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Nach 34 Jahren kehrt das Niva Red Legend Team Niva zurück zur Rallye Dakar

In weniger als acht Wochen startet das Niva Red Legend Team bei der Rallye Dakar 2022 – und Classic Driver ist als offizieller Medienpartner mit von der Partie. Nun hat uns das Schweizer Rallye-Duo erzählt, wie man sich in weniger als einem Jahr auf das härteste Rennen der Welt vorbereitet.

Wir sind weniger als zwei Monate vom Start der Rallye Dakar 2022 entfernt, aber für Mario Jacober und Sladjan Miljic – das Duo, das für die Wiedergeburt von LADAs Rallye-Karriere verantwortlich ist – war überhaupt schon das Erreichen der Startlinie ein Rennen gegen die Zeit. Classic Driver hat als Medienpartner von Anfang an das Niva Red Legend Team begleitet. Jetzt wo der LADA Niva T1 endlich fertiggestellt und bereit für die Stresstests ist, haben wir uns mit dem Rookie-Team getroffen, um zu erfahren, welchen Herausforderungen sie sich in der Vorbereitung auf eines der gnadenlosesten Langstrecken-Motorsport-Spektakel stellen mussten.

Mario und Sladjan, danke, dass ihr euch Zeit genommen habt. Zunächst: wie ist es zu diesem Projekt gekommen und warum habt ihr euch für einen LADA entschieden?

Mario: "Am 5. Januar diesen Jahres bin ich nach Sibirien gefahren, um die Verwandten meiner Frau zu besuchen. Es war einer der kältesten Winter, der je aufgezeichnet worden war und da haben wir beschlossen, zum Eisfischen zu fahren. Wir waren also auf einem zugefrorenen See und ich bemerkte, dass die einzige Fahrzeuge rings herum LADA Niva waren. Ich war verblüfft, wie alle diese Autos immer noch bei Minus 35 Grad Celsius funktionierten. Ich dachte mir, dass sie was aushalten können und vielleicht sogar das Potenzial für einen Rallyewagen hätten. In den achtziger Jahren waren die Niva tatsächlich sehr erfolgreich bei der Dakar. Mir wurde aber auch klar, dass ich das nicht alleine würde stemmen können und einen Co-Piloten brauchte. Also rief ich Sladjan an. Er sagte: „Das ist eine verrückte Idee, tun wir´s!“"

Was für ein Start in ein Abenteuer! Warum ist der LADA Niva eine so gute Wahl  für Rallye Dakar? 

Mario: "Erstens ist die Familie meiner Frau in der Automobilindustrie – sie haben in der Vergangenheit an LADA Niva gearbeitet und sind mit ihnen Rennen gefahren. Deshalb haben wir uns entschieden, den Niva in Sibirien statt in der Schweiz zu entwickeln und zu bauen. Denn in Sibirien konnten wir von einem reichen Erfahrungsfeld profitieren.

"Zweitens ist der Niva auch leicht und kompakt, also fährt er sich relativ mühelos über raues Terrain. Tatsächlich wurde er ursprünglich gebaut, damit landwirtschaftliche Aufseher ins Land hinaus fahren konnten, um die verschiedenen Bauernhöfe zu inspizieren. Es war auch der erste LADA, der komplett In-house hergestellt worden ist und das erste kompakte SUV mit Monocoque – also ziemlich fortschrittlich für seine Zeit.  Der Niva gilt auch als das älteste Serienmodell der Marke, das noch hergestellt wird. Die Produktion läuft seit 1977.  Damit ist er älter als die G-Klasse, die erst 1979 auf den Markt kam."

Wie hat sich der Niva über die Jahre verändert?

Mario: "Es gab eine Fülle unterschiedlichster Versionen wie beispielsweise einen Fünftürer, aber jetzt wird der Niva ausschließlich als Dreitürer verkauft. Vormals hatte er einen 1,6-Liter-Reihenvierzylinder, heute einen 1,7-Liter-Motor, gleichzeitig wurde der Fahrerkomfort erhöht, wie zum Beispiel mit einer Servolenkung.   

