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Magazin

Ferrari 288 GTO

O wie Omologato

Text: Jan Baedeker
Fotos: Tom Wood ©2010 Courtesy of RM Auctions

Ferrari zeigt Ende April in Peking einen neuen, dritten GTO. Eine gute Gelegenheit, den Vorgänger von 1984 auf Widervorlage zu nehmen. Schließlich gilt der Ferrari 288 GTO als Meilenstein in der Markengeschichte, sogar als Begründer der gesamten Supersport-Liga. Doch worin liegt das Erfolgsgeheimnis des eher unscheinbaren Homologations-Modells? Wir haben die Geschichtsbücher gewälzt und dem Mythos GTO noch einmal unter die Karosserie geschaut.

So atemberaubend und sinnlich viele klassische Ferrari erscheinen – bei der Namesgebung gaben sich die Entwickler aus Maranello meist recht pragmatisch. Die Zwölfzylinder-Modelle wurden beispielsweise immer nach dem Hubraum pro Zylinder benannt. Ein Ferrari 125 S wurde demnach von einem 1,5 Liter V12 nach vorne getrieben. Auch der legendäre Ferrari 250 GTO von 1964 lässt sich auf diese Weise leicht dekodieren: Den Ingenieuren war es damals gelungen, der strengen FIA-Kommission den neu entwickelten Dreiliter-Rennwagen als Variante des Ferrari 250 GT zu verkaufen, um auch ohne die 100 vorgeschriebenen Exemplare eine Rennsport-Homologation zu erhalten. Das Kürzel GTO für „Gran Turismo Omologato“ manifestierte sich in kurzer Zeit zum Symbol für maximale italienische Sportlichkeit – doch es sollte zwanzig Jahre dauern, bis ein zweites Modell mit den heiligen drei Buchstaben ausgezeichnet wurde.

Im Rückblick erscheinen die Jahre von 1984 bis 1987 als eine der produktivsten Epochen in der Firmengeschichte. Zunächst wurde durch den Testarossa die Zeit der Kanten und Keilformen eingeläutet, dann folgte mit dem feuerspuckenden F40 einer der markantesten und brutalsten Sportwagen der Automobilgeschichte. Als eigentlichen Star dieser Phase muss man heute jedoch den Ferrari 288 GTO begreifen, obwohl dieser auf den ersten Blick kaum von seinem kleinen Siebzigerjahre-Bruder, dem Ferrari 308 GTB, und dessen Nachfolger, dem Ferrari 328 GTB, zu unterscheiden ist. Die FIA hatte damals mit der Gruppe B eine neue Rennsportklasse geschaffen, in der sich fortan teure Straßensportwagen auf Rallye-Strecken messen sollten. Enzo Ferrari erkannte die Möglichkeit, seine Marke auch abseits der Formel 1 zu profilieren – doch die FIA verlangte zur Homologation eine Auflage von 200 Exemplaren. Und dieses Mal gab es keine Möglichkeit, das Reglement zu umschiffen. So kam es, dass auf dem Genfer Salon 1984 der zweite „Omologato“ der Firmengeschichte enthüllt wurde: der Ferrari 288 GTO.

Das Biest im Wolfspelz

In der Formel 1 hatten gerade die Turbomotoren Einzug gehalten, und die Ingenieure in Maranello wollten auch den neuen Gruppe-B-Rennwagen mit einem aufgeladenen Triebwerk an den Start schicken. Als technische Basis für den GTO diente der Ferrari 308 GTB Quattrovalvole, doch das neue Motorenkonzept erforderte eine völlig neue Architektur. Der V8-Vierventil-Motor vom Typ F114B, dessen Hubraum die Entwickler auf 2,8 Liter angesetzt hatten, verfügte über eine ungewöhnlich lange Bohrung mit sehr kurzem Hub und konnte nur längs statt quer eingebaut werden. Um das Aggregat unter zu bekommen, musste daraufhin der Radstand verlängert werden – um 11,5 Zentimeter überragte der GTO seinen Bruder, den GTB. Seine maximale Leistung von 400 PS schöpfte das Triebwerk des Serien-GTO aus zwei japanischen IHI-Turboladern mit Ladeluftkühlern. Wenn man die „Turbolöcher“ im unteren Drehzahlbereich erst einmal überwunden hatte, nahm einem die Beschleunigung den Atem: Von 0 auf 100 km/h zog der Ferrari 288 GTO in 4,8 Sekunden, bis 160 km/h vergingen dagegen nur 10 Sekunden.

Dabei verfügte der GTO dank seiner Vierventil-Technik über ein ungewöhlich breites Drehzahlband. Schon bei 3.800/min waren 496 Nm verfügbar und erst bei 7.700/min erreichte die Nadel den roten Bereich. Im fünften Gang konnte man derart bis 304 km/h beschleunigen – fast 10 km/h schneller als im neuesten V12-Modell, dem Testarossa. Das ZF-Transaxle-Getriebe mit Sperrdifferential, für das sich die Ingenieure entschieden hatten, war hinter dem Motor installiert – und ragte zwischen den Endrohren, von hinten gut sichtbar, gefährlich nah über dem Boden. Die neue Fahrzeugarchitektur mit ihrem tieferen Schwerpunkt sollte dem Rennwagen überlegene Fahreigenschaften verleihen und machte zudem zahlreiche Modifikationen der Karosserie notwendig. Vom 308 GTB QV kann man den 288 GTB etwa an den deutlich ausgestellteren Radhäusern erkennen, die aus einer Spurverbreiterung resultierten. Als Ergebnis intensiver Tests im Windtunnel hatte der GTO zudem größere Front- und Heckspoiler erhalten. Als stilistisch-funktionalen Tribut an den Ferrari 250 GTO von 1964 hatten die Designer bei Pininfarina im Heckbereich zudem drei Lüftungskiemen eingezeichnet.

