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Warum die Concours-Uhren in Hong Kong anders ticken

Beim Gold Coast Motor Festival gewährt die Automobilszene von Hong Kong seltene Blicke auf ihre Schätze. Unser CEO J. Philip Rathgen war bei der zweiten Ausgabe des Concours d’Elegance als Preisrichter dabei – und berichtet von seinen Erlebnissen.

Hong Kong könnte ein Paradies für Car Spotter sein. Könnte, denn in der einstigen britischen Kronkolonie sind zwar überproportional viele Automobilklassiker und Supersportwagen zugelassen, doch sind die wirklich besonderen Autos nur sehr selten in der Öffentlichkeit zu sehen. Das Gold Coast Motor Festival ist daher ein willkommene Abwechslung. Einige der profiliertesten Sammler zeigen beim gleichnamigen Concours d’Elegance seltene Klassiker, die man nicht unbedingt in den Garagen von Central bis Kowloon erwartet hätte.

„In Hong Kong ticken die Concours-Uhren etwas anders.“ Dieser Satz eines Freundes und Mitglieds im Classic Car Club of Hong Kong klang fast wie eine Warnung. Als ich im letzten Jahr die Einladung erhielt, Mitglied der Jury beim ersten Gold Coast Motor Festival in Hong Kong zu werden, wollte ich mich natürlich informieren, da mir die dortige Sammlerszene bis auf einige große Namen wie Sir Michael Kadoorie und William "Chip" Connor gänzlich unbekannt war. Nach der Premiere des Festivals 2016 verstand ich, was mein Bekannter gemeint hatte – denn tatsächlich lief Einiges anders, als man es von Wettbewerben in Europa und den USA gewohnt war. Doch die Andersartigkeit ist durchaus positiv gefärbt: Auch wenn seinerzeit organisatorisch einige kleine „Stolpersteine“ aus dem Weg geräumt werden mussten, vereinte alle Teilnehmer doch der Enthusiasmus für die gemeinsame Leidenschaft – das Automobil.

In nur einem Jahr haben es die Organisatoren nun fertiggebracht, aus einem kleinem Car Event ein richtiges Festival zu machen. War die Auswahl an Concours-Autos im letzten Jahr teils beeindruckend, aber manchmal auch sehr fragwürdig, begeisterten die Klassiker und Supersportwagen im Wettbewerb in diesem Jahr durchweg. Persönlich, wenn auch kein Gewinner im Concours, war für mich das Aston Martin DB 2/4 Cabriolet mit einer Graber-Karosserie eine große Überraschung, mit der ich nach den Erfahrungen im letzten Jahr nicht unbedingt gerechnet hätte. Der Wagen stammt aus einer mir vorher nicht bekannten Sammlung, in der auch ein sehr schöner Fiat „Otto Vu“ stehen soll. Eine ähnlich überraschte Begeisterung teilten meine Jury-Kollegen Adolfo Orsi und Manvendra Singh für einen Engländer – einen eleganten Bentley 3 1/2 Liter, Baujahr 1926. Der Sieger seiner Klasse stammt aus der Sammlung Kadoorie und befindet sich seit 1972 in Hong Kong.

Natürlich wurde auf dem Gold Coast Motor Festival auch das 70. Ferrari-Jubiläum mit einer eigenen Klasse gefeiert. Neben dem Vorjahressieger – einem Ferrari F40 mit niedriger Laufleistung, der außer Konkurrenz zu sehen war – traten auch ein Ferrari 288 GTO und ein Dino gegeneinander an. Das Rennen machte übrigens der kleine Dino in einwandfreiem Originalzustand. Neben den spannenden europäischen Klassikern, die es im Norden Hong Kongs zu bestaunen gab, konnte ich mich für Autos begeistern, denen ich bisher aufgrund einer etwas engstirnigen, eurozentrischen Sichtweise keine Aufmerksamkeit geschenkt habe: Klassiker aus Japan. Dabei war ein Toyota 2000GT, der Sieger seiner Klasse, nicht weniger eindrucksvoll als die Phalanx von historischen Nissan GTR. Schon alleine deshalb lohnt sich ein Besuch des Festivals.

Auf den ersten Blick überraschend erscheint mit Blick durch die „europäische Brille“ auch der diesjährige Sieger. Der Titel „Best of Show“ wurde einer Crovette Stingray von 1964 verliehen, die sich gegen eine starke Konkurrenz durchsetzen konnte. Das Besondere an diesem US-Klassiker ist seine Renngeschichte in Asien. Als eine von nur drei original als Rechtslenker ausgelieferten Corvette Stingray blickt die Concours-Siegerin auf Renneinsätze in Macau in den 1970er Jahren zurück. Der jetzige Besitzer, ein Sammler aus Hong Kong, scheute keine Zeit und Mühen, den Wagen in seine Originalzustand zurückzuversetzen. Dafür unternahm der Eigner unzählige Reisen nach Bowling Green in Kentucky, um dort nach der Historie zu forschen und Teile zu finden.

Hat sich die Reise nach Hong Kong also gelohnt? Absolut, denn was die Organisatoren des Gold Coast Motor Festivals in nur einem Jahr auf die Beine gestellt haben, ist ein weiterer Beleg, dass die Uhren der Autoszene in Hong Kong tatsächlich anders ticken – und zwar immer schneller. 

Fotos: Aaron Chung