung zwischen Derivat und underlying Asset sichert.“ Wir lächeln müde. „Längst erledigt!“ Unsere Übersetzungshilfe kommt vom Getriebespezialisten ZF in Form eines adaptiven Sechsgang-Automatikgetriebes. Und das ist mit Sport- und CommandShift-Modus ausgestattet „Kann das Ihr Dingsda-Derivat auch? – Hallo, Herr Berater, ich höre nichts!“



Stattdessen ein erneuter Anlauf. Man muss es ihm lassen. Der Mann ist hartnäckig. „Übrigens: Auch die Charttechnik schaut gut aus. Unsere Chartisten haben die Kursverläufe genau studiert. Die 200-Tage Linie hat gehalten, der Langfristtrend ist intakt und auch die Stochastik zeigt grünes Licht!“ – Stimmt. Die Optik des Range überzeugt: Schwarze Farbtupfer setzen prägnante Akzente auf dem weißen Blechkleid. Die 20 Zoll Speichenfelgen im 10 Speichendesign mit 275/45R20 Bereifung sind so tiefschwarz wie die Kursnotiz eines weit im Geld stehenden Terminkontraktes. Nur wenn die Kurse plötzlich einbrechen, sollten Sie eines nicht machen: Auf den Kühlergrill blicken. Denn in Anblick der schwarzen Lochblende könnten sich labile Gemüter – im Falle eines neuerlichen „dark Monday“ – an halbautomatischen Langwaffen mit ähnlicher Optik vergreifen.

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Der Vermögensberater: „Bedenken Sie doch: Wenn Sie in den falschen Assetklassen investiert sind, dann versäumen Sie das Beste: Emotionen.“ Au ha. Diese Empfehlung aus Bankersmund ist gefährlich grenzwertig. Genau deswegen sprechen wir hier schließlich auch nicht über Innenraumdesign oder Kofferaumvolumen. In diesen Disziplinen gibt sich der Range Rover Sport Supercharged nämlich recht bieder. Also Schluss damit. Eines aber können wir nicht unerwähnt lassen: Das Leistungsgewicht des Sporties liegt bei gewählter Vollausstattung bei knapp über 2,7 Tonnen. – Unbeladen, jedoch inklusive eines Fahrers mit 75 Kilogramm Eigengewicht. Manch großer Range Rover ist da leichter. Dieses Leistungsgewicht des SC führt bei fleißig wechselnden Pedaltritten zu Verbrauchswerten deutlich jenseits der 30 Liter auf 100 Kilometer. Somit müssen wir dem Banker zustimmen: „Der Mineralölverbrauch nimmt zu, die Ressourcen hingegen sind endlich, ergo werden die Preise weiter steigen.“ Dieser Gesetzmäßigkeit von Angebot und Nachfrage haben selbst wir nichts mehr entgegen zu setzen. Außer einer Empfehlung: Für alle, die britische Geländerenner am liebsten auf der Straße ausführen, ist der Range Rover Sport Supercharged ein „strong buy“. Range Rover Sport. Wieder einmal: Super tanken. Super fahren.



Text & Foto: Mathias Paulokat


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