Eine längere und größere Karosserie hätte eigentlich zu einem höheren Gesamtgewicht geführt. Doch in Maranello setzte man auf die Erfahrung aus der Formel 1 – und die dort verwendeten, neuartigen Werkstoffe. Mit seiner Fiberglas-Karosserie, den Gepäck- und Motorraum-Abdeckungen und den Trennwänden aus Kevlar, Nomex und Aluminium-Honeycomb-Strukturen nahm der Ferrari 288 GTO den Leichtbau-Trend der kommenden Jahrzehnte vorweg. Mit kompletter Ausstattung brachte der Homologations-Sportler nur 1.160 Kilogramm auf die Waage – fast 10 Prozent weniger als der kleinere 308 GTB QV. Verrechnet mit den Daten des Achtzylinders ergab sich ein beeindruckendes Leistungsgewicht von 2,9 kg/PS. Dabei war der GTO beileibe kein spartanisches Sportgerät für Masochisten, sondern ein komfortabler Gran Turismo, der auf Wunsch auch mit elektrischen Fensterhebern, Klimaanlage und Kassetten-Player ausgeliefert wurde.

Evolution einer Legende

Bei seiner Premiere auf dem Genfer Salon war der Ferrari 288 GTO das stärkste und schnellste Modell der Firmengeschichte. Wegen großer Nachfrage wurde er bis Ende 1985 nicht nur 200, sondern rund 270 Mal im Kundenauftrag gebaut – über die genaue Zahl streitet die Fachwelt. Alle ausgelieferten Exemplare waren im Farbton „Rosso Corsa“ lackiert. Zusätzlich zu den Homologationsmodellen wurden in Maranello fünf Rennversionen für den Einsatz in der Gruppe B konstruiert. Der Ferrari 288 GTO Evoluzione, wie ihn die Entwickler getauft hatten, stellte die Leistungsdaten des zivilen GTOs noch einmal in den Schatten: Einer Leistung von 650 PS stand ein Leergewicht von 940 Kilogramm gegenüber. Die Höchstgeschwindigkeit des dramatisch bespoilerten Rennwagens lag bei 362 km/h. Doch der erhoffte Renneinsatz blieb aus: Als Ferrari 1985 mit dem Evoluzione antreten wollte, hatte die FIA erneut das Reglement für die Gruppe B geändert – offiziell, um die Hersteller vor immensen Entwicklungskosten zu schützen. Neben Ferrari hatte zu diesem Zeitpunkt nur Porsche mit dem 959 ein entsprechendes Konzept auf die Räder gestellt. 1986 wurde die Gruppe B nach einem tragischen Unfall ganz aufgelöst.

Von den fünf Exemplaren des Evoluzione haben bis heute drei überlebt. Die restlichen zwei Modelle wurden der Entwicklung des Ferrari F40 geopfert, der ab 1987 – zum 40. Geburtstag von Ferrari – die Nachfolge des Ferrari 288 GTO antrat. Der F40 war das letzte Modell, das unter dem „Commendatore“ Enzo Ferrari persönlich entwickelt wurde. 1996 wurde der F40 vom Ferrari F50 abgelöst, der wieder auf ein V12-Triebwerk setzte. 2002 erschien mit dem Ferrari Enzo schließlich das letzte Modell der italienischen Supercar-Dynastie. Mit dem Ferrari 599 GTO, der Ende April in Peking seine Weltpremiere feiert, wird die Typenbezeichnung GTO nun erneut vergeben. Wie sein Namensvetter, der 288 GTO, setzt der neue Omologato auf umfangreiche Modifikationen von Motor und Fahrwerk sowie ein konsequentes Leichtbau-Konzept. Eine strenge Limitierung auf 599 Exemplare soll zudem die passenden Begehrlichkeiten wecken.

Auch der Ferrari 288 GTO ist heute ein begehrtes Sammlerstück. Seit 1984 sind rund 70 Exemplare des Ausnahme-Ferrari dem Feuertod zum Opfer gefallen, was die Preise weiter in die Höhe treibt. Am 1. Mai 2001 versteigert das Auktionshaus RM im Rahmen der Veranstaltung Sporting Classics of Monaco ein offensichtlich gut erhaltenes Modell mit einer Laufleistung von 23.418 Kilometern. Der GTO wurde im Februar 1985 in Brescia angemeldet und seitdem fachmännisch geflegt. RM Auctions erwartet, für den seltenen Sportwagen einen Verkaufspreis zwischen 350.000 und 420.000 Euro zu erzielen.

Die Fakten

Motor:
Längs eingebauter V8-Mittelmotor (Tipo F114B), zwei oben liegende Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, zwei IHI-Turbolader mit separaten Behr-Ladeluftkühlern

Hubraum:
2.855 ccm

Kraftstoffanlage:
Elektronische Einspritzung (Weber-Marelli)

Leistung:
400 PS

Kraftübertragung:
Mechanische Fünfgangschaltung, Transaxle-Getriebe

Radaufhängung:
Einzelradaufhängung mit zwei dreiecks-Querlenkern, Schraubfedern und Teleskopdämpfern

Bremsen:
Scheibenbremsen

V-Max:
304 km/h

Beschleunigung:
in 4,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h, in 10 Sekunden von 0 auf 160 km/h

Radstand:
2.450 mm

Leergewicht:
1.224 Kilogramm

Baujahr:
1984 - 1985

Stückzahl:
rund 270 (plus 5 GTO Evoluzione)