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Porträt A. Lange & Söhne: Kunstwerk der Uhrmacherei

In der Firmenvita von Lange & Söhne ging es weit hinauf - und ziemlich tief runter. In Glashütte zehrt man von tiefer Tradition.

Die Uhren von A. Lange & Söhne gehören zu den elegantesten und handwerklich anspruchsvollsten Zeitmessern der Welt. Die Manufaktur aus Sachsen blickt auf eine über 165-jährige Tradition in der Fertigung von Präzisionsuhren zurück. Dabei stand es nicht immer zum Besten um den Glashütter Uhrmacher.

Der 24. Oktober 1994 ist ein wichtiges Datum in der bewegten Geschichte der Manufaktur Lange & Söhne. An diesem Tag wurden die ersten Uhren, die 46 Jahre nach der Enteignung durch das SED-Regime wieder stolz den Schriftzug A. Lange & Söhne Glashütte I/SA trugen, der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Dabei war es fraglich, ob die neuen Modelle Lange 1, Arkade, Saxonia und der Tourbillon "Pour le Mérite" das erfolgreiche Fundament der Auferstehung einer bereits verloren geglaubten Uhrenlegende bilden konnten. Dieser Neuanfang war der Versuch zur Fortsetzung einer Tradition, die 1845 im sächsischen Müglitztal ihren Anfang nahm.

Firmengründer Ferdinand Adolph LangeWalter Lange Ur-Enkel des Firmengründers


Der in Dresden geborene Ferdinand Adolph Lange erlernte schon früh das seinerzeit moderne Handwerk der Uhrmacherei. Seine Lehrjahre verbrachte der junge Sachse beim Dresdner Hofuhrmacher Christian Friedrich Gutkaes, dessen berühmte Fünf-Minuten-Uhr im Saal der Semperoper als weltweit erste Digitaluhr gilt - wobei die Zeit dort nicht auf einem Display angegeben wurde, sondern vermittels rotierender Scheiben.

Lange Stammhaus in Glashütte (um 1920)


Gut ausgebildet begab sich der wissbegierige Uhrmachergeselle Lange auf vierjährige Wanderschaft. Sie führte ihn über Mainz nach Paris - dem damaligen Zentrum der Uhrmacherkunst. Nach einem Zwischenstopp in der Schweiz kehrte der Kosmopolit 1837 wieder zurück in die Hauptstadt Sachsens. Fest entschlossen, mit dem Uhrmacherhandwerk seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, stieg er in das Geschäft seines ehemaligen Meisters Gutkaes ein.

Ende des 19. Jahrhunderts herrschte große Armut in der Erzgebirgsregion, sodass sich der Unternehmer und Philanthrop Lange dazu entschloss, mithilfe des Uhrmacherhandwerks einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit zu bieten: Vor den Toren Dresdens sollte ein Zentrum für Uhrmacherkunst entstehen. Mit finanzieller Unterstützung der Regierung konnte der Visionär im Jahre 1845 mit der Ausbildung von fünfzehn Jugendlichen in Glashütte beginnen. Ein erster Meilenstein - doch leider wollte sich der erwartete Erfolg der Lange-Uhren aus Sachsen in den ersten Jahren nicht so recht einstellen. Der Firmengründer musste sogar sein Vermögen aufs Spiel setzen, um ein Scheitern seiner großen Idee zu verhindern. Doch Fleiß, Beharrlichkeit und die Begabung Langes sollten sich letztendlich auszahlen.

Die berühmte Kaiser Wilhelm Uhr (1898)Tourbillon zur Pariser Weltausstellung (1900)


Mit unvorstellbarer Akribie hatte der Uhrmacher während seiner Lehr- und Wanderzeit die in der Ferne erlernten Techniken des Präzisionsuhrenbaus in sein Wanderbuch übertragen. Dieses Wissen gab er an seine Auszubildenden weiter und ermutigte sie nach ihrer Lehrzeit zum Schritt in die Selbstständigkeit. Auf diesem Weg entwickelte sich das Müglitztal langsam, aber sicher zu einer Hochburg der Uhrmacherkunst. Die gesammelten Baupläne für Uhrwerke und mechanische Berechnungen in diesem heute noch erhaltenen Buch waren der Grundstock für die ersten hochinnovativen Lange-&-Söhne-Taschenuhren. Schnell sprach sich herum, dass im Erzgebirge nun moderne und einzigartige Uhren gefertigt wurden. In seiner Biografie beschreibt Adolphs Ur-Enkel Walter Lange dieses Notizbuch als "Blaupause für den großartigen Erfolg, den Adolph Lange mit seiner Uhrenfabrikation in Glashütte hatte". So hinterließ der sogar zum Bürgermeister von Glashütte ernannte F.A. Lange im Todesjahr 1875 seinen Erben eine florierende und weit über die Grenzen des Reiches berühmte Uhrenmanufaktur.