"In 1983, als Jacky Ickx in seinem Mercedes-Benz G-Modell gewann, wurde ein LADA Niva zweiter. Man hätte sogar aufgrund einer Regelwerk-Formalie den ersten Platz beanspruchen können, aber das LADA-Team wollte einen klaren Sieg. Unser Fahrzeug basiert auf einem LADA Niva 1600 von 1984, also starten wir in der H1-Kategorie der Dakar Classic, die Autos, die bis 1986 gebaut worden sind, umfasst. Wir wählten dieses Modell, weil es unsere Hommage an die originalen LADA Niva bei der Rallye Dakar sein sollte. 

"Tatsächlich waren im Dezember 1978 / Januar 1979 bei der ersten Rallye Dakar fünf  Privatteams jeweils auf einer Niva dabei, zwei davon erreichten auch das Finish. Ein Team kehrte danach nach Frankreich zurück und kontaktierte den LADA-Importeur – das war Poch – und so kam auch Poch zur Dakar und entwickelte ein LADA-basiertes Team für die Teilnahme."

Was waren die größten Anstrengungen, die Sie bisher meistern mussten? 

Mario: "Die Konstruktion des Fahrzeugs in Russland aus der Ferne in der Schweiz zu managen -parallel zu unseren Jobs – war die größte Leistung. Es gab eine Reihe von Herausforderungen, die während des kompletten Neuaufbaus auftauchten. Wir wollten uns beispielsweise so originalgetreu wie möglich an diesen Autos der 80er orientieren, den gleichen Überrollkäfig verwenden. Aber das wurde dann zu kompliziert, weil der Käfig nicht modernen Sicherheitsstandards genügte. Trotzdem ist es uns gelungen, einen Teil des aufregenden Geists der privaten Amateurteams – der „Rookies“ – einzufangen, die sich dieser Herausforderung Dakar in 1979 stellten und das mit einem nicht umfassend modifizierten Niva. Wir sind so sehr dankbar für die Unterstützung durch unsere Freunde und der Familie, die uns geholfen haben, diesen Punkt zu erreichen. Vor allem meine Frau, die mir so viel Zeit und Unterstützung geschenkt hat, um dieses Ziel zu ermöglichen. Alles in zwölf Monaten zu erreichen, war selbst schon ein Rennen."

Sladjan: "Für mich hatten die größten Herausforderungen mit der Logistik zu tun. Man braucht ja Rennassistenten und Mechaniker und weil wir Rookies sind, mussten wir das alles erst durch eigene Recherchen in Erfahrung bringen. Also haben wir uns zur Unterstützung mit einer Reihe von anderen teilnehmenden Teams in Verbindung gesetzt. Verrückt, aber das Team, das mit der G-Klasse von Jacky Ickx von 1983 starten wird, unterstützt auch uns. Es wird spannend zu erleben, dass der LADA und der Mercedes, die damals Rivalen waren, im selben Team unterwegs sein werden. Wir haben auch Roland Kussmaul und Wolf-Hendrik Unger besucht, die den Porsche 959 mit Nummer 187 in der Dakar 1986 gefahren sind und sie haben uns wertvolle Einsichten und Feedback geben können."

Was sind einige der Modifikationen am Auto, die Sie zur Rallye-Vorbereitung gemacht haben? 

Mario: "Wir waren bemüht, das Auto so nah wie möglich an der Serie zu halten. Wir haben den Motor überarbeitet und das Chassis dort, wo sich die Stoßdämpfer befinden, verstärkt, aber wir haben eigentlich nichts unternommen, um die Leistung zu verbessern. Unser Hauptaugenmerk war, die Ausdauer und Widerstandsfähigkeit des Niva T1 zu erhöhen. Also haben wir vorne ein elektrisches Gebläse und eine elektrische Kraftstoffpumpe als Back-up.

"Es geht in der Hauptsache darum, das Auto so leicht wie möglich zu halten – die Haube, Türen und Kofferraumdeckel sind allesamt aus Fiberglas und der Innenraum wurde ausgeräumt. Allerdings sind die Räder serienmäßig und wir verwenden auch die gleichen Pirelli-Reifen, die damals im Einsatz waren. Wir haben auch einen sonderangefertigten 110 Liter fassenden Kraftstofftank, der uns eine Reichweite von 800 – 1.000 Kilometer ermöglicht."


