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Jaguar XJ: Jag-Instinkt

Platzhirsche aufgepaßt! Die Jagsaison ist eröffnet. Ende der Schonzeit für Mercedes S-Klasse, Audi A8, BMW 7er & Co. Die Briten schicken ihren stattlichsten Jaguar auf die Lichtung – den rundum neuen XJ. Der erste Blick verrät: Das Auto bricht mit Jaguar-typischen Konventionen. Der große Gleiter setzt die von Ian Callum begründete Designlinie konsequent fort. Und er wirkt dank neuer Motoren und Technik fahraktiver denn je, wie Classic Driver bei einer ersten XJ-Gesellschaftsjagd in Paris und Versailles erlebte.

„Ein ganz großer Wurf!“ Bei dem ersten XJ von Jaguar waren sich Auto-Enthusiasten, Fachleute und Motorpresse einig. Damals, im Jahre 1968: „Ein schönes, ein schnelles Auto“, resümierte man unisono. Fahrverhalten und Kultiviertheit des Viertürers begeisterten. Zügig empfahl sich der „Ex Jay“ als britische Alternative zum kontinentalen Limousinen-Repertoire. Kein anderer als Jaguar-Gründer Sir William Lyons zeichnete für das Styling verantwortlich. Kenner wissen: Mit dem ersten XJ reduzierte Jaguar sein Limousinenangebot auf nur noch ein Modell. Das aber hatte Bestand, bemerkenswerten Bestand: Der Wagen mit der gestreckten Silhouette, den beiden Doppelscheinwerfern im Bug und legendären Motoren unter der Haube erwies sich über vier Jahrzehnte als stilprägend für die Ahnenreihe. Zweifelsohne, der XJ – das ist ein großes Erbe. „Und es ist exakt das, was Jaguar-Limousinen im Kern ausmacht“, stellt Andy Dobson, Leiter der XJ-Baureihe, fest.

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Der rundum neue Jaguar XJ tritt dieses Erbe an. Selbstbewußter denn je. Mittlerweile rollt die achte Generation an den Start. Sie löst damit das eher barocke Vorgängermodell ab, welches letztmals den gewohnten Look kultivierte. Der neue XJ aber, er ist anders – und insbesondere für Jaguar-Traditionalisten kein Selbstgänger. Auf den ersten Blick scheint der Wagen tatsächlich mit alten Werten zu brechen.

Doch der Eindruck täuscht. Tatsächlich setzt das Auto neue Maßstäbe, ohne alte Muster zu leugnen. Wie das geht? Bildhaft gesprochen so: Der neue XJ hat den jahrzehntelang, etwas ausgetretenen, Pfad verlassen, um mit zwei, drei gewaltigen Sprüngen eher Revolution denn Evolution zu erreichen. „Potente Technik in einem eleganten Gewand“, das Postulat gilt dabei noch immer. Beispielhaft ist der neue, 275 PS starke 3,0-Liter-V6-Diesel mit erstmals realisierter sequentieller Bi-Turbo-Aufladung. Atemberaubend kraftvoll gehen der 385 PS starke 5,0-Liter-V8 und der 510 PS starke Kompressor-Kompagnon zu Werke, wie wir auf unserer Landpartie rund um Paris und Versailles erfahren.

Form vollendet: Der neue XJ setzt die expressive Designsprache des XK und XF konsequent fort. Er trägt die gereifte Handschrift von Jaguar-Chefdesigner Ian Callum. „Man kann die Dinge anders machen, solange man sie richtig macht“, entgegnet mir Callum beim Small Talk im Pariser Maison Blanche. „Form follows form“ – der XJ ist eine körperliche Limousine, die dennoch fragil, elegant, sportlich und besonders wirkt. Bestimmend für den neuen XJ ist die gestreckte Seitenfenster-Graphik. Die Limousine erscheint wie ein Coupé. Als Gegenschwung dient eine markant geformte untere Sicke, die den nach vorne drängenden Auftritt des Briten verstärkt. Hierzu trägt auch die weit in den Bug gerückte Vorderachse bei – ein bewährtes wie treffsicheres Stilmittel: der XJ scheint schon im Stand Fahrt aufzunehmen.

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Zu den fließenden Linien gesellt sich eine straffe Gürtellinie, die den Gesamteindruck formaler Eleganz nochmals unterstreicht. Das „Gesicht“des neuen XJ zeugt mit einem kraftvollen Maschendraht-Grill und schlanken Xenon-Scheinwerfern von einem starken Selbstbewußtsein. Der beinahe rechteckige Kühlergrill polarisiert nicht nur, er erinnert auch an die Serie I von 1968. „Er fällt bewußt etwas größer aus, als es der Betrachter erwartet, etwas mehr als die Komfortzone zuläßt“, sagt Ian Callum. „Dadurch erreichen wir ein Ausdrucksmerkmal, welches Charakter und hohen Wiedererkennungswert des XJ prägen.“ Erst bei genauem Betrachten zeigen auch die Linien der Motorhaube mit dem sanft angedeuteten Powerdome typische Anleihen an den frühen XJ. Das neue Flaggschiff erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Und das tut gut. Der XJ will entdeckt werden. Es bereitet Freude, sich sein Design zu erarbeiten. In einer direkten Gegenüberstellung mit dem ehemaligen Dienstwagen von Sir William Lyons setze ich im Burghof des Chateau de Méry die Erkundung fort. Die muskulöse untere Hälfte der Limousine steht ganz gewollt im Kontrast zum filigranen Dachaufbau, eindeutig eine Hommage an den Ur-XJ von 1968. Die in Glas verhüllten D-Säulen reduzieren die visuelle Schwere und vermitteln die Illusion eines „schwebenden“ Dachs.