Glashütter Bandschliff auf DreiviertelplatineDetail eines Tourbillionwerks


Auch die nachfolgenden Generationen der Lange-Familie folgten dem Qualitätsanspruch des Firmengründers. Man hielt an Fertigungstraditionen wie der Dreiviertelplatine oder verschraubten Chatons aus Massivgold bis heute fest. Es folgten unzählige technische Erfindungen, wie beispielsweise der Selbstaufzug, der ewige Kalender, ein Tourbillon oder der konstante Antrieb durch Kette und Schnecke. Begünstigt durch die prosperierende wirtschaftliche Entwicklung der Gründerjahre und die Erschließung neuer Märkte wie Nordamerika, wuchs der Bedarf an Luxusuhren. Die steigende Nachfrage sicherte A. Lange & Söhne über die Jahrzehnte einen festen Platz im Uhrenolymp. Sogar auf Weltausstellungen sorgten die Lange-Taschenuhren mit ihrer Qualität und der hübschen Ausgestaltung für Furore.

Der Aufstieg der Manufaktur sollte erst mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der folgenden Weltwirtschaftskrise enden. Zwar konnte man sich mit der Fertigung von Decksuhren und Schiffschronometern über Wasser halten, doch sollte sich das Unternehmen erst einmal nicht erholen. Das Ende der Manufaktur A. Lange & Söhne als Institution der deutschen Spitzen-Uhrmacherkunst wurde schließlich mit der Enteignung durch das kommunistische Regime der DDR am 20. April 1948 besiegelt. Zwar blieb Glashütte auch zu DDR-Zeiten als Standort der Uhrenindustrie erhalten, jedoch ohne nennenswerte Zeitmesser der "Haute Horlogerie" hervorzubringen.

Montage des Tourbillonkäfigs


Schon seit der Enteignung und der Flucht ins süddeutsche Pforzheim träumte Walter Lange, der Ur-Enkel des Firmengründers, von einer Neugründung des Familienunternehmens in Glashütte. Nach dem Fall der Mauer schien ein Neubeginn erstmals in greifbarer Nähe. Es ist dem Engagement Walter Langes und des genialen, leider viel zu früh verstorbenen Uhrenmanagers Günther Blümlein zu verdanken, dass exakt 145 Jahre nach Gründung der Firma Lange & Söhne, am 7. Dezember 1990 wieder ein Lange-Nachfahre die Geschicke der legendären Uhrenmanufaktur lenkte. Blümlein, der sich als Retter der schweizerischen Traditionsmarken IWC und Jaeger-LeCoultre einen Namen gemacht hatte, war der richtige Partner, um in Glashütte die Kunst des Uhrmacherhandwerks zum Leben zu erwecken. Mit einem kleinem Team begann man mit der Entwicklung und Fertigung neuer Werke, die dem Erbe Adolph Langes gerecht werden sollten.

Die nach nur vier Jahren Entwicklungszeit präsentierten Armbanduhren sorgten wie erhofft für große Begeisterung. Insbesondere die mittlerweile als Ikone verehrte Lange 1 steht exemplarisch für die Rückkehr der hohen Uhrmacherkunst mit dem Siegel "Made in Germany" (ohne West). Von Beginn an war den Zeit-Visionären Lange und Blümlein klar, dass ein nachhaltiger Erfolg ihrer Uhren nur durch das konsequente Anknüpfen an die - buchstäblich lange - uhrmacherische Tradition der Manufaktur zu erfüllen war. Deshalb ticken seither in allen Lange-Zeitmessern ausnahmslos Werke, die beinahe vollständig in Glashütte gefertigt wurden. Seit dem Neubeginn vor 21 Jahren konnten so 40 exklusive Kaliber mit zum Teil einzigartigen Komplikationen realisiert werden.

Lange 1Lange Zeitwerk

In jedem neuen Modell finden sich seither auch immer Lange-typische Merkmale wie der von Hand aufwendig gravierte Unruhkloben (Sammler können an der Art der Gravur die verschiedenen Graveure unterscheiden), die Dreiviertelplatine oder die Schwanenhals-Feinregulierung. Eine weitere Eigenheit der Manufaktur ist die Tatsache, dass zur Fertigung der Uhrengehäuse ausschließlich verschiedenfarbige Goldarten und Platin verwendet werden.

Seit dem Jahr 2000 gehört die von der Uhrenwelt zu Recht als "Juwel" bezeichnete Manufaktur zum Luxuskonzern Richemont. Dankenswerterweise fühlt man sich auch weiterhin der Präzisionsuhrmacherei verpflichtet - ganz im Sinne von Firmengründer Ferdinand Adolph Lange. Somit scheint der Mythos Lange & Söhne bestens für die Zukunft gewappnet zu sein.

Übernahme aus der Welt am Sonntag

Text: J. Philip Rathgen
Fotos: A. Lange & Söhne



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