Gibt es vor der Dakar Aspekte des Fahrzeugs, bei denen Sie sich noch nicht ganz sicher sind? 

Sladjan: "Die große Challenge besteht darin, zu vermeiden, dass kein Staub in den Motor gerät. Deswegen haben wir ein spezielles Filtersystem installiert. Wir wollen wirklich nicht wegen Wüstenstaub liegenbleiben, also müssen wir hier noch ein paar Tests machen – in Sibirien gibt es viel Schnee aber nicht so viel Sand. Im Augenblick geht es jetzt darum, möglichst viel Erfahrungswerte und Ratschläge von anderen Teams, die teilgenommen haben, einzuholen." 

Welche sind die größten Konkurrenten des Niva? 

Mario: "Die Rallye Dakar hat jetzt offiziell alle Teilnehmer der Dakar Classic bekanntgegeben. Ich denke, es sind jetzt an die 145 in allen Kategorien bis zum Jahr 2000. Wir sehen viele Range Rover und Land Rover, eine ganze Reihe G-Klasse-Exemplare und auch Mitsubishi Pajero – aber die sind alle nicht in unserer Kategorie. Wir behalten die Land Rover und die G-Klasse fest im Blick." 

Sladjan: "Ein Geheimtipp könnte der Fiat Panda 4x4 sein, denn ich liebe. Es wird interessant sein, zu sehen, wie er sich schlägt." 

Sie haben schon sehr viel Unterstützung erhalten. Hat Sie das überrascht? 

Mario: "Wir haben viele unserer Partner durch unsere Erfahrung und unsere Netzwerke in der Schweiz getroffen. Sladi hat tatsächlich selbst eine Straßenrallye mit dem Titel „Road to Hell “organisiert – so habe ich ihn kennengelernt. Einfach ein Teil der Schweizer Klassikergemeinschaft zu sein, war eine enorme Hilfe. 

"Als wir beim Testen in Sibirien waren, haben die lokalen Medien Wind von uns bekommen und berichteten „da sind diese zwei Schweizer, die LADA wieder zurück zur Dakar bringen wollten“. So ist LADA selbst auf uns aufmerksam geworden und entschied, mit uns gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. So kam es, dass wir auch den optischen Auftritt entworfen haben, der die Historie der LADA- Rennteams spiegelt. Die Flammen erinnern an den LADA T3, der von LADA selbst 1995 eingesetzt wurde. Wir haben versucht, die sportliche DNA von LADA so weit wie möglich zu integrieren. So kam auch der Name Niva Red Legend – eine Verbeugung vor den Privatteams, die Pionierarbeit für die Dakar in jenen puren Rallyetagen leisteten."

LADA sind bekannt, kugelsicher zu sein. Ist Ihnen das auch aufgefallen?

Mario: "Das Auto befand sich in Russland, also fuhr der Mechaniker damit tatsächlich zur LADA-Zentrale in Tolyatti, und von dort fuhren wir den Niva T1 zurück in die Schweiz. Wir fuhren insgesamt 5.750 Kilometer, die einen großartigen Testlauf für das Fahrzeug boten. Am letzten Wochenende fuhren wir Versuche in einem Steinbruch. Wir versuchen eben so viel wie möglich zu erproben und bisher hat das Auto diese Bedingungen perfekt absolviert."

Sladjan: "Diese Rückfahrt von Russland in die Schweiz war wirklich die perfekte Erprobung, denn es erlaubte, uns mit dem Fahrzeug vertraut zu machen. Jetzt wissen wir auch wie es sich in rauerem Terrain verhält."

Abschließend noch eine Frage: Wie zuversichtlich fühlen Sie sich so nah vor dem Rallyestart?

Mario: "Ich glaube, das Auto ist bereit. Es war immer unser Ziel, die Rallye zu beenden – am 14. Januar wollen wir die Ziellinie überqueren. Es gibt mit 145 Teilnehmern eine Menge Konkurrenz, also ist am Finish überhaupt anzukommen, schon unser Hauptziel. Wir werden sehen, wir durchkommen. Wir sind Rookies, also ist das auch ein Test für uns persönlich. Aber wir sind bereit, enorm viel zu lernen und wir können es kaum erwarten!"