Das Heck zeichnet sich durch eine betont puristische Gestaltung aus. Bis auf die springende Raubkatze, den „Leaper“, verzichtete Callum und sein Team auf überflüssige Ornamente. Die LED-Leuchteinheiten verlangen allerdings größere Gewöhnung von mir ab. Sie wölben sich über die hinteren Karosserieflanken und bilden drei rote, vertikale Streifen. Doch erst im Zusammenspiel mit den Fugen im Blech und den umspielten Seitenwänden scheint die Formgebung schlüssig. „Der neue XJ ist eine durch und durch moderne Interpretation der Essenz von Jaguar. Gleichzeitig ist er ein begeisterndes Statement unserer neuen Designphilosophie“, meint Callum.

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Ich starte: Mit dem 3,0-Liter-Bi-Turbo geht es rasant voran. Technologisches Glanzstück des mit 2.000 bar Druck einspritzenden Selbstzünders ist die von Jaguar weltweit erstmals an einem V-Motor realisierte Aufladung über parallel und sequentiell geschaltete Turbolader. Das Aggregat packt ausnehmend beherzt zu. 600 Newtonmeter Drehmoment wirken wie ein Katapult. In nur 6,4 Sekunden schießt der Jaguar von 0 auf 100 km/h. Für einen Diesel zieht der Wagen dabei bemerkenswert ruhig und seidig ins Drehzahltop. Mein Urteil fällt knapp und anerkennend aus: „Famos gelöst.“

Der Norden von Paris liegt schnell hinter mir, ich eile über leere Landstraßen und durch kleine Dörfer mit engen Kurven dem Nachmittagsstopp „Les Bord des Seine“ in La Roche Guyon entgegen. Alles prima auch an Bord des Briten - lediglich das kurzzeitige Dieselbrabbeln im Leerlauf stört diesen Flow, der gleichwohl manch Benziner blaß aussehen ließe. Der Durchschnittsverbrauch soll dabei im Mittel bei nur 7,0 Liter auf 100 Kilometer liegen. Dies liegt auch daran, dass der in Castle-Bromwich gefertigte Jaguar von Aluminium-Leichtbau profitiert. Gespartes Gewicht münzt der Wagen direkt in schnelleren Vortrieb um. Es handelt sich bereits um die dritte Jaguar XJ-Generation mit Alu-Karosse. Mit der Abenddämmerung treffe ich im Trianon Palace Hotel in Versailles ein. Jaguar C-Type und D-Type stehen am Ende der Vorfahrt stilvoll Spalier. Wem Rasanz noch wichtiger ist, als Ökonomie beim Fahren, der wird ohnehin zum 385 PS starken Sauger oder dem 510 PS starken Supercharged Modell greifen. Beim Topmodell liegt der Beschleunigungswert bei nur 4,9 Sekunden.

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Auch das Interieur der neuen XJ Limousinen verdient Anerkennung. Fünf Insassen haben – anders als beim Klassiker – bequemen Platz. Das gilt speziell für den XJ mit längerem Radstand, der auch die beliebten Picknicktische an Bord hat. Gut ablesbare Bedienelemente, eine zentral am Armaturenbrett angebrachten Analog-Uhr mit Ziffernblatt auf gedrehtem Metall und eine phosphor-blaue Ambiente-Beleuchtung dienen als Blickfang. Ein großzügiges Panorama-Glasdach weitet das Raumgefühl. Leder und Holz in üppiger Fülle: Im Top-Modell Supersport ist sogar der Dachhimmel in Leder ausgeschlagen. Beim linearen und modernen Einsatz von Holz ließen sich die Jaguar Designer erkennbar von modernen Luxusjachten inspirieren. Nur die beinahe kreisrunden Luftdüsen auf der Mittelkonsole können mich nicht überzeugen, ein wenig zu sehr Typ „Bullauge“. Dafür aber stimmt der Sound, der aus 20 Lautsprechern für die allzu häufig zitierte Konzertsaalatmosphäre sorgt. Die 15 Kanal und 1.200 Watt starke Audio-Anlage von Bowers & Wilkins läßt diese im neuen XJ zur Realität werden. Ab 76.900 Euro starten die Preise für den XJ 3.0 D. Und enden bei 139.900 Euro für das 5,0-Liter-S/C-Topmodell in der Langversion. Vier Ausstattungslinien sind erhältlich, von Luxury über Premium Luxury, Portfolio bis zu Supersport. Wer die Preise um die Ausstattungen bereinigt, wird gegenüber A8, S-Klasse, BMW 7er und auch Maserati Quattroporte feststellen, dass der XJ auch unter monetären Gesichtspunkten ein durchaus attraktives Angebot darstellt. Motto: „Jag die Jäger!“ - Beinahe so wie 1968, beim Debut des ersten XJ.

Lesen Sie in unserer UK-Edition einen ersten Fahrbericht über das neue XJ-Supersport Modell.

Text: Mathias Paulokat
Fotos: Mathias Paulokat, Rob Till

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