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Was passiert, wenn Car Guys naturbelassenen Wein für sich entdecken?

Es begann mit einem beschädigten Lancia und endete damit, dass James Bannister und Merlin McCormack ihren eigenen Shop für ökologisch angebauten Wein eröffneten. Es versteht sich von selbst, dass sie keine üblichen Lieferwagen besitzen. Wir haben sie vor der Eröffnung besucht, um mehr zu erfahren.

Wer schon einmal das Zentrum für Klassiker und Supersportwagen mit Namen „Duke of London“ besucht hat, weiß, dass in der ehemaligen Seifenfabrik im Westlondoner Stadtteil Brentford mit einer Fläche von rund 4.740 Quadratmeter mehr vor sich geht, als nur der An- und Verkauf von Autos. Neben Restauration, Lagerung, Service und Detailarbeiten lockt auch das Pub Brewery Tap und die Santa Maria Pizzeria, die als Londons beste gilt. Daneben gibt es noch regelmäßige Events wie ein Drive-in-Kino und man kann auch noch eine coole Studio-Fläche mieten.

Kaum, dass ein paar Wochen zwischen den Besuchen vergehen, und man entdeckt, dass der unternehmerisch eingestellte Gründer Merlin McCormack seinem Duke of London-Kosmos noch einen Stern hinzugefügt hat – zum Beispiel die neue Vinothek für naturbelassenen Wein, die auf den wirklich witzigen Namen „Naturally Aspirated“ getauft worden ist.

McCormack startete diese neue Geschäftsidee mit James Bannister, einem weiteren Petrol Head. Ein Name, der in der Allradszene des Vereinigten Königreichs durchaus bekannt ist, denn erst kürzlich hatte er seine Position bei einer großen Automotive-PR-Agentur verlassen, um sich neuen Abenteuern fern von Motoren zu widmen. Eigentlich hatte er nicht beabsichtigt, einen Weinladen zu gründen.

Aber wie das mit großartigen Ideen manchmal so ist: Sie entwickeln sich, sagen wir, „natürlich“.

„Es fing damit an, dass ich im Osten Londons wohnte und einen extrem unzuverlässigen Lancia Fulvia hatte“, erzählt Bannister.

„Wenn wieder das nächste Unheil drohte, fuhr ich quer durch die Stadt zu Duke of London – im äußersten Westen -, wo einer der Techniker oder sogar Merlin selbst das Problem beheben würden.“

„An einem dieser seltenen Tage, an denen das Auto problemlos lief, fuhr ich zu einem Barbecue in einem Trendviertel im Osten Londons. Kurz nach meiner Ankunft, sagte der befreundete Gastgeber, dass er noch Getränke nachkaufen musste. Ich habe ihn begleitet und dabei meine erste Vinothek für naturbelassenen Wein entdeckt. Ehrlich, ich war hin und weg.“

„Weil ich schon mal dort war, entschloss ich mich, Merlin eine Flasche zu kaufen als Dank dafür, dass er meinen Lancia so oft wieder flott machte. Ich habe die Flasche ausschließlich nach dem Etikett ausgewählt.“

Vielleicht war es Intuition oder eine glückliche Fügung, aber Bannisters Wahl traf bei McCormack genau ins Schwarze, der, wie sich herausstellte, ein Enthusiast ökologisch angebauten Weins ist und immer erfolglos nach einer guten Quelle für seinen Lieblingstropfen in West-London gesucht hatte.

„Er hatte nicht realisiert, wie viele Spezialgeschäft für naturbelassenen Wein sich im Osten Londons drängten“, erinnert sich Bannister. „Es geht soweit, dass es in manchen Orten überhaupt nicht gerne gesehen wird, wenn man Wein mit zugesetzten Chemikalien trinkt.“

Dank des natürlichen Eigensinns von Bannisters Lancia folgten noch einige önologische „Bezahlungen in Naturalien“ – das inspirierte das Duo, sich noch intensiver mit dieser Leidenschaft für ökologische Weine zu beschäftigen. Das führte fast zwangsläufig zum nächsten Schritt: Sie trauten sich und richteten im The Factory genannten Bereich von Duke of London einen Laden ein. Dieses Areal war bisher zu eng für das Manövrieren von Autos gewesen, aber natürlich ideal für ein neues Geschäft.

Aber getreu dem DoL-Stil ging es nicht darum, einfach einen Tisch mit ein paar Flaschen Wein aufzustellen. Stattdessen schuf McCormacks Bruder Algernon, ein Metallhandwerker, eigens einen voll verglasten Showroom aus Aluminium, der ausgerüstete wurde mit einem über drei Meter langen Degustationstisch mit italienischen Terrazzokacheln.

Factory-Handwerker und andere DoL-Mieter kümmerten sich um weitere Details wie Schreinerarbeiten und Schriftzug und Schilder des neuen Shops. Was dabei herauskam, ist ein Fest für die Augen, dass Weinliebhaber nicht weniger entzücken dürfte wie der Inhalt der Flaschen.

Mit der Unterstützung des unabhängigen Sommelier Jamie Metcalfe – einem in Kopenhagen basierten Experten für naturbelassenen Wein – haben McCormack und Bannister Naturally Aspirated mit einer beeindruckenden Auswahl an Flaschenweinen von 9 bis 45 Pfund bestückt, die sowohl direkt im Laden oder über das Online-Portal der Firma gekauft werden können. Das Trio berät inzwischen Restaurants bei der Komposition einer ökologisch spezialisierten Weinliste und plant hier auch in Zukunft Degustationen.

Natürlich nimmt bei diesem Projekt auch das Thema Beförderung eine wichtige Rolle ein. Es handelt sich um eine kleine Flotte an italienischen Lieferfahrzeugen: eine Vespa Primavera aus den sechziger Jahren und eine Alfa Romeo Giulia Super aus den frühen Siebzigern. Zufällig waren beide von derselben Karosseriewerkstatt in einem ähnlichen Ton lackiert und haben jetzt ein Finish in den „Naturally Aspirated“-Farben erhalten.

„Der Alfa wurde mit einer Phase-Zwei-Federung, Motorsportbremsen und einem von Titus Rowlandson komplett neu aufgebauten 2,0-Liter-Motor ausgerüstet. Auf dem Prüfstand hat dieser Motor 184 PS entwickelt. Schon ein technischer Overkill für einen Lieferwagen“, gibt Bannister zu. „Aber der Alfa ist sehr komfortabel und hat eine riesige Ladefläche, die wir demnächst mit einem großformatigen Weinkühler bestücken. Dazu mussten wir auch ein neues Logo entwickeln: Anstelle des Alfa-Kleeblatts prangt dort eine Weintraube.“

Engländer dürften die Gelegenheit bekommen, die beiden Fahrzeuge im ganzen Land zu entdecken, denn Bannister und McCormack wollen die Vorteile der Naturweine bewerben und fördern – ein schnell wachsender Trend.

„Es gibt eindeutig eine Tendenz zu Weinen, bei denen es so wenig chemische Interventionen wie möglich gegeben hat“, sagt Bannister.

„Immer mehr Menschen probieren diese natürlichen Weine aus und entdecken, wie breit die Auswahl ist, und, dass diese Produkte nicht teuer sein müssen. Es liegt in der Natur dieser Weine, dass sie eher von kleinen Erzeugern stammen. Mit unserer Vinothek wollen wir in der Lage sein, sie zu unterstützen, ihre Weine bekannter zu machen und allen Genießern eine Zukunft ohne Kopfweh zu schenken.“

 

Fotos: Tom Shaxson © 2021