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Magazin

Matthew Humphries - Ein Designer macht blau

Matthew Humphries war gerade einmal 21 Jahre alt, als er von Morgan zum Chefdesigner berufen wurde. Vor drei Jahren hat er das Unternehmen verlassen, ist aber so beschäftigt wie eh und je. Classic Driver traf den hochbegabten 32-Jährigen an einem seiner seltenen freien Tage.

Wir sind mit Matthew in Shelsley Walsh verabredet – nicht nur der weltweit älteste Austragungsort für Bergrennen, sondern auch der einstige Spielplatz des Designers. Er wuchs gerade einmal einen Katzensprung entfernt von der Strecke auf und durfte an der Hand seines Vaters schon als Kind die Treffen des Bentley Drivers’ Club besuchen. Heute Vormittag ist auf dem legendären Hillclimb nichts los, also sind Matthew und seine Freundin und Geschäftspartnerin Penny mit ihren beiden Alfa Romeo Spider für ein bisschen Spaß angereist.

Ein paar Saiten mehr für den Bogen

Nach ein paar entspannten Runden bergauf in der Morgensonne, erzählt Matthew, was er seit seinem sieben Jahre dauernden Debüt bei Morgan alles getrieben hat – freie Tage waren eher selten dabei. Neben verschiedenen Designprojekten, über die er allerdings nicht sprechen darf, weil die Autos noch nicht der Öffentlichkeit gezeigt wurden, hat er auch erste Schritte in die Welt des Uhrendesigns unternommen und nicht nur sein eigenes Unternehmen gegründet, sondern auch neue Formen für den Relaunch der Schweizer Marke Lonville entworfen. Gleichzeitig hat er am Royal College of Art, einer der renommiertesten Schmieden für jungen Designer, Vorlesungen gehalten.

Vierzylinder-Party

Während sich die Motoren der Alfas mit einem zufriedenen Knistern abkühlen, durchbohrt das Wummern eines weiteren Twin-Cam-Reihenvierzylinders mit vier Ventilen pro Zylinder und einer oben liegenden Nockenwelle die morgendliche Stille. Es ist Matthews Vater Mark, der nicht nur ein erfolgreicher Architekt, sondern auch ein eingefleischter Autofan ist und am Steuer seines Bentley 3-Litre sitzt.  „Ich dachte, ich zeige euch mal, wie fortschrittlich Bentleys Technologie damals war”, lächelt er und scherzt über den kleinen Spider seines Sohnes. Dann donnert der Gigant mit der Vanden-Plas-Karosserie den Shelsley-Berg hinauf. 

Eine vielfältige Sammlung

Wir fahren zurück zum Haus der Humphries, um die höchst ungewöhnliche Familienflotte kennenzulernen. Zum Bentley und zum Alfa-Paar gehören klassische Sammlerstücke wie Porsche 911 und 956, außerdem eine Reihe von Überraschungen. In den Tiefen der Garage warten noch ein beeindruckender Bentley S2 mit Nadelstreifen, ein Citroën Traction Avant, jener MGB, der Matthews erstes Auto für den Alltag war, und sogar ein Saab 96 V4 in Rallye-Ausführung. Nach unserer exklusiven Führung ist es an der Zeit, Matthew ein paar Fragen zu stellen.

Fachsimpeleien

Du besitzt eine ungewöhnliche Sammlung - welches Auto ist Dir am liebsten?

Das wäre der graue 2,2-Liter-Porsche. Als ich noch jünger war, sind mein Vater und ich damit bei vielen Touren und Klassiker-Rallyes quer durch Europa unterwegs gewesen. Dann, kurz nachdem ich meine Führerscheinprüfung bestanden hatte, ist er mit mir zu einem Track Day auf der Rennstrecke von Donington gefahren und hat mir lässig die Schlüssel zugeworfen. Ich hatte zuvor noch nie einen Heckantrieb erlebt, geschweige denn ein Modell mit Heckmotor. Klar, schon auf der ersten Runde bei der berüchtigten Old Hairpin war es aus mit mir - der klassische Fahrfehler in einem alten 911er: vom Gas gehen, wenn er anfängt, zu übersteuern. Zum Glück konnten die Autos hinter mir ausweichen. Danach habe ich gelernt, wie man ihn richtig beherrscht. 

Deine Klassiker liegen Dir ganz offensichtlich am Herzen. Sind sie auch die Inspirationsquelle für Dein Design?

Auf jeden Fall.  Ich hatte die Grundidee für den Aeromax schon lange bevor sich Morgan dafür entschied – sie war eigentlich die Grundlage meiner Diplomarbeit. Ich liebe die Tropfenform der Talbot-Lagos und der Bugatti Atlantics und wollte diese Silhouette modern interpretieren. Als Morgan sich dann für den Entwurf entschied, sollte es ursprünglich ein One-Off für einen Kunden werden, aber weil das Modell bei der Premiere beim Genfer Salon so positiv aufgenommen wurde, entwickelte sich daraus eine limitierte Serie.

Wann hast Du angefangen, Dich für Uhren zu interessieren?

Mich haben immer schon Autos und Uhren fasziniert. Während der Arbeit am Morgan Three-Wheeler habe ich überlegt, wie ich das Design einer schönen Uhr in das Armaturenbrett integrieren könnte. Ich habe den perfekten Zündschalter entdeckt, nämlich den Auslöseknopf für den Bombenabwurf eines Eurofighter-Jets. Ich nahm diese Idee als Ausgang für die Gestaltung der Instrumententafel mit großen quadratischen Anzeigen und einer hinteren großen Alu-Abdeckung sowie einer hinteren Alu-Abdeckung sowie ebenfalls großen Befestigungen an den Ecken. Es sollte so aufgebaut sein, dass die Optik an einen B52-Bomber erinnert. Damit war mein Interesse geweckt und ich fing an, mit Uhren zu experimentieren und sie in Einzelteile zu zerlegen. Dann habe ich auch entdeckt, dass es da eine wachsende Fangemeinde für das Individualisieren von Seiko-Armbanduhren gibt. 

Und das hat dazu geführt, dass Du Deine eigene Uhrenfirma gegründet hast?

Ja, ich mag Automatikwerke und bin auch von der Mechanik dahinter fasziniert. Also habe ich eine Ladung Seikos gekauft, sie auseinander genommen und Customising betrieben: neue Einfassungen, Zifferblätter, Anzeigen und Zeiger. Meine Partnerin Penny kommt aus der Textilbranche und experimentiert gerne mit unterschiedlichen Stoffen und Materialien. Ich habe einige Gehäuse, Einfassungen sowie andere Komponenten fertigen lassen und Penny begann, dazu passende Armbänder zu entwerfen. Vor fast zwei Jahren haben wir dann die Firma MHD Watches gegründet und haben seitdem rund 400 bis 500 Uhren verkauft.

Ungefähr so, wie es Bamford mit Rolex gemacht hat, nur viel günstiger?

Könnte man sagen. Wir sind da ganz ehrlich: Es sind Seiko-Uhren, die dann mit verschiedenen Komponenten individualisiert werden. Eigentlich kann man diese Herstellung mit Morgan vergleichen, denn die haben einen bewährten BMW-Motor genommen und ein Auto drumherum gebaut. Wir nehmen das verlässliche Seiko-Uhrwerk und bieten Kunden an, nach ihrem Geschmack Gehäuse, Zifferblatt, Einfassung, Armband, Anzeigen und Zeiger auzuwählen. Alles entsteht in Manufaktur. Wir bieten auch individualisierte Farben an. Ein Kunde wollte gleich drei Uhren, sie mussten dasselbe Design besitzen, aber mit unterschiedlichen Farben für die Sekundenzeiger. Er hatte einen Porsche 911, sein Vater einen Porsche 968 und sein Bruder einen Lotus Elan, also haben wir die Zeiger auf den Lackton der Autos abgestimmt. Mir gefällt die Idee, einen Gegenstand persönlich für einen Kunden zu entwickeln, der aber nicht gleich unbezahlbar ist. 

Du hast im Lauf Deiner noch jungen Karriere schon sehr viel erreicht. Was hält die Zukunft noch bereit?

Noch mehr Autos, definitiv. Ich arbeite zur Zeit an verschiedenen Projekten. Das wird immer meine Leidenschaft sein. Ich würde gerne Uhren entwickeln und sie von Grund auf gestalten, zum Beispiel mit eigenen Uhrwerken. Letztlich gefallen mir Produkte, die für die individuellen Bedürfnisse eines Kunden entwickelt wurden.

Photos: © 2015 Amy Shore for Classic